Aktenlieferungen

Corona/Ibiza: Brisante Befragung, heftige Debatten

Politik
28.04.2021 06:00

Der umstrittene ehemalige Impfkoordinator Clemens Martin Auer war am Dienstag im „kleinen U-Ausschuss“ am Wort. Sein Auftritt sorgte für erhitzte Politiker-Gemüter. Ebenso emotional geht es rund um Aktenlieferungen im Ibiza-Ausschuss zur Sache.

Noch selten war ein Beamter Gegenstand heftiger politischer und öffentlicher Debatten wie Clemens Martin Auer. Er dürfte auf diese spezielle Stellung wohl gerne verzichten, schließlich ist er nicht nur unfreiwillig aus seinem Spitzenjob im Gesundheitsministerium geschieden, sondern auch ebenso unfreiwillig ein Mann der Extreme.


Für die einen, für die Vertreter der Kanzlerpartei ÖVP, ist er verantwortlich für Versäumnisse bei der Beschaffung so dringend benötigter Impfstoffe, für die anderen, die Opposition, ist er ein Sündenbock, dem die Regierung eine Episode des Corona-Versagens umhängt. Der ehemalige Impfkoordinator Clemens Martin Auer war am Dienstag zu Gast im „kleinen U-Ausschuss“ zu den Beschaffungen in der Coronakrise.

(Bild: APA/Georg Hochmuth)

Der Spitzenbeamte wollte sich zwar öffentlich nicht äußern, nach Angaben von Sitzungsteilnehmern jedoch wies er die Verantwortung für nicht bestellte Impfstoffe von sich. Einen klaren Nachweis, dass Kanzler Sebastian Kurz sehr wohl informiert war, konnte laut Informationen aus Abgeordneten-Kreisen jedoch nicht erbracht werden.

Existierte Kostendeckel?
Ob ein heiß umfehdeter und vom Finanzministerium eingezogener Kostendeckel (200 Millionen im Herbst) existierte, wird je nach Blickwinkel unterschiedlich interpretiert - der Streit dreht sich um die Formulierungen „bis zu“ oder „mehr als“ 200 Millionen. Manchmal machen Details den großen Unterschied.

Opposition gegen Kanzlerpartei
Auer sollte in der nichtöffentlichen Sitzung den Abgeordneten Auskunft erteilen, wieso Österreich nicht sein maximal verfügbares Kontingent an Impfstoffen vor allem von Johnson&Johnson und Biontech/Pfizer abgerufen hat. Kurz hatte dafür einen Alleingang des Impfkoordinators Auers verantwortlich gemacht. Der damalige Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) war danach ebenfalls auf Distanz zu Auer gegangen, weshalb dieser quasi gegangen wurde.

V. l.: Wolfgang Zanger (FPÖ), Karin Greiner (SPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS) (Bild: APA/HERBERT NEUBAUER)
V. l.: Wolfgang Zanger (FPÖ), Karin Greiner (SPÖ) und Douglas Hoyos (NEOS)

Die Analyse der Aussagen von Auers fielen wenig überraschend vielfältig aus. „Schäbig“ nannte NEOS-Abgeordneter Douglas Hoyos den Umgang mit dem Beamten. Hätte der Kanzler tatsächlich nichts davon gewusst, hätte er seinen Job als Kanzler nicht gut gemacht. Genauso sieht das FPÖ-Fraktionschef Wolfgang Zanger, der Kurz‘ Aussagen, die schon im Ausschuss zu vernehmen waren, nicht nachvollziehbar seien.

SPÖ-Fraktionschefin Karin Greiner sieht wie ihre Oppositionskollegen den Kanzler als den Schuldigen und Verantwortlichen, dass Österreich nun in einer „fatalen Impfsituation“ sei. Es habe sich der Eindruck verstärkt, wonach für den 200 Millionen-Euro-Deckel Finanzminister Gernot Blümel und Kanzler Kurz verantwortlich seien.

ÖVP: „Auer Auer trägt die Verantwortung für die Versäumnisse“
Der ÖVP-Vertreter im Ausschuss sieht das freilich ganz anders. Andreas Hanger findet gegenüber der „Krone“ klare Worte: „Es hat sich in dieser Befragung klar herauskristallisiert, dass Auer Fehler gemacht hat und die Verantwortung trägt für die Versäumnisse.“ Dies lasse sich auch an Zahlen bemessen. Zum Zeitpunkt der Ablöse des Impfkoordinators Mitte März sei Österreich im EU-Ranking auf dem 19. Platz bei den Impffortschritten gelegen. „Heute sind wir auf dem vierten Platz. Das ist vor allem dem Einschreiten von Bundeskanzler Kurz zu verdanken.“

Andreas Hanger, ÖVP (Bild: ÖVP/Pargan)
Andreas Hanger, ÖVP

Der Grüne David Stögmüller, der den Koalitionspartner der Türkisen vertritt, ist um Ausgleich bemüht. Es sei eine schwierige Zeit gewesen und alle hätten gelernt und gehen heute anders mit der Pandemie um.

Neues aus Ibiza
Dann gibt es ja noch den großen Untersuchungsausschuss. Ibiza und die Folgen. Auch hier gibt es genügend Zündstoff. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) beschäftigt sich ab Donnerstag mit einer möglichen Auslieferung von „abstrakt relevanten Akten und Unterlagen“ aus dem Bundeskanzleramt aus dem Zeitraum der türkis-blauen Regierung. Das Kanzleramt übermittelte dem VfGH am Montag 692 Mails von Mitarbeitern, die Opposition jedoch will mehr. SPÖ, FPÖ und NEOS wandten sich mit insgesamt drei Anträgen an den VfGH.

Sie fordern vom Bundeskanzler, dem U-Ausschuss weiteres Material vorzulegen. Vor allem geht es um Kalendereinträge des Kanzlers aus der Phase der Koalition mit der FPÖ. Kurz selbst hält fest, dass alles Relevante, das mit dem Untersuchungsgegenstand zu tun hat, auch geliefert worden sei. Den Tenor der Opposition bringt NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf den Punkt: „Es ist eine ganz große Respektlosigkeit bei der Türkisen“ und es ist „rotzfrech, sich gegenüber dem Verfassungsgerichtshof so zu verhalten.“ Der Ibiza-Ausschuss geht übrigens am 4. Mai in die nächste Runde, der Gong zur letzten ertönt Mitte Juli.

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