Kommen verpflichtende Stehzeiten, weil Red Bull Racing zu schnell die Reifen wechselt? Einigen schmeckt das nicht, daher versuchen sie künstlich, verpflichtend längere Standzeiten einzuführen - mit fragwürdigen Argumenten. Motorsportberater Dr. Helmut Marko nimmt im Gespräch mit The Red Bulletin zur aktuell heißen Boxenstopp-Debatte Stellung.
„The Red Bulletin“: Wie gut sehen die beiden Red Bull-Teams hier in Spielberg aus?
Dr. Helmut Marko: Ich würde sagen, gut. Ziemlich gut.
Woran liegt das?
Das hat mehrere Gründe: Honda hat auf der Motorenseite seit letztem Jahr einen großen Fortschritt gemacht. Und wir hatten vom ersten Rennen an ein Chassis, mit dem wir gut dabei sind. Das war in der Vergangenheit oft eine Schwäche von uns. Wir haben also nicht nur gut gearbeitet, sondern gezielt auf diesen Punkt geachtet und das Auto vom Vorjahr beständig weiterentwickelt, um von Saisonbeginn an bei der Musik zu sein. Dazu kommt ein Max Verstappen in Hochform und ein Sergio Pérez, der immer besser ins Geschehen eingreift und uns Spielraum in der Rennstrategie erlaubt. Wir können beide Autos in unsere taktischen Überlegungen einbeziehen.
Wir haben nicht nur gut gearbeitet, sondern gezielt auf Schwachpunkte geachtet und das Auto vom Vorjahr beständig weiterentwickelt.
Dr. Helmut Marko
Was ist die Zielsetzung für den GP der Steiermark? Bei Max Verstappen ist das wohl selbsterklärend…
Alle vier Fahrer, also auch die beiden Alpha Tauri, in den WM-Punkten.
Wird man Sergio Perez eher defensiv einsetzen, um Max abzuschirmen?
Kann man so nicht sagen. Wenn er die Möglichkeit hat, einen Mercedes oder sonst jemanden zu attackieren, dann soll er das selbstverständlich tun.
Aus anderen Rennserien weiß man, dass es für die Techniker am Red Bull Ring die größte Herausforderung ist, sich zwischen mehr Topspeed für die drei Geraden oder mehr Abtrieb für die Kurven im letzten Streckendrittel zu entscheiden. Wie ist das in der F1?
Natürlich ist es auch bei uns ein Kompromiss, aber je schneller du auf den drei Geraden bist, desto schwieriger wird es für die anderen, dich zu überholen, wenn du einmal vorn bist - was wiederum von der Startposition und somit dem Qualifying am Samstag abhängt. Ich denke, dass wir bereits am Freitag einen guten Kompromiss in der Abstimmung gefunden haben, wie die Zeiten zeigen.
Und jetzt erklären Sie uns bitte, worum es in dem Streit um die Boxenstopps konkret geht. Alle vier Räder in zwei Sekunden zu wechseln ist doch ein guter Teil der Show. Warum soll das nun plötzlich geändert werden?
Red Bull Racing hält den Rekord für die schnellsten Stopps der F1 - und den Rekord für die meisten Top-Stopps. 2020 waren wir in 15 von 17 Rennen die Schnellsten. Nun wird von Teams, die das nicht hinkriegen, argumentiert, dass das gefährlich sei. Man will, dass es eine mindeste Reaktionszeit von zwei Zehntelsekunden zwischen dem fertigen Stopp und dem Release des Autos gibt. Die Vorschläge dafür sind kompliziert, unausgegoren und unnotwendig.
Unser Vorteil kommt nicht durch irgendwelche größeren finanziellen Möglichkeiten zum Tragen, sondern durch hartes Training und optimale Ausnützung aller Gegebenheiten.
Dr. Helmut Marko
Wird diese Regeländerung dann überhaupt kommen?
Es gibt eine Direktive, aber nun bringen wir natürlich unsere Einwände dar, weil das Ganze einfach unsinnig ist. Noch einmal: Schnelle Boxenstopps sind Teil des Sports und Teil der Show. Unser Vorteil kommt nicht durch irgendwelche größeren finanziellen Möglichkeiten zum Tragen, sondern durch hartes Training und optimale Ausnützung aller Gegebenheiten.
Ganz konkret: Was soll an den Rekord-Stopps von Red Bull Racing gefährlich sein?
Das verstehen wir auch nicht. Die Höchststrafe für ein Team ist, wenn es ein Rad verliert. Damit ist der Fahrer aus dem Rennen. Sicherheitstechnisch würde eine verlängerte verpflichtende Standzeit überhaupt nichts bringen.
Wird diese Regel am Sonntag bereits zur Anwendung kommen?
Sie wurde erst gestern präsentiert und wir müssen schauen, wohin wir da kommen. Eins ist klar: Anstandslos nehmen wir sie nicht hin.
Das heißt, man wird protestieren?
Es ist eine Änderung der Regeln, das bedeutet, dass die Gremien zustimmen müssen. Protestieren kann man nicht, man muss argumentieren.
Haben Sie Verbündete?
Werden wir noch sehen.
Werner Jessner, The Red Bulletin
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