Miserables Auftreten

Der SPÖ-Machtkampf: Ich gegen mich selbst!

Politik
15.07.2021 05:55

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Wenn es nach diesem Sprichwort ginge, würden SPÖ-Chefin Rendi-Wagner und Burgenlands roter Landeshauptmann Doskozil mit Blessuren im Spital liegen. Stattdessen bekriegen sie sich munter weiter. Die „Krone“ fasst die wichtigsten Fragen zusammen, die Antworten kommen von Politikwissenschafter Peter Filzmaier.

1. Könnte Rendi-Wagner als SPÖ-Chefin Doskozil einfach entlassen? Würde er dann Landeshauptmann bleiben?
Landesparteichefs werden im jeweiligen Bundesland gewählt. Die Parteiorganisationen der Länder sind eigenständig. Über die Wahl oder Abberufung eines Landeshauptmanns entscheidet sowieso einzig und allein der Landtag. Pamela Rendi-Wagner kann also nicht beeinflussen, ob und welches Amt Doskozil hat. Rein theoretisch könnte sie ein Parteiausschlussverfahren einleiten, nur mit welchem Grund? Allein der Gedanke daran würde Doskozil im Burgenland zum Volkshelden machen, und das österreichweite Tohuwabohu die SPÖ in den Abgrund stürzen.

Freundschaft - der SPÖ-Gruß gilt nicht für Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil. (Bild: APA/Helmut Fohringer)
Freundschaft - der SPÖ-Gruß gilt nicht für Pamela Rendi-Wagner und Hans Peter Doskozil.

2. Ist eine Versöhnung nach dieser Schlammschlacht überhaupt möglich?
Nein. Weil man ständig auf offener Medienbühne streitet, können weder Rendi-Wagner noch Doskozil ohne Gesichtsverlust glaubhaft einlenken. Zudem gab es ja solche Versuche, die kläglich gescheitert sind. Ich erinnere an die Inszenierung gemeinsamer Bilder, die Rendi-Wagner beim Fußball und Doskozil beim Bügeln zeigten. Das wirkt aus heutiger Sicht lächerlich.

3. Welche Lager stehen sich eigentlich gegenüber?
Wenn es so etwas wie einen Themenkonflikt gibt, dann zwischen einer Art öko-sozialem Pro-Europa-Kurs Rendi-Wagners, um einen Teil der rund 200.000 Stimmen zurückzugewinnen, die man 2019 an die Grünen verlor. Oder man konzentriert sich wie Doskozil mehr national auf die Alltagssorgen der Wenigverdiener, bis hin zum Zuwanderungsthema. Dann sind im Lauf der Jahrzehnte an die FPÖ verlorene Wähler die Hauptzielgruppe. Nur ist mittlerweile für jeden Beobachter auch eine sehr persönliche Abneigung spürbar.

4. Es gibt weit und breit keinen Nachfolger in Sicht. Wer könnte die Partei wieder vereinen? Oder tut sich Ludwig das an?
Ein Wiener Bürgermeister macht auf keinen Fall den Spitzenkandidaten im Bund, um sich danach womöglich auf der Oppositionsbank abzuarbeiten. Als Parteichef wäre das genauso bestenfalls eine Übergangslösung. Das ist ja das Dilemma der SPÖ: Die jetzige Parteichefin ist sehr geschwächt und polarisiert, ihr Hauptgegner Doskozil hat keine Alternative zur Hand und einen unentdeckten Wunderwuzzi gibt es nicht.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) (Bild: APA/GEORG HOCHMUTH)
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ)

5. Wie wirkt sich der „Krieg“ auf die Umfragen aus? Welche Partei profitiert am meisten von der miserablen Performance?
Ob es einen nachhaltigen Rückgang in den Umfragen gibt, das wissen wir erst in ein paar Wochen. Doch ist der Schaden für die SPÖ so oder so angerichtet: Sie müsste ja nach dem grottenschlechten Wahlergebnis 2019 und mit ihrem unverändert großen Umfragerückstand viele Wechselwähler zurückholen. Mit der tragikomischen Kommunikation „Ich gegen mich selbst!“ gelingt das sicher nicht.

6. Wie wird sich der Streit auf die Landtagswahl in Oberösterreich auswirken?
Ein direktes Wahlmotiv ist da eine Bundesparteivorsitzende nicht und ein burgenländischer Landeshauptmann schon gar nicht. Doch es gibt eine allgemeine und nun für die SPÖ nachteilige Stimmungslage. Hinzu kommt, dass Wahlkampf ja ein Wettbewerb um Medienpräsenz und Wunschthemen in den Medien ist. Da werden alle Bemühungen der ohnehin schwachen oberösterreichischen SPÖ mit dem Streit der eigenen Bundespartei endgültig aus den Schlagzeilen gekickt.

(Bild: Jürgen Radspieler (Symbolbild))

7. Auch in der FPÖ gab es Grabenkämpfe und zum Schluss öffentliche Kritik zwischen Hofer und Kickl. Gingen die Blauen schlauer vor?
Nach dem blauen Parteitag war das ganz sicher so. Es ist unwahrscheinlich, dass alle in der FPÖ Kickl plötzlich heiß lieben, insbesondere in Oberösterreich ist das zweifelhaft. Doch man hat wenigstens nicht mit unfreundlichen Wortspenden in der Öffentlichkeit das medial abflauende Thema interner Unstimmigkeiten selbst neu befeuert. Die SPÖ tat nach ihrem roten Parteitag genau das.

8. Ist eine Kanzlerkandidatin Rendi-Wagner überhaupt noch vorstellbar?
Wohl nur, wenn die SPÖ, zum Beispiel bei baldigen Neuwahlen, keine Alternative findet. Oder wenn man meint, die Wahlen nicht zu gewinnen, und daher niemand in der Partei diesen undankbaren Job übernehmen will. Dass Rendi-Wagner wie Phönix aus der Asche aufsteigt, ist eher bloß durch ungewollte fremde Hilfe denkbar, etwa wenn - beim Scheitern der Regierung in ihrer Corona-Politik oder durch Anklagen nach den strafrechtlichen Ermittlungen gegen Kanzler, Finanzminister & Co. - Skandale anderer Parteien, sie wieder erstarken zu lassen.

(Bild: APA/MICHAEL GRUBER)

9. Der Wiener Stadtrat Peter Hanke wurde als Geheimfavorit genannt. Wie schätzen Sie seine Chancen ein? 
Michael Ludwig hat seine Kandidatur am Dienstag ausgeschlossen, also wäre es bereits ein denkbar schlechter Start, wenn er es doch macht.

10. Wie müsste die SPÖ taktisch vorgehen, um aus dieser Dauerkrise herauszukommen? Welche Strategie wäre gefragt?
Das tun, was seit dem Parteitag am besten gewesen wäre: in der Öffentlichkeit einfach mal möglichst die Klappe halten, was die eigene Partei betrifft.

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