„Sondermