„Faktisch wird es keine Abschiebungen geben“, versuchte Vizekanzler Werner Kogler am Montag die Regierungsposition zur Eskalation der Lage in Afghanistan zu verteidigen. Auch Österreich habe sich in dem Punkt an die Europäische Menschenrechtskonvention zu halten. Ein Angebot, zumindest besonders gefährdete Menschen aufzunehmen, wollte er dabei jedoch nicht machen. Es brauche vielmehr die Hilfe vor Ort, so Kogler. In Bezug auf die angekündigte Öko-Steuerreform gab sich Kogler noch bedeckt - das Koalitionsklima bezeichnete er als „tragfähig“.
Die Appelle grüner Politiker in den sozialen Medien, nicht nur Abschiebungen nach Afghanistan zu stoppen, sondern auch Geflüchtete aus der Krisenregion aufzunehmen nahmen am Montag rasant zu. Selbst der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) bot die Aufnahme von gefährdeten Afghanen an.
Der Koalitionszwist um die Migrationsfrage ist damit auch um einen Punkt reicher. Während die ÖVP von ihrer Position keineswegs abrücken will, versuchte Kogler am Montag im ORF-„Sommergespräch“ die Haltung der Regierung zu rechtfertigen. Die Haltung der ÖVP in der vergangenen Woche empfand der grüne Parteiobmann zumindest als „irritierend“, wie er erklärte.
Kogler: „Es wird nicht abgeschoben“
Er habe gegenüber Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) „klipp und klar zum Ausdruck gebracht, dass nicht abgeschoben werden kann“, meinte Kogler im Gespräch mit Lou Lorenz-Dittlbacher. Wichtig sei das Ergebnis: „Es wird nicht abgeschoben.“ Er habe den Innenminister auch so verstanden, dass Nehammer dies ähnlich sieht - eine offizielle Aussage in diese Richtung gibt es bislang jedoch noch nicht.
Für Kogler ist die rechtliche Lage jedoch klar: „Die Menschenrechte gelten auch für Österreich“, spielte er darauf an, dass niemand in ein Land abgeschoben werden darf, in dem der Person Folter droht. Mit Blick auf die Machtübernahme der Taliban wisse man bereits, „was auf die Menschen in Afghanistan zukommt“, so der Vizekanzler.
Kogler will Hilfe vor Ort forcieren
Es müsse aber längst „um ganz etwas anderes gehen“, vertritt Kogler eine ähnliche Position, wie der Koalitionspartner. Nämlich, wie man vor Ort Hilfe leisten könne. Es gebe dazu bereits Gespräche mit der UNHCR. Es müsse jedenfalls durch die Schaffung notwendiger Strukturen ausreichend Schutz und Unterstützung geboten werden.
In Bezug auf eine mögliche Aufnahme von Menschen aus der Krisenregion wollte Kogler sich nicht zu einer Aussage hinreißen lassen. „Das kann ich Ihnen noch nicht sagen“, wollte er Gesprächen mit der ÖVP noch nicht vorgreifen, ob man etwa in Einzelfällen ein solches Hilfsangebot aussprechen wolle.
„Steinzeit“-Sager: Kogler ortet „Begriffsklauberei“
Angesprochen auf die politischen Differenzen mit seinem Koalitionspartner, meinte Kogler, dass man mit der ÖVP „eine Arbeitsbasis“ habe, „die tragfähig ist“. Man wolle nun von den letzten Plätzen im europäischen Klimaschutz zu den vorderen gelangen, unterstrich der Grünen-Chef seine Regierungsambitionen. Die Frage, ob dafür Verzicht notwendig sei, tat er als „Begriffsklauberei“ ab. Notwendig seien jedenfalls Veränderungen. Wolle man aus dem fossilen Zeitalter heraus, müsse man die Chancen sehen und sich nicht fürchten, meinte er.
Die geplante Steuerreform sei bei weitem nicht die einzige Maßnahme, man investiere auch massiv in Förderungen, etwa für die Fotovoltaik oder den Heizkesseltausch. Eine CO2-Bepreisung sei ein wichtiges Element; fraglich sei noch, ob man diese über eine klassische Steuer einführe oder jene in der Wirtschaft stärker belaste, die Klimaschädliches in Verkehr bringen. Die Gespräche dafür seien im Laufen, er erwarte die Einigung im Herbst, so Kogler.
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