Nach Vorarlberg hat auch das Burgenland erste Öffnungsschritte vollzogen. Dennoch will kaum gelöste Stimmung aufkommen. krone.tv war bei einem Lokalaugenschein im Designer-Outlet Parndorf, wo die Polizei das Shopping kontrolliert, und auf dem Weingut der legendären Winzerfamilie Nittnaus.
Endlich wieder auf Schnäppchenjagd gehen oder zum Frisör: Die Freude war groß, als Burgendlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil vorletzten Montag verkündete, man werde Vorarlberg folgen und die Corona-Maßnahmen lockern. Die Rüge der SPÖ-Chefin folgte auf den Fuß, die Folgen sind bekannt. Doskozil hat sich mittlerweile aus der Bundes-SPÖ zurückgezogen.
In den drei größten Einkaufszentren des östlichsten Bundeslandes darf jedenfalls wieder geshoppt werden - unter anderem auch im Designer-Outlet Parndorf. Das riesige Gelände ist am Vormittag noch fast menschenleer, es gilt auch im Freien Maskenpflicht. Ein paar einsame Kunden spazieren an den zuckerlfarbenen Boutiquen vorbei und genießen die heilige Ruhe.
„Bitte Maske aufsetzen!“
Sechs Eingänge hat Arthur McGlenn, überall ist Sicherheitspersonal. Am ersten Tag mussten sich die Security-Guards viel Kritik anhören, es sei nicht ausreichend kontrolliert worden. Jetzt schon: „Bitte Maske aufsetzen!“, wird jeder Kunde aufgefordert, bevor er das Shopping-Paradies betritt. Am Haupteingang hat sich die Polizei mit einem Streifenwagen postiert. Der Grund: Kunden aus den benachbarten Bundesländern dürfen noch nicht shoppen, für sie gelten die jeweiligen regionalen Verordnungen. Drei Beamte - zwei Männer, eine Frau - kontrollieren hier jeden Besucher. Mitarbeiter des Outlets müssen ihre Dienstnachweise vom Arbeitgeber vorweisen. Shopping-Pendler aus Wien und Niederösterreich werden mit einem Foto des Auto-Kennzeichens erfasst und freundlich verwarnt.
„Ich will nur kurz Schuhe kaufen“
Im Vordergrund steht der aufklärende Dialog, so Oberstleutnant Helmut Marban. „Eine Anzeige bleibt die Ultima Ratio“ so der Büroleiter für Öffentlichkeitsarbeit und internem Betrieb bei der Polizei Burgenland. Autos werden stichprobenartig angehalten und die Lenker befragt. Ein Wiener sagt, er wolle „nur kurz Schuhe kaufen“ - er wird angewiesen, wieder umzudrehen und muss das Outlet ohne ein Schnäppchen wieder verlassen. Auch originellere Ausreden nützen nichts. „Ich hatte einen Termin in Winden am See!“ Fehlanzeige. Die Polizei sieht keinen Grund fürs Passieren. Ein Mitarbeiter informiert die Beamten, dass „bei der hinteren Einfahrt gerade alle Wiener reinfahren“ - auch sie werden es nicht schaffen.
„Man fühlt sich fast wie in einer Geisterstadt“
Dafür freuen sich burgenländische Shopper über Verkaufslokale, die praktisch ihnen alleine gehören. Angenehme Soul-Musik hallt ins Leere. Es ist so still, dass man die Strommasten knistern hört. „Man fühlt sich fast wie in einer Geisterstadt“, fasst es eine Frau zusammen. Erst am frühen Nachmittag füllen sich die Parkplätze etwas. Trotzdem bleibt das übliche Gewusel aus. Vielleicht hat Corona den Leuten die Lust auf Menschenmassen endgültig verdorben?
Manche treibt die reine Beobachtungslust hierher. „Ich sitze einfach da und schau mir die Leute an“, erzählt uns eine Dame. Prall gefüllte Einkaufstaschen sieht man hier nicht. Eher kleinere „Beuten“, als Souvenir eines Tagesausflugs, der lange nicht mehr möglich war.
Für den General Manager des Mode-Outlets ist die Situation auch noch gewöhnungsbedürftig. „Wir hatten vor Corona auch viele Kunden aus Asien und Russland. Jetzt freuen wir uns über die Burgenländer“, sagt Mario Schwann. Stolz erklärt er das Sicherheitskonzept und bemüht sich, Optimismus auszustrahlen. Es ist nur ein kleiner Vorgeschmack auf die neue Normalität. Und er hat einen bitteren Beigeschmack, weil Gastronomie und Hotellerie noch immer geschlossen sind.
Darunter leidet ein wichtiger Wirtschaftszweig des Burgenlandes, der Weinhandel. 15 Kilometer weiter, in der Weinbaugemeinde Gols, bauen 90 Winzer ihre Spitzenweine an. Darunter die legendäre Familie Nittnaus.
Winzer warten auf Gastro
Durch Corona haben Vater und Sohn jetzt mehr Zeit für ihre Reben. „Die Krise hat auch etwas Gutes gebracht“, erklärt Martin Nittnaus - der Juniorchef ist Verkaufsleiter des elterlichen Betriebs. „Da die ganzen Präsentationen und Verkaufstouren abgesagt wurden, haben wir uns viel mehr mit unseren Weingärten und Rebstöcken beschäftigen können. Ironischerweise haben wir nun noch mehr Möglichkeiten, den Wein individueller zu gestalten. Wir sehen jetzt Dinge im Weingarten, die wir vorher nicht sehen konnten, weil wir einfach nicht die Zeit dafür hatten.“ Auch ein Webshop wurde umgehend eingerichtet. „Ich mach den Wein, der Weinhändler muss ihn verkaufen und der Kunde muss ihn trinken. Das illustriert, dass wir alle in einer Kette hängen und die müssen wir so engmaschig wie möglich gestalten.“
Exportverbindungen ersetzen Gastronomie nicht
Nittnaus hat sich bisher gut durch die Krise geschlagen, aber die Gastronomie, der Hauptabnehmer der Weine, fehlt. „Wir sind in einer einmaligen, nie dagewesenen Situation. Dass die ganze Gastronomie seit insgesamt fast einem Jahr geschlossen hat, trifft uns schon sehr hart, weil wir hauptsächlich an die Gastro liefern. Wir haben gute Exportverbindungen, mit denen wir das etwas kompensieren konnten, trotzdem spüren wir das sehr. Bis Dezember haben wir uns halbwegs über die Runden gebracht und jetzt hoffen wir, dass das alles wieder anspringt irgendwann“, sagt Seniorchef Hans Nittnaus. Seit insgesamt drei Jahrzehnten produzieren sie hier ihren preisgekrönten Wein. „Unsere Weine sind so, dass sie durch die Lagerung und den späteren Verkauf nur besser werden. Da mach ich mir keine Sorgen. Aber ich habe ein gutes Gefühl für nächstes Jahr.“
Im Verkaufsraum hängen Fotos der Vorfahren, stolz erklärt man, man benütze „dieselben Fassarten wie damals“. Wenn am 19. Mai dann alles aufsperrt, geht das Geschäft wieder richtig los - hier in Gols und drüben in Parndorf. Bis dahin will sich die Lockerheit im Burgenland noch nicht recht einstellen.
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