Gefahr Fluchtmutation

Land vor Öffnung: „Zuerst die Hausaufgaben machen“

Tirol
23.04.2021 10:21

Die großen Öffnungsschritte stehen vor der Tür. Noch vor Pfingsten, genauer gesagt am 19. Mai, sollen die Tore sowohl in Gastronomie und Tourismus als auch in der Kultur und im Hobbysport wieder aufgehen, Details will die Regierung am Nachmittag nach einem Öffnungsgipfel bekannt geben. Erwartete saisonale Effekte, Massentestungen und die immer breitere Durchimpfung geben auch Experten Anlass zur Hoffnung, doch sie warnen vor einem „Frühstart“ und betonen, dass das Land seine „Hausaufgaben machen“ müsse und nicht übersehen dürfe, „dass wir weiter achtsam sein müssen“. Etwa müssten neue Fluchtmutationen - wie jene, die in Tirol kursiert - schnell erkannt und unterbunden werden.

Die relativ neue, besorgniserregende Variante mit dem Namen B.1.1.7+E484K beschäftigte am Donnerstag auch die Corona-Kommission bei ihrer Sitzung. Gegen die Mutation, von der in Tirol bisher mehr als 1800 Fälle sequenziert wurden, sind Impfungen vermutlich deutlich weniger effektiv. Der Grund: Das SARS-CoV-2-Virus hat an der Oberfläche eine Veränderung durchgemacht, durch die es den Antikörpern schwerer gemacht wird, das Virus zu bekämpfen.

Mutation einer ohnehin ansteckenderen Virusvariante
Besorgniserregend ist laut dem Virologen Andreas Bergthaler aber auch, dass die Variante aus der ohnehin bereits ansteckenderen britischen Virusvariante B.1.1.7 entstanden ist. „Das könnte dazu führen, dass es vermehrt zu Reinfektionen oder zu Impfdurchbrüchen kommt“, so der am Forschungszentrum für Molekulare Medizin (CeMM) der Akademie der Wissenschaften tätige Forscher gegenüber Ö1 - also dass das Virus stärker den Impfungen „trotzt“. Nicht zuletzt wegen der Mutation stieg in Tirol die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt wieder auf 213.

Forscher: „Klar“, dass weitere Mutationen auftreten werden
Es sei „klar“, dass weitere Mutationen auftreten werden, die mitunter den Impfschutz oder eine durch Erkrankung aufgebaute Immunität unterlaufen können, so Bergthaler und der Molekularbiologe Ulrich Elling. Und: „Je weniger wir jetzt aufpassen, umso größere Probleme haben wir potenziell im Herbst“, sagte Bergthaler zur APA. „Mit jeder Fluchtmutation setzt das Virus unserer Impfstrategie etwas entgegen.“

Doch noch immer werde bei der Varianten-Überwachung viel Zeit liegen gelassen - vom Probenaustausch und der Datenübertragung angefangen bis zu den verwaltungstechnischen und politischen Abläufen, kritisieren die beiden Wissenschaftler, die mit ihren Teams die Sequenzierungen zur Virenvariantenanalyse federführend durchführen. Es müsse aber jede Mutation kategorisch unterbunden werden, „die eventuell die Impfstrategie zum Rohrkrepierer macht“.

Virologe Andreas Bergthaler (Bild: APA/Roland Schlager)
Virologe Andreas Bergthaler
Die „Mutantenjäger“ Ullrich Elling und Luisa Cochella (Bild: APA/Roland Schlager)
Die „Mutantenjäger“ Ullrich Elling und Luisa Cochella

Zahlen in Öffnungs-Modellregion Vorarlberg steigen wieder
Was die Öffnungen angeht, so müsse Österreich „zuerst seine Hausaufgaben machen“, sagte Elling. Sprich, die Zahlen insgesamt reduzieren, um mit Massentestungen und effektivem Contact Tracing möglichst lange über die Sommermonate niedrige Zahlen zu verzeichnen. In einigen Landesteilen sehe es aktuell auch gut aus, in anderen weniger. Nicht zuletzt sehe man in der Öffnungs-Modellregion Vorarlberg, dass die Zahlen wieder deutlich steigen.

Klimek: Öffnungen „nachhaltig“ durchführen
Die Spielregeln diktiere hier leider das Virus und nicht das individuelle oder politische Wollen, so Elling. Dem stimmt Komplexitätsforscher Peter Klimek zu, der vor einem „Frühstart“ warnt. Gegenüber Ö1 sagte Klimek zwar, er gehe ab Mitte Mai von einem „größeren Spielraum“ angesichts der Durchimpfungsrate und des wärmeren Wetters aus, man dürfe aber nicht außer Acht lassen, dass die Lage dann so stabil sein müsse, um Öffnungen „nachhaltig“ durchführen zu können.

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