Hat Sebastian Kurz im Ibiza-Untersuchungs-Ausschuss die Unwahrheit gesagt? Die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen eingeleitet, es droht ein Strafantrag. Mit der „Krone“ spricht der Kanzler über Vorwürfe und Zweifel, sein Tauziehen mit der Justiz - und eine gewagte Wette.
Es ist Freitag, 21.45 Uhr. Vor dem Bundeskanzleramt harren noch immer Demonstranten aus, am Dach weht die israelische Flagge. Über den Hintereingang geht’s hinauf in die barocken Räume, eine Art Parallelwelt. Sebastian Kurz sitze noch in einer Videokonferenz mit dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron und der neuseeländischen Regierungschefin Jacinda Ardern zum Thema islamistischer Terror und Radikalisierung im Netz, erklären seine Mitarbeiter und lassen in der Zwischenzeit Kaffee servieren. Smalltalk. Der Kanzler sei erst vor zwei Stunden aus der Steiermark von einer „Road-Tour“ vor den Corona-Öffnungen zurückgekehrt. Kurz nach 22 Uhr erscheint Kurz, er scheint bestens gelaunt und sieht nicht einmal müde aus, dabei ist unser Interview noch nicht der letzte Termin an diesem Abend.
Zwei Jahre nach der Ibiza-Affäre könnte es eng werden für den ÖVP-Chef. Nach einer Anzeige der NEOS wird - neben zehn anderen Personen - auch er von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Causa als Beschuldigter geführt, es wird wohl zu einer Anklage kommen. In allerletzter Konsequenz könnte er sogar verurteilt werden, was Kurz selber kategorisch ausschließt. „Wie spannen wir den thematischen Bogen?“, fragt er, während die Videowall noch aus dem Kreisky-Zimmer gerollt wird. Israel-Justiz-Pandemie. Er nickt, die Stichworte ändern nichts in seinen Gesichtszügen. Okay. Es kann losgehen.
„Krone“: Herr Bundeskanzler, war es Ihre Idee, als Reaktion auf den eskalierenden Nahost-Konflikt am Dach des Bundeskanzleramts die israelische Flagge zu hissen?
Sebastian Kurz: Ja, das habe ich entschieden. Wir haben gegenüber Israel eine historische Verantwortung. Dass dort Männer, Frauen und Kinder in Bunkern die Nacht verbringen müssen, weil Terroristen Raketen auf Israel feuern, ist absolut inakzeptabel. Als kleines neutrales Land können wir keinen wirklichen Beitrag zur Sicherheit der Menschen dort leisten, aber wir können zumindest unsere Solidarität zeigen. So wie Länder wie Israel oder Frankreich auch solidarisch waren, als wir Opfer eines islamistischen Terroranschlages wurden. Denn gegenüber islamistischem Terror, wie von der Hamas, gibt es keine Neutralität.
Sollte unsere Solidarität nicht auch den palästinensischen Opfern gelten?
Natürlich. Die palästinensische Bevölkerung soll genauso friedlich leben können wie die israelische, aber diese schwierige politische Frage kann niemals durch Raketen und Gewalt gelöst werden. Terrorismus ist immer die falsche Antwort.
Am Mittwoch haben Sie selbst bekannt gegeben, dass die WKStA Ermittlungen wegen Falschaussage im Ibiza-Untersuchungs-Ausschuss gegen Sie eingeleitet hat. Sie haben sich bereits mehrfach verteidigt und betont, man habe Ihnen das Wort im Mund umgedreht, Sie ließen sich das nicht gefallen, Sie seien weder korrupt noch sonst was. Glauben Sie, dass die Justiz aus Jux und Tollerei ermittelt?
Die Justiz ermittelt, weil die Opposition mich angezeigt hat. Ich weiß, wie das Spiel funktioniert. Man schickt so lange Anzeigen - mal offen, mal anonym - an die Ermittlungsbehörden, bis diese irgendwann ein Verfahren einleiten. Man macht es mit einem Ziel: mich aus dem Amt zu befördern. Was ich besonders dreist finde: Jetzt spricht die Sozialdemokratie davon, dass all diese Ermittlungen dem Ansehen der Regierung und des Landes schaden, sagen aber nicht dazu, dass sie selbst Anzeige getätigt haben.
