Noch ein Lockdown?

„Viel kaputt im Vertrauen der Menschen“

Coronavirus
31.08.2021 16:32

„Die Zukunft der Covid-19-Pandemie in Europa“ - das ist der ambitionierte Titel eines Artikels, der kürzlich in einer Publikation des renommierten Lancet-Verlags veröffentlicht wurde. Mehr als 30 Forscherinnen und Forscher haben daran mitgearbeitet, darunter die Politikwissenschafterin Professor Barbara Prainsack. Im krone.tv-Talk mit Damita Pressl hat sie mögliche Zukunftsprognosen beschrieben.

Laut dem Fachartikel, an dem Prainsack mitgearbeitet hat, hängt die Zukunft der Pandemie von drei wesentlichen Fragen ab. Einerseits ist relevant, ob Bevölkerungen Immunität erreichen. „In den meisten Ländern kann diese Frage nicht bejaht werden“, sagt Prainsack, entweder, weil die Impfraten nicht hoch genug sind, oder weil in vulnerablen Gruppen die Immunität schnell nachlässt. Manchmal aber auch, weil zu wenige Menschen durch eine Genesung natürliche Immunität besitzen, wie etwa in Australien oder Neuseeland.

(Bild: Associated Press)

Andererseits ist wichtig, ob neue Varianten auftauchen, die besser übertragbar sind oder sogar den bestehenden Impfstoffen entgehen können. Umso größer die Mobilität in einer Bevölkerung, erklärt Prainsack, desto wahrscheinlicher wird dies. Denn wenn die Menschen viel reisen, werden auch Virusvarianten eher in Umlauf gebracht. „Wie diese neuen Varianten aussehen, wissen wir nicht, aber wir müssen damit rechnen, dass sie kommen“, so Prainsack.

Regeln müssen den Menschen fair erscheinen
Zuletzt ist wesentlich, ob Menschen noch bereit sind, Vorsichtsmaßnahmen einzuhalten. „Das hängt von der Gefahrenwahrnehmung ab“, sagt Prainsack, aber nicht nur das: „Menschen sind weniger bereit, sich an Regeln zu halten, wenn sie das Gefühl haben, dass diese Regeln nicht fair oder effektiv sind, oder dass das Regelwerk als Ganzes nicht systematisch oder sinnhaft verbunden ist.“ Als letzten Winter etwas Buchgeschäfte schließen mussten, man sich aber Waffen kaufen konnte, und mitten im Lockdown das Skifahren möglich war, sahen viele Menschen das nicht als fair, erläutert Prainsack. 

Die Lösung? „Es muss einfach klar kommuniziert werden. Und man muss auch klar kommunizieren, was die Evidenz für die Maßnahme ist.“ Außerdem müssten Entscheidungsträger klar zugeben, was sie nicht wüssten. Dass dies unzureichend geschehen sei, habe „sehr viel kaputt gemacht im Vertrauen der Menschen“. Dabei wäre gerade dieses Vertrauen so wichtig, um einen Lockdown in der vierten Welle zu vermeiden: „Wir wünschen uns alle, dass es keinen Lockdown mehr gibt. Wir wollen auf jeden Fall Lockdowns und Schulschließungen verhindern. Und wenn man relativ früh Maßnahmen aufrechterhält oder wiedereinführt, die nicht so invasiv sind, können wir das.“

(Bild: APA/Hans Punz)

Langsamer Impffortschritt „wahrscheinlich unvermeidbar“
Für den langsamen Impffortschritt kann die Politik hingegen nach Prainsacks Einschätzung wenig: „Das ist wahrscheinlich unvermeidbar.“ Dennoch: Der anfängliche „Wettlauf zwischen Staaten und Politikern“ habe viele Menschen argwöhnisch gestimmt. „Es wurde aber auch viel richtig gemacht, etwa mit niederschwelligen Einrichtungen, in denen die Impfung zu den Menschen kommt. Da braucht es noch mehr.“

Zunächst sollen also Unentschlossene noch von der Impfung überzeugt werden. Und danach? „Wir sehen nach wie vor viel Zusammenhalt. Österreich ist kein Land der Egoisten. Es gibt sehr viel Bereitschaft, sich auch um die Schwächeren zu kümmern. Aber auch die besten Modellierer wissen nicht sicher, wie es weitergeht. Diese Unsicherheit ist ein Kennzeichen der Pandemie.“

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