Das Schnitzel wird teurer, die Mitarbeiter in der Gastro verdienen dennoch nicht mehr und kehren der Branche den Rücken. Doch wer verdient an der Preiserhöhung? Wer ist schuld an der Mitarbeitermisere? In der „Krone“ suchen Arbeiterkammer-Chefin Renate Anderl und Wirtesprecher Mario Pulker gemeinsam Antworten - und Lösungen.
„Krone“: Um 4,4 Prozent teurer wurden laut EU-Statistik die Preise in der Gastronomie im Mai. Der Anstieg liegt über jenem in Deutschland (1,9%),- und über der Inflation und der Lohnerhöhung in der Branche (2,2%). Wie ist er argumentierbar?
Pulker: Die Daten wurden nicht in den Betrieben erhoben, sondern geschätzt. Das finden wir nicht in Ordnung. Und: Die Strompreise stiegen in der Zeit um 5,2%, die für Obst und Gemüse um 4,5%, für Fleisch um 3,6 % - das müssen wir schon irgendwie weitergeben.
Anderl: Wir wollen kein Gastro-Bashing betreiben. Aber die Pandemie war nicht nur in Österreich, sie war in allen Ländern. Auch dort gab es Lockdowns, und trotzdem finden wir in der EU nirgends diese Preiserhöhung. Dazu kommt, dass es bei den Löhnen dieselbe Erhöhung nicht gab. Wenn es die gäbe, wäre das in Ordnung. Auch die Arbeitsbedingungen haben sich nicht verbessert. Und gerade für die Gastro gab es - was wir auch gut finden - Förderungen bis zur Mehrwertsteuersenkung. Dazu kam der Gassenverkauf. Da kann man nicht sagen, dass es keine Einnahmen gab.
Pulker: Wir haben Betriebe wie die Nachtgastronomen, die 15 Monate keinen Gassenverkauf, keine Einkünfte hatten. Am Ende ist es ein kleiner Prozentsatz, der diese Möglichkeit nutzte.
„Krone“: Wir sind, unabhängig von Corona, das Land in der EU mit den siebentteuersten Preisen in der Gastronomie ...
Anderl: Aber wir sind es nicht, wenn es um Löhne und Gehälter geht.
Pulker: Bei den Lehrlingen haben wir massiv draufgelegt. Wir sind im oberen Drittel, was den Kollektivvertrag betrifft. Und kaum ein Betrieb zahlt nur den Basislohn - für den arbeitet keiner mehr, vor allem nicht im Saisongeschäft.
Anderl: Genau bei der Saisonarbeit haben wir die Problematik, dass ich mich alle paar Monate wieder beim AMS anmelden muss. Das ist nicht lukrativ. Da gäbe es eine einfache Lösung: eine Tourismuskasse, angelehnt an die Bauarbeiterurlaubskasse. Davon würden Arbeitnehmer und Arbeitgeber profitieren. Das Problem sind nicht nur die Löhne, sondern die Arbeitsbedingungen: Wir reden von einer Branche, in der viele teilzeitbeschäftigt sind, aber Vollzeit arbeiten. In der Überstunden selten bis gar nicht bezahlt werden. Die Branche ist die mit den meisten Beschwerden - 4000 alleine bei der AK Wien.
Pulker: Wir sind mit fast 60.000 Betrieben auch die größte Gruppe bei einer so großen Branche hast du auch einen bestimmten Anteil an Problemen. Natürlich gibt es schwarze Schafe. Aber: Ein Betrieb kann es sich heute nicht mehr leisten, einen Mitarbeiter schlecht zu behandeln, schlecht zu entlohnen oder Zahlungen nicht zu leisten.
„Krone“: Wir reden von niedrigen Löhnen. Aber dem Wirten bleiben vom Schnitzel um 11 Euro 19 Cent Gewinn. Wo bleibt das Geld, das der Gast ausgibt?
Pulker: Das ist genau das Problem. Man hat die Branche über Jahrzehnte dahin gebracht, wo sie jetzt ist: Die Dorfgastronomie ist leer. Man hat die Gewerbeordnung aufgeweicht: Vom Fleischer bis zum Bäcker kann jeder gastronomisch tätig werden. Und am Land kannst du die Preise nicht einfach erhöhen.
„Krone“: Was muss sich bei den Arbeitsbedingungen ändern?