Aber es schaden ja nicht nur die Ermittlungen, sondern auch alle Vorgänge, die im U-Ausschuss untersucht werden. Zum Beispiel, ob Sie mit Thomas Schmid über dessen Bestellung zum Vorstand der ÖBAG gesprochen haben. Ärgert Sie Ihr „Nein“?
Laut Protokoll, zu dem es aber auch eine Anmerkung meinerseits gab, war „Nein“ die Antwort auf eine „Nie?“-Frage und somit eine doppelte Verneinung. Ich habe wortwörtlich gesagt, dass Thomas Schmid mich darüber informiert hat, dass er sich bewerben wird. Und ich sage weiters, dass sicherlich auch immer wieder davon gesprochen wurde. Das sind Wortklaubereien, da geht’s auch darum, ob ich auf eine Frage „im Sinne von informiert, ja“ „im Sinne von involviert, ja“ sagen hätte sollen. Ich bitte Sie schon um Verständnis: Das war eine vierstündige Befragung, extrem hitzig, in einer aggressiven Art und Weise geführt, mit Zwischenrufen, Unterstellungen, Suggestivfragen, Schachtelsätzen, Wortklaubereien, die nur ein Ziel hatten, nämlich mich in widersprüchliche Aussagen zu verstricken. Ich habe aber erstens im U-Ausschuss nicht die Unwahrheit gesagt und zweitens schon gar nicht vorsätzlich.
Wer war aggressiv?
Ich würde mir wirklich wünschen, dass Sie und andere Medienvertreter sich einmal die Zeit nehmen, sich das anzusehen. Dann hätten Sie ein eindeutiges Bild davon, wie es dort zugeht. Ich habe schon viel in meinem politischen Leben erlebt, aber das Niveau dort hat bisher alles unterboten. Nicht umsonst hat die Verfahrensrichterin nach wenigen Wochen ihre Tätigkeit hingeschmissen mit den Worten: „Jeder Mordverdächtige vor Gericht wird mit mehr Respekt behandelt als eine Auskunftsperson im U-Ausschuss.“
Halten Sie U-Ausschüsse nicht für wichtige Instrumente in einer Demokratie?
Prinzipiell ja. Aber wenn das einzige Ziel ist, jemanden so lange in ein Streitgespräch zu verwickeln, bis man ihm dann am Ende das Wort im Mund umdrehen und eine Falschaussage herauslesen kann, um das dann bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen, dann geht es doch in erster Linie darum, den politischen Gegner fertig zu machen. Das hat auch Staatsanwalt Gerhard Jarosch getwittert, er schrieb, dass es in U-Ausschüssen „grauslich“ zugeht und sich manche Abgeordnete „miserabel“ benehmen.
Schaukeln sich da beide Seiten gegenseitig auf?
Ja, man wird unkonzentriert und lässt sich dazu verleiten, irgendwann flapsig zu antworten. Dennoch weiß ich, was ich getan habe und was ich nicht getan habe.
Trotzdem rechnen sogar Sie selbst offenbar mit einer Anklage. Gibt es schon einen Einvernahmetermin?
Nachdem hier auf 58 Seiten jedes Wort von mir auf die Waagschale gelegt wird, rechne ich durchaus mit einem Strafantrag, das ist richtig. Nein, einen Termin gibt es noch nicht. Ich bin zu all den Vorgängen - seit eineinhalb Jahren werden in der Öffentlichkeit ja immer wieder Vorwürfe gegen mich und Mitglieder meines Teams geäußert - noch kein einziges Mal befragt worden.
