Zu starker Eingriff?

Das Klima-Urteil gegen Shell und seine Folgen

Ausland
28.05.2021 06:00

Zum ersten Mal wurde ein privater Konzern dazu verurteilt, die staatlich beschlossenen Pariser Klimaziele umzusetzen. Was das für Umwelt und Wirtschaft heißt - ein Überblick.

„Das fossile Zeitalter neigt sich dem Ende zu“, kommentiert der Deutsche Bund für Umwelt und Naturschutz das Gerichtsurteil, das das Bezirksgericht Den Haag am Mittwoch gegen den Öl- und Erdgaskonzern Shell gesprochen hat. Anfang Mai hatte das deutsche Verfassungsgericht entschieden, dass der Staat strengere Maßnahmen in Sachen Klimaschutz setzen muss. Auch in Australien entschied ein Gericht, dass beim Bau eines Kohlekraftwerkes die möglichen Klimaschäden für Jüngere bedacht werden müssen.

Was haben das deutsche und das niederländische Urteil gemeinsam?
In beiden Fällen stellte das Gericht fest, dass der Staat bzw. das Unternehmen langfristig und über den unmittelbaren eigenen Bereich hinaus für Klimaschutz verantwortlich ist. Im Beispiel Deutschlands geht es um das Recht künftiger Generationen auf eine saubere Zukunft. Bei Shell stellte das Gericht fest, dass die Verpflichtung nicht nur für das Unternehmen selbst, sondern auch für Zulieferer und Endabnehmer gelte. Der britisch-niederländische Konzern „muss seinen Beitrag leisten im Kampf gegen gefährlichen Klimawandel“.

Donald Pols, Chef der Umweltorganisation Milieudefensie, feiert das wegweisende Urteil gegen Shell. (Bild: AFP)
Donald Pols, Chef der Umweltorganisation Milieudefensie, feiert das wegweisende Urteil gegen Shell.

Was unterscheidet das Shell-Urteil vom deutschen?
Mit dem Öl- und Erdgaskonzern wurde zum ersten Mal ein privates Unternehmen dazu verpflichtet, die von Staaten abgeschlossenen Klimaziele umzusetzen. Staatliche Unternehmen waren in den Niederlanden bereits zuvor verurteilt worden, bei ähnlichen Klagen gegen private Unternehmen war bisher immer gegen die Kläger entschieden worden.

Sind Klagen gegen weitere Unternehmen wahrscheinlich? 
Ja, darauf verwies das Gericht in Den Haag in seinem Urteilsspruch. Shell hatte argumentiert, dass eine Verringerung ihrer Emissionen nur dazu führen würde, dass andere Unternehmen die Lücke auffüllen. Das Gericht entgegnete, man könne nicht die Verantwortung auf andere abschieben – sie hätten nämlich dieselbe Verpflichtung.

Die Folgen des Urteils gegen Shell sind beträchtlich. (Bild: AFP)
Die Folgen des Urteils gegen Shell sind beträchtlich.

Ist Shell auch für seine Zulieferer und Endabnehmer verantwortlich? 
Nur indirekt. Für den eigenen CO2-Ausstoß gibt es Ziele, an die sich das Unternehmen halten muss. Für Kunden und Partner gibt es eine „Best-Effort-Verpflichtung“: Shell muss sein „Bestes versuchen“ und zum Beispiel eine breitere Palette alternativer Energieträger anbieten.

Können sich Unternehmen darauf berufen, ihre Emissionen über Treibhausgaszertifikate abzugelten? 
Nein, sagt Umweltjuristin Erika Wagner. Die Zertifikate schützen nicht vor einer Umweltklage, da es bei einer solchen um andere Rechtsgüter, etwa Gesundheit, gehe.


Wirkt sich das Urteil jetzt schon auf andere Unternehmen aus? 

Ja. Die beiden US-Ölkonzerne ExxonMobil und Chevron bekommen Druck von Aktionären, sich stärker mit nachhaltigen Energien zu befassen. In den Verwaltungsrat von ExxonMobil etwa wurden am Mittwoch mehrere Mitglieder der Klimaschutz-Aktivistengruppe Engine No. 1 gewählt.

Fakten

Shell muss laut Bezirksgericht Den Haag (Niederlande) den Ausstoß von CO2 bis 2030 um netto 45 Prozent im Vergleich zu 2019 senken. Umweltorganisationen und 17.000 Bürger hatten den Konzern verklagt, weil er in die Förderung von Öl und Erdgas investiere. Shell sei für den Ausstoß von jährlich 1,6 Milliarden Tonnen CO2 verantwortlich und damit einer der größten Verschmutzer. Der Konzern will Berufung einlegen, allerdings stellte das Gericht fest, dass das Urteil sofort gelte.

Kronen Zeitung

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