Covid hat die Reiseindustrie besonders hart getroffen, die Passagierzahlen im Flugverkehr fielen in Wien-Schwechat ins Bodenlose (siehe Grafik unten). Doch jede Krise ist eine Chance. Und die Fluglinien nutzen sie, um sich für die nächsten Jahrzehnte neu aufzustellen.
Zwar wird es noch eine Zeit lang dauern, bis sich der Himmel wieder füllt. Schätzungen gehen von 2025 aus, bis der weltweite Flugverkehr wieder auf dem Niveau von 2019 ist (siehe Interview unten). Doch die Airlines, die in der Krise hart gebeutelt wurden, bereiten sich schon auf die Jahre danach vor: Bis 2022 sollen laut Branchendienst IBA 130 neue Fluglinien entstehen, mehr als 40 Prozent davon in Europa.
Die Zeit dafür ist gut: Passagier- und Frachtflugzeuge sind aktuell günstig zu kaufen oder zu leasen, altes, teures Personal wurde während der Krise gekündigt oder in Pension geschickt. Die ungarische Billig-Fluglinie Wizz Air will bis 2030 bis zu 500 Flugzeuge betreiben - dreimal so viel wie aktuell. Im vergangenen Jahr hatte die Airline 1000 Piloten gekündigt, nun wolle man in den nächsten Jahren wieder bis zu 4600 neue Piloten ausbilden oder anstellen.
Anderer Verlauf als nach dem 11. September
Doch es bleiben offene Fragen. Nach den 9/11-Anschlägen 2001 erholte sich die Luftfahrt sehr rasch wieder - die heutigen technischen Möglichkeiten wie Videocalls und voll angebundenes Homeoffice gab es damals noch nicht. Heute jedoch könnten viele Firmen aus Kostengründen und aufgrund der Entwicklungen im IT-Bereich in den nächsten Jahren ihre Dienstreisen stark zurückfahren. Fluglinien wie die Lufthansa rechnen bereits damit - und fokussieren sich derzeit auf Urlaubsreisen, vorerst im Kurz- und Mittelstreckenbereich. Doch die wahre Revolution in der Branche zeichnet sich nicht an der Streckenführung ab. Sondern im Innenleben der Flugzeuge.
AUA will CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren
„Der größte Zukunftshebel für klimaneutrales Fliegen ist der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe, mit denen CO2-Emissionen bis zu 80 % reduziert werden können, anstatt fossile Kraftstoffe wie Kerosin zu verwenden. Verkehrsflugzeuge mit E-Antrieb wird es in den nächsten Jahrzehnten noch nicht geben“, heißt es von der größten Fluglinie Österreichs, der AUA. Das rot-weiß-rote Traditionsunternehmen will die CO2-Emissionen bis 2030 halbieren und bis 2050 CO2-neutral wirtschaften. Außerdem laufen derzeit vier sogenannte Fuel-Efficiency Projekte, um den Treibstoffverbrauch durch Gewichtsreduktion, neue An- & Abflugverfahren beziehungsweise möglichst direkten Flugrouten und Digitalisierung nachhaltig zu verringern.
E-Flugzeuge starten bei Ausbildung durch
Wo E-Antrieb sehr wohl ein Thema ist, ist die Ausbildung angehender Piloten. Vorreiter im deutschsprachigen Raum ist hier die Flugschule Watschinger aus Bad Vöslau. Noch bis Ende dieses Jahres wird sie das erste elektrisch betriebenen Schulflugzeug in Dienst stellen - eine Pipistrel Velis mit Batterien für rund einer Stunde Flugzeit. „Wir generieren den Strom über die Solarpaneele auf unserem Hangardach“, so Inhaber Günter Watschinger. „Kein Spritverbrauch, keine Schadstoffemissionen, kaum Lärm.“
Noch ambitionierter sind die Pläne des Frachtunternehmens DHL: Erst Anfang August wurde bekannt, dass der Logistik-Riese 12 vollelektrische Frachtflugzeuge von der Firma Eviation in Seattle bestellt hat. Die ersten surrenden „Alice“-Maschinen (siehe Bild oben) sollen 2024 ausgeliefert werden, eine Reichweite von 815 Kilometern haben und bis zu 1200 Kilogramm Fracht transportieren können. Kein Ersatz für eine Boeing 747, die mit einem vollen Tank rund 132 Tonnen Fracht um die halbe Welt befördern kann. Aber laut DHL genug, um einige Zubringerstrecken schadstoffarm abdecken zu können: „Ein wichtiger erster Schritt für uns, und für die ganze Luftfahrtbranche.“
„Luftverkehr wird grüner werden“
Im Gespräch mit der „Krone“ schildert Günther Ofner, Vorstand der Flughafen Wien AG, wie er die Zukunft des Flugverkehrs sieht.
„Krone“: Herr Ofner, alternative Antriebe von Flugzeugen sind derzeit in aller Munde. Wie werden diese Antriebe in Zukunft Ihrer Meinung nach aussehen?
Günther Ofner: Die Zukunft liegt bei konventionellen Triebwerken, die durch synthetisches Kerosin mit einem kleinen Prozentsatz von Kerosin aus Biomasse angetrieben werden. Die österreichische Firma Pörner baut übrigens derzeit eine Anlage für die Produktion von synthetischem Kerosin in Leipzig. Damit kann man die Verkehrsluftfahrt Schritt für Schritt CO2-neutral machen.
Der Flughafen Wien selbst hat bereits viel für den Umweltschutz getan und setzt etwa auf Fotovoltaik. Welche Maßnahmen sind für die Zukunft geplant?
Unser erklärtes Ziel ist es, den Betrieb des Flughafens bis zum Jahr 2025 CO2-neutral führen zu können. Dazu werden wir als nächsten großen Schritt die Fernwärmeversorgung umstellen, die dann dank technischer Neuerungen ebenfalls CO2-neutral sein wird. Außerdem kommen bei Neubauten wie dem Office Park 4 modernste Technologien zum Einsatz, wodurch der Energieverbrauch dort um 70 Prozent niedriger liegt als bei vergleichbaren Bürogebäuden. Dieses Know-how des Flughafens vermarkten wir übrigens auch außerhalb des Luftfahrtbereiches, sodass es bei der Errichtung von Einkaufszentren oder Bürogebäuden inner- und außerhalb Österreichs zum Einsatz kommt. Somit leisten wir auch hier einen Beitrag zum Klimaschutz.
Der Klimaschutz ist eine Herausforderung, die Corona-Pandemie eine andere. Wann glauben Sie, wird der Flughafen wieder das Vorkrisen-Niveau erreichen?
Es ist schwierig, eine Prognose abzugeben. Aktuell gehen wir davon aus, dass es bis 2025 dauern wird, ehe sich die Zahlen wieder normalisiert haben. Für das heurige Jahr rechnen wir mit 70 Prozent weniger Passagieren als 2019.
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