Beim ehemaligen Justizminister Wolfgang Brandstätter ist es ziemlich schnell gegangen. Er hat überraschend Besuch der Staatsanwälte an seinem Arbeitsplatz, im Höchstgericht, bekommen. Wäre so etwas auch hier am Ballhausplatz denkbar?
Jederzeit. Wenn ich die Möglichkeit bekomme, meine Sicht der Dinge darzulegen, werde ich das tun, wo auch immer.
Haben Sie schon einen Anwalt?
Nein, nachdem ich mir nichts zuschulden habe kommen lassen, habe ich mich mit dieser Frage noch gar nicht beschäftigt. Aber ich werde mich wohl beraten lassen.
Ihr ehemaliger Vizekanzler Heinz-Christian Strache konnte nicht im Amt bleiben, weil gegen ihn ermittelt wurde. Gilt das für Sie nicht?
Es ging hier nicht nur um Ermittlungen und das Gesagte im Ibiza-Video, sondern es stehen auch viele Vorwürfe der persönlichen Bereicherung im Raum. All das ist bei mir ja nicht der Fall. Ich komme aus ganz normalen Verhältnissen, verdiene deutlich mehr, als ich zum Leben brauche, bin von meinen Eltern immer liebevoll, aber auch zu Bescheidenheit erzogen worden. Und obwohl seit Jahren Vorwürfe erhoben werden, mittlerweile sogar zehntausende SMS ausgewertet worden sind, sieht man: Es gab nie eine Bereicherung oder sonst irgendeine strafrechtliche Handlung. Und eben weil man nichts findet, versucht man jetzt, mich wegen Wortklauberei anzuzeigen.
Kommen Sie da wieder raus?
Ich verstehe die Formulierung nicht.
Der Strafantrag könnte auch zu einer Verurteilung führen. Ein vorbestrafter Regierungschef wäre wohl undenkbar.
Ich habe mit zahlreichen Juristen und mehreren Universitätsprofessoren gesprochen. Der Tenor war überall derselbe: Keiner kann sich vorstellen, dass es hier zu einer Verurteilung kommt. Ich kann Ihnen nur noch einmal sagen, dass ich ein reines Gewissen habe. Meine Aussagen im U-Ausschuss sind richtig und insofern sehe ich dem ganzen sehr gelassen entgegen. Während mein Team und ich zwei Ziele verfolgen, nämlich erstens die Pandemie zu besiegen und zweitens das wirtschaftliche Comeback unseres Landes zu schaffen, verfolgt die Opposition genau ein Ziel, nämlich: „Kurz muss weg.“
Während mein Team und ich die Pandemie besiegen und das wirtschaftliche Comeback unseres Landes schaffen wollen, verfolgt die Opposition genau ein Ziel: „Kurz muss weg!“
Der Bundeskanzler zu den Vorwürfen gegen ihn
Aber könnte Kurz denn bleiben, wenn er vorbestraft wäre?
Bei allem Respekt: Ich kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man in einem Land wie Österreich für etwas, was man nicht getan hat, verurteilt wird.
Würde die Koalition so etwas überleben oder käme es dann, wie schon mehrfach spekuliert wurde und wie auch der Wiener Bürgermeister im Interview mit Michael Pommer mutmaßt, zu Neuwahlen?
Ich glaube, dass wir in der Koalition sehr gut zusammenarbeiten. Wir hatten ein extrem schwieriges Jahr, mit der größten Gesundheitskrise aller Zeiten. - Kurz holt zu einer langen Erklärung über das Pandemie-Management und die Impfstrategie aus. - Ich glaube, dass der Regierungspartner all diese Ziele teilt. Darauf sollten wir uns fokussieren.
Also keine Neuwahlen?
Die Menschen erwarten sich von der Politik, dass gearbeitet wird. Sie haben die Anpatzversuche satt. Und es sollte auch die Opposition mittlerweile akzeptieren, dass die Menschen mein Team und mich in demokratischen Wahlen zwei Mal gewählt haben und es kein Naturgesetz gibt, dass die SPÖ den Kanzler stellt.
