Fluten in Deutschland
„So eine Katastrophe haben wir noch nicht gesehen“
Starkregen hält seit Tagen die Einsatzkräfte in Deutschland in Atem. Die Situation spitzt sich vor allem in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz dramatisch zu. 42 Tote sind bereits bestätigt worden. Am Mittwoch starben zwei Feuerwehrmänner bei Rettungsarbeiten. In der Nacht auf Donnerstag stürzten sechs Wohnhäuser ein. Mindestens 70 Menschen werden derzeit vermisst. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, sprach von einer „Katastrophe, die wir noch nicht gesehen haben“. Es gebe Tote, Vermisste und viele, die noch in Gefahr seien. Polizeihubschrauber und die Bundeswehr seien unterwegs, um Eingeschlossene zu retten.
In Altena kam bei der Rettung eines Mannes ein 46 Jahre alter Feuerwehrmann ums Leben. Er war nach Angaben der Polizei im Märkischen Kreis nach einer erfolgreichen Bergung beim Einsteigen ins Feuerwehrfahrzeug ins Wasser gefallen und abgetrieben. Kurze Zeit später habe man ihn nur noch tot bergen können. Er sei ertrunken, bestätigte ein Polizeisprecher. Nur zwei Stunden später kollabierte ein 52 Jahre alter Feuerwehrmann bei einem Einsatz im Bereich des Kraftwerks Werdohl-Elverlingsen. Trotz sofort eingeleiteter Reanimationsmaßnahmen konnte das Leben des 52-Jährigen nicht mehr gerettet werden. Die Polizei geht von einem gesundheitlichen Notfall aus.
Unübersichtliche Lage nach Hauseinstürzen
In der Nacht auf Donnerstag sind in der Ortschaft Schuld bei Adenau (Rheinland-Pfalz) sechs Wohnhäuser eingestürzt. Nach Angaben der Polizei werden derzeit Dutzende Menschen vermisst. 25 weitere Häuser seien ebenfalls instabil und drohen einzustürzen.
200.000 Menschen ohne Stromversorgung
Die Lage in Schuld sei unübersichtlich, zitiert der SWR den Sprecher der Polizei in Koblenz. Wie in mehreren anderen Landkreisen sei der Katastrophenfall ausgerufen worden. Mehrere Orte im Landkreis Ahrweiler sind wegen des Hochwassers von der Außenwelt abgeschnitten, rund 50 Menschen befänden sich dort auf Hausdächern und müssten gerettet werden. Mindestens 200.000 Menschen sind derzeit ohne Strom. Von den Behörden ist auch die Warnung ausgesprochen worden, Vorsicht walten zu lassen, sollte man durch Wasser gehen. Wegen vieler defekter Stromleitungen gebe es die Gefahr eines Stromschlags.
Krankenhäuser müssen evakuiert werden
Wegen einer Störung der Stromversorgung musste in Leverkusen ein Krankenhaus komplett evakuiert werden. Betroffen waren 468 Menschen. Alle Operationen, Termine und Eingriffe wurden laut Angaben des Klinikums abgesagt. Bereits in der Nacht sei der Notstrom ausgefallen, einige Stationen seien ohne Licht gewesen. „Die medizinischen Geräte der Intensivstationen mussten teilweise mit Akkus betrieben werden“, heißt es weiter. Bereits in der Nacht seien zwölf Kinder und 15 erwachsene Patienten in umliegende Krankenhäuser verlegt worden. Stunden später kam auch für das Krankenhaus in Eschweiler bei Aachen der Evakuierungsbefehl. Nach Angaben der Behörden brach infolge des Starkregens eine Trinkwasserleitung, die die Innenstadt versorgt. Die Bewohner wurden aufgerufen, auf unnötigen Wasserverbrauch durch Duschen oder Toilettenspülungen verzichten.
Die Polizei in Trier rief die Menschen eindringlich dazu auf, den Stadtteil Ehrang wegen Überflutungen zu meiden. Es bestehe Lebensgefahr, warnte die Polizei per Twitter. Nach Angaben der Stadt Trier läuft aktuell der Ortskern von Ehrang voll. „In großen Teilen des Ortes gibt es keinen Strom. Bitte folgen sie den Evakuierungsdurchsagen“, schrieb die Stadtverwaltung.
Medien: Todesopfer auch in Belgien
Das benachbarte Belgien ist ebenfalls vom Hochwasser betroffen. Die Unwetter haben dort laut Medienberichten bisher zwei Todesopfer gefordert. Eine Person kam in Aywaille ums Leben, rund 40 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Die näheren Umstände sind aber noch unbekannt. Zudem starb in Eupen in der Nähe von Aachen ein 22-Jähriger. „Wie von offizieller Seite bestätigt wurde, ist der junge Mann im Eupener Ortsteil Nispert mit einem Schwimmreifen in den reißenden Stadtbach gesprungen und wurde seitdem vermisst“, heißt es in dem Bericht des „Grenzecho“. Rettungskräfte hätten seine Leiche gefunden.
Niederlande: Menschen in Sicherheit gebracht
Wegen starken Hochwassers sind auch in der niederländischen Provinz Limburg Dutzende Menschen in Sicherheit gebracht worden. Sie wurden in Sporthallen und Hotels untergebracht. Auch Campingplätze wurden geräumt, wie Behörden am Donnerstag mitteilten. In Valkenburg nahe Maastricht strömt das Wasser durch die Straßen. Keller, Wohnungen und Geschäftsräume sind vollgelaufen. Hunderte von Haushalten haben keinen Strom. Vielerorts wird auch die Armee eingesetzt, um Häuser zu schützen.
Meteorologe: Höhepunkt der Niederschläge überschritten
Nach Einschätzung des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ist der Höhepunkt der extremen Niederschläge in Teilen Deutschlands überschritten. Der DWD-Meteorologe Marco Manitta erwartete am Donnerstag „eine Entspannung der Wetterlage“. Zwar könne es weiterhin „punktuellen Starkregen“ geben, dieser sei aber nicht mehr so verbreitet wie in der vergangenen Nacht, sagte Manitta der Deutschen Presse-Agentur. „Das Unwetterpotenzial sinkt deutlich.“ Die größten Niederschlagsmengen gab es Manitta zufolge in einem breiten Streifen vom Sauerland über das Bergische Land und die Eifel, den Großraum Köln/Bonn bis zur Grenze nach Luxemburg. Spitzenreiter war Rheinbach-Todenfeld (Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen) mit 158 Millimeter Wasser im Messzeitraum 24 Stunden - wobei das meiste davon in kürzerem Zeitraum vom Himmel fiel, wie der Experte erklärte.
Dammbruch in Rheinbach befürchtet
Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet (CDU), begab sich in das Katastrophengebiet und ließ sich über den Stand der Dinge informieren. Dort steigt in der Ortschaft Rheinbach mit Stunde zu Stunde die Sorge vor einem Dammbruch. Zwei Ortsteile werden evakuiert. „Dies ist eine Vorsichtsmaßnahme, da nicht sicher ist, ob der Damm der Steinbachtalsperre gehalten werden kann“, heißt es in der Mitteilung der Feuerwehr.
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