Die Opposition feuert aus allen Rohren und fordert den sofortigen Rücktritt von Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Dass Akten aus seinem Ministerium per Exekutionsantrag des Verfassungsgerichtshofs beschafft werden müssen, stößt auch bei Verfassungsjuristen auf scharfe Kritik. Eine Rüge gibt es auch seitens des grünen Regierungspartners - „sehr peinlich“ findet die Angelegenheit etwa U-Ausschuss-Fraktionsführerin Nina Tomaselli. Allerdings reichen die Vorwürfe laut der grünen Klubobfrau Sigrid Maurer „nicht für einen Rücktritt“.
Die Vorgangsweise rund um die Aktenlieferung sei aber „mehr als unglücklich“ gewesen, befand Maurer am Freitag im Ö1-„Mittagsjournal“. Auch Vizekanzler Werner Kogler betonte, „schneller und direkter wäre gescheiter gewesen“. Die Frage, ob Blümel für die Grünen noch tragbar sei, bejahte Maurer am Freitag.
Das Finanzministerium habe mittlerweile wohl selbst erkannt, dass es „klüger“ gewesen wäre, gleich zu liefern. Entscheidend ist für Maurer allerdings, dass die Akten nun im Parlament sind. Gegen scharfe Kritik von Verfassungsrechtler Heinz Mayer verteidigte Maurer die ÖVP: Der türkise Regierungspartner agiere im Rahmen der Verfassung - „wenn auch sehr zögerlich“.
Mayer hatte zuvor gegenüber dem Ö1-„Morgenjournal“ zur Causa erklärt: „Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs sind von Staatsorganen auf Punkt und Beistrich unverzüglich umzusetzen. Und wenn das nicht passiert, dann lässt das an der rechtsstaatlichen Gesinnung des Betreffenden sehr zweifeln.“ Der Verfassungsexperte warnte auch davor, dass das Rechtsbewusstsein allgemein untergraben werden könnte: „Wenn man sieht, dass auch ein Regierungsmitglied höchstgerichtliche Entscheidungen ignorieren kann oder zumindest einmal zeigen kann, dass er trotzdem macht, was er will, dann wird das auf das Rechtsbewusstsein der Bürger natürlich möglicherweise abfärben und das ist sicherlich ein ganz fatales Signal, das da gesendet wird.“
Grüne Fraktionsvorsitzende: „Eskalationsstufe“
Nina Tomaselli, grüne Fraktionsvorsitzende im Ibiza-U-Ausschuss, findet die Vorgangsweise des Finanzministeriums „sehr, sehr peinlich“, wie sie zur APA sagte. Es sei für sie „absolut unverständlich, wieso es überhaupt so weit gekommen ist und es diese Eskalationsstufe gebraucht hat“. Der VfGH sei „oberste Hüterin der Grundrechte“ und seine Entscheidungen „müssen für alle gelten“, insbesondere für Staatsorgane und „ohne Wenn und Aber“.
Justizministerin Alma Zadic (Grüne) gab sich bei einer Pressekonferenz anlässlich der Präsentation des Anti-Terror-Pakets zurückhaltend. Die Verfassung gebe Mechanismen vor, wie man das eine oder andere durchsetzen könne. In welcher Stufe die Akten klassifiziert würden, sei dann Sache des Parlaments. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) verteidigte seinen Parteikollegen Blümel und verwies darauf, dass man im Finanzministerium Datenschutzinteressen hochhalte.
Kurz: „VfGH-Entscheidung wurde Folge geleistet“
Ähnlich argumentierte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Rande des EU-Sozialgipfels in Porto: „Es ist für Gerichte, auch den Verfassungsgerichtshof, immer eine schwierige und heikle Frage abzuwägen zwischen Datenschutzinteressen, zum Beispiel von Mitarbeitern, auch wenn es um Gesundheitsdaten geht, und dem Interesse, dass der U-Ausschuss die Einsicht bekommt, die er benötigt. Der Verfassungsgerichtshof hat hier eine klare Entscheidung getroffen, der wurde selbstverständlich Folge geleistet. Soweit ich informiert bin, hat das Finanzministerium auch alle angeforderten Daten geliefert.“
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