Anderl: Durch den häufigen Arbeitgeberwechsel fange ich immer wieder von vorne an. Urlaub wird zwar aliquot abgerechnet. Aber ich kann ihn nicht mitnehmen. Ich brauche 20 Jahre in einem Betrieb, um eine sechste Urlaubswoche zu bekommen. In der Gastronomie kommen die meisten nie in diesen Genuss. Und: Ein Kellner oder Koch weiß nicht, ob er sich in 14 Tagen eine Theaterkarte nehmen kann. Da braucht es Planbarkeit. Die Gastro ist die einzige Branche, in der in der Pandemie Mitarbeiter per WhatsApp gekündigt wurden. Es gibt aber auch positive Beispiele: Betriebe, die ihren Mitarbeitern in der Pandemie Aus- und Weiterbildungen bezahlt haben.
Pulker: Wir haben einen Haufen Betriebe, die die Mitarbeiter durchgetragen haben durch die Pandemie - und am Tag des Aufsperrens haben die dann gekündigt.
„Krone“: Welche Dinge muss man verändern, damit die Branche attraktiv wird?
Pulker: Die Anwartszeiten für eine sechste Urlaubswoche und die neue Tourismuskasse liegen bei den Verhandlungen zwischen den Sozialpartnern am Tisch, auch Vorschläge zum Jubiläumsgeld. Die Gewerkschaft braucht nur zuzustimmen. Aber das ist keine Einbahnstraße - der Kuchen wird kleiner, da muss sich die Gewerkschaft an die Realität anpassen.
„Krone“: Und abseits der Sozialpartnerschaft?
Pulker: Wenn du als Betrieb nicht flexibel auf Mitarbeiter reagierst, finden sie andere Wege. Wenn du ihnen nicht freigibst, gehen sie halt in Krankenstand. Auf der anderen Seite geht es um Wertschätzung, dem Mitarbeiter freizugeben, wenn er es braucht. Dann bleiben sie auch - so wie bei mir - bis zur Pension.
Anderl: Da zweifle ich einiges an. Es ist generell schwer für Arbeitnehmer, Ansprüche zu stellen, weil sie Angst haben, den Job zu verlieren.
„Krone“: Was kann ein Betrieb konkret tun, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein?
Pulker: Das kommt auch auf die Lage des Betriebs an. In einer Talschaft wird es schwerer werden, zu Mitarbeitern zu kommen, als in Wien, wo es das Angebot gibt. Ich suche gerade einen neuen Koch. Von zwölf vom AMS vorgeschlagenen Bewerbern kam kein einziger. Dabei sind meine Löhne im oberen Drittel in der Branche. Ein wichtiges Thema ist der Sonntag. Wer Familie hat, will da nicht arbeiten. Genau dann gibt es aber das meiste Geschäft.
„Krone“: Wie kann man das lösen?
Pulker: Es machen immer mehr Betriebe am Sonntag zu. Wenn ich in die Gastro gehe, muss ich mich damit abfinden, dass ich am Wochenende arbeite.
Anderl: Das muss ich auch in der Gesundheitsbranche, und da funktioniert es besser. Man muss hinschauen und einen Ausgleich schaffen. Ein Wiener würde vielleicht mit Familie nach Salzburg gehen, wenn ihn der Gastronom unterstützt; bei der Wohnungssuche. Beim Schulplatz für Kinder. Beim Manager ist das normal, dass man Rahmenbedingungen schafft.
Pulker: Ja, einer meiner Mitarbeiter aus Ungarn hat sich jetzt auch mit seiner Familie und meiner Hilfe bei uns im Ort angesiedelt.
Anderl: Die Frage ist immer, wie wertschätzend gehe ich mit meinen Mitarbeitern um. Das fühlt auch der Gast.
Pulker: Wir wollen ja nicht, dass es schlechte Arbeitsbedingungen gibt - das ist eine Wettbewerbsverzerrung innerhalb der Branche.
„Krone“: Diskutiert wird, die Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose zu verschärfen ...
Anderl: Wir haben jetzt schon die strengsten in der EU. Wenn jemand nicht eine Familie mit ein paar Kindern hat, kann er vom Neusiedler See an den Bodensee vermittelt werden. Es gibt auch Sanktionen und Sperren. Druck ist der falsche Weg. Stattdessen müssen wir besser vermitteln. Da braucht es mehr Personal im AMS.
Pulker: Es kann nicht sein, dass Menschen zu Hause sitzen, die arbeitsfähig, aber nicht arbeitswillig sind. Die dürfen kein Geld vom Staat bekommen.
Anderl: Aber wir sind uns einig, dass die Zumutbarkeitsgrenzen nicht verschärft werden müssen?
Pulker: Ja, aber man muss sie rigoros exekutieren.
Anderl: Das passiert. Tausenden wurde während der Pandemie das Arbeitslosengeld gestrichen.
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