Die Tatsache, dass mit Ihnen nun elf Personen aus der ÖVP bzw. Ihrer Umgebung als Beschuldigte geführt werden, hat auch im Ausland großes Aufsehen erregt. „Skrupel besitzt er keine“, schreibt die NZZ über Sie, „Das ist ein Hammer“ die Süddeutsche und sogar die Ihnen sehr freundlich gestimmte „Bild“-Zeitung schreibt von einem „Paukenschlag“. Was ist es in Ihren Augen?
Natürlich ist das ein Paukenschlag. Und wie Sie sich vorstellen können, geht mir das auch nahe. Wenn man jeden Tag fast rund um die Uhr arbeitet, wenn man hauptverantwortlich ist, eine der größten Krisen zu bewältigen, die wir jemals hatten, und dann auch noch ständig angezeigt wird, ist das ja nicht nichts. Ich bin zwar jung, aber trotzdem erfahren genug, um das Kalkül zu erkennen. Der Schaden wird in Wahrheit für die Politik am größten sein. Denn es ist weder im Sinn des Landes noch im Sinn der Bevölkerung, wenn politische Parteien so agieren. Der Bürger erwartet sich doch zu Recht, dass in Parteizentralen Menschen arbeiten, die sich Gedanken machen über Visionen und Ideen für das Land, und nicht über die besten Anzeigen und Diskreditierungen gegen andere.
Natürlich ist das ein Paukenschlag. Und wie Sie sich vorstellen können, geht es mir auch nahe. Der Schaden wird in Wahrheit für die Politik am größten sein.
Kurz über die Ermittlungen der WKStA gegen ihn
Der „Stern“ nannte Österreich auf dem Cover eine Bananenrepublik. Ist das eine Beleidigung?
Natürlich ist das eine Beleidigung. Aber der Ausweg ist einfach. Nämlich Sachpolitik zu machen, ohne den politischen Gegner zu diskreditieren. Ich bin zehn Jahre in der Politik, habe aber immer die Grundregel verfolgt, andere persönlich nicht schlecht zu machen, herabzuwürdigen oder anzupatzen.
Am Samstag wurde ein „Suddeldossier“ eines ÖVP-Politikers über die NEOS-Abgeordete Stefanie Krisper öffentlich. Ist das etwa keine Herabwürdigung?
Andreas Hanger zitiert meines Wissens nach Aussagen von Frau Krisper im U-Ausschuss, insofern ist das kein Anpatzen. Außer Frau Krisper geniert sich für ihre eigenen Aussagen, was vielleicht der Fall sein könnte. Sie hat ja in Richtung der Verfahrensrichterin gemeint, „die geht mir am Oasch!“. - Kurz sagt wirklich „Oasch“. - Darüber hinaus könnte ich Ihnen noch einige andere Formulierungen aufzählen, die ich für höchst problematisch finde.
Bitte, nur zu.
Kurz winkt ab. - Am besten zusammengefasst hat es die Verfahrensrichterin, als sie das Handtuch geworfen hat.
Herr Bundeskanzler, Sie liefern sich seit langer Zeit ein Tauziehen mit der Justiz. War das im Nachhinein gesehen vielleicht ein Fehler?
Vielleicht.
Ist die WKStA überhaupt für Ihre angebliche Falschaussage zuständig?
Das müssen Sie Juristen fragen.
Man hört derzeit oft einen Satz aus Ihrer Partei über Sie, der lautet: „Er ist nicht mehr der weiße Ritter.“ Haben Sie sich je so gefühlt?
Lacht. - Ich war nie ein weißer Ritter. Ich lebe Gott sei Dank nicht im Mittelalter und schaue Pferde nur aus der Entfernung gerne an, aber das war es dann auch. Ich weiß nicht, wer so was sagt. Aber ich bin extrem dankbar für den Rückhalt, den ich in der Volkspartei erlebe. Nicht immer stehen Parteifreunde zu einem, wenn eine herausfordernde Situation entsteht. Ich bin sehr dankbar, dass alle Landesparteiobleute, alle Bünde hinter mir stehen. Ich habe darüber hinaus auch noch nie in meinem Leben so viel unterstützende Nachrichten und Anrufe bekommen wie in diesen Tagen. Auch aus anderen Parteien. Heute hat in der Steiermark jemand zu mir gesagt: „Ich habe Sie zwar nicht gewählt, aber das haben Sie sich nicht verdient.“ Und ich gebe zu, so unangenehm diese Situation für mich persönlich und für meine Familie ist, so schön ist es auch, diese Unterstützung erleben zu dürfen. Gleichzeitig gibt es mir zu denken, wie schnell es gehen kann, dass man sich rechtfertigen muss, weil einem etwas Falsches vorgeworfen wird.
Was sagen Ihre Eltern und Ihre Freundin?
Mein Vater ist ganz unbeschwert und sagt, das kann er alles nicht ernst nehmen. Meine Mutter ist extrem traurig und besorgt. Sie sagt, sie hätte sich für mich etwas anderes gewünscht als die Politik und diesen Umgang. Meine Freundin verfolgt normalerweise tagespolitische Debatten nicht. Aber jetzt ist sogar sie mit eingestiegen und hat gesagt, das darf man sich einfach nicht gefallen lassen.
Meine Mutter ist extrem traurig und besorgt. Sie sagt, sie hätte sich für mich etwas anderes gewünscht als die Politik und diesen Umgang.
Bundeskanzler Sebastian Kurz
Apropos Rückhalt: Stehen Sie eigentlich weiterhin hinter Gernot Blümel? Bei ihm lautet der Vorwurf immerhin Korruption.
Ich stehe selbstverständlich hinter ihm. Auch gegen Hartwig Löger oder Sepp Pröll gibt es jetzt seit über eineinhalb Jahren Vorwürfe. Keiner dieser Vorwürfe hat sich als richtig herausgestellt. Ich würde gerne mit Ihnen eine Wette eingehen, nämlich, dass man sich bei all diesen genannten Personen noch für die Vorwürfe entschuldigen wird müssen. Also reden wir in ein paar Jahren nochmal drüber, denn so lange dauern leider Gottes Verfahren manchmal.
War es nicht trotzdem eine Provokation von Blümel, die Akten so lange nicht zu liefern, bis der Bundespräsident einschreiten musste?
Das ist wieder ein ganz ein anderes Thema. Aber ich glaube, dass Gernot Blümel selbst das sehr klar erklärt hat. Bei allem Respekt: Man weiß vorher meistens nicht, was bei einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs rauskommt. In dieser Frage ging es um die Abwägung zwischen Datenschutzinteressen und dem Interesse des U-Ausschusses nach Aktenlieferungen. Da gibt es Spitzenjuristen auf der einen Seite, Spitzenjuristen auf der anderen Seite und am Ende entscheidet eben das Gericht. Jus ist eine argumentative Wissenschaft. Das bedeutet, dass es oft zu einer Sachfrage von verschiedenen Juristen ganz unterschiedliche Einschätzungen gibt. Am Ende des Tages entscheiden die Gerichte und oft sind sich nicht mal im Verfassungsgerichtshof alle Richter einig.
Selbstverständlich stehe ich hinter Gernot Blümel. Auch gegen Hartwig Löger und Sepp Pröll gibt es Vorwürfe, keiner hat sich als richtig herausgestellt.
Kurz zu den Vorwürfen gegen den Finanzminister
Ihr Vorgänger als ÖVP-Obmann sagt, Sie hätten keinen Respekt vor demokratischen Einrichtungen, wie zum Beispiel dem Verfassungsgerichtshof, und seien nicht mehr tragbar.
Auf die Frage nach Reinhold Mitterlehner habe ich schon gewartet. Ich glaube, Sie kennen meine Antwort. Das Verhältnis zwischen uns war nie ein einfaches. Trotzdem werde ich jetzt kein schlechtes Wort verlieren. Wenn er mich kritisieren will, steht ihm das vollkommen frei.
Einem Politiker das Lügen vorzuwerfen sei wie wenn man einem Rennfahrer das Rasen vorwirft. Das schrieb unser Herr Nimmerrichter. Mögen Sie diese Art von Sarkasmus?
Lacht. - Ich bin eigentlich ein Fan des Kabaretts und habe sehr viel übrig für Humor. - Seine Gesichtszüge werden ernst. - In der Sache denke ich aber, dass Pauschalvorwürfe - egal ob gegen Banker oder Politiker - niemandem guttun. Es ist eine wunderschöne Aufgabe, dem eigenen Land dienen zu dürfen. Aber zu suggerieren, alle Politiker seien korrupt, beschädigt die politische Kultur in diesem Land.
Der deutsche Satiriker Jan Böhmermann hat eine ganze Sendung über Sie und die „türkise Familie“, wie er es genannt hat, gestaltet. Haben Sie sie angeschaut?
Nein. - Das „Nein“ ist sehr langgezogen.
Ärgert es Sie, wenn Sie dort als „Penatenkanzler“ bezeichnet werden?
Es gibt Schlimmeres im Leben.
Wenn Sie am Schluss dieses Gesprächs ganz selbstkritisch sind. Was haben Sie sich vorzuwerfen?
Ich bin ein Mensch wie jeder andere. In meiner Funktion trifft man Hunderte Entscheidungen. Ich treffe daher jeden Tag auch Fehlentscheidungen. Und ich habe viele Dinge in meinem Leben auch falsch gemacht, privat wie beruflich. Ich bin jemand mit Ecken und Kanten, aber klaren Meinungen. Die kann man mögen oder nicht. Über die soll man diskutieren. Ich mag den politischen Diskurs, aber ich lasse mir nicht etwas vorwerfen, das ich nicht getan habe.
Darf ein erfolgreicher Politiker überhaupt Zweifel haben?
Ich hinterfrage mich jeden Tag. Ich habe ein Team um mich, das mir täglich extrem kritisch Feedback gibt und ich fordere das auch vehement ein. In meiner engsten Runde haben nur Menschen Platz, die mir klipp und klar, ungeschönt, ihre Meinung sagen, egal, ob mir das gefällt oder nicht. Denn Ja-Sager brauche ich keine. Ich habe auch eine Familie, bei der ich nicht der Bundeskanzler, sondern der Sebastian bin, dementsprechend bin ich auch nicht derjenige, der dort den Ton angibt. Und ich habe einen Freundeskreis aus Schul- und Studienzeiten, der mich erdet. In einer Pandemie muss man viele schwierige Entscheidungen treffen. Da geht es oft um das Abwägen, wo zum Beispiel auf der einen Seite Arbeitsplätze stehen und auf der anderen Seite Menschenleben, wo auf der einen Seite die Gefahr besteht, dass sich mehr Menschen infizieren und schwer erkranken und auf der anderen Seite weiß man, dass Kinder leiden, wenn die Schulen länger geschlossen sind. Das ist eine unglaubliche Verantwortung, aber auch Bürde. Das alles unter ständiger Kritik der Opposition und der Medien. Da ist es manchmal schwer, nicht die Kraft zu verlieren, weil die Entscheidungen müssen getroffen werden. Ich glaube, man darf eines nicht: aus einer Angst heraus, Fehlentscheidungen zu treffen, gar keine Entscheidungen mehr treffen.
Wenn Sie die Corona-Krise mit der Ibiza-Krise und den Ermittlungen gegen Sie vergleichen, wie verhalten sich diese beiden Belastungen im Vergleich?
Die Anzeigenflut und die ganzen Anschuldigungen sind unangenehm, aber das war es dann auch. In einer Pandemie zu versuchen, die richtigen Entscheidungen zu treffen, das ist eine wirkliche Belastung und Challenge. Aber, jeden Tag für die Menschen in Österreich zu arbeiten bereitet mir große Freude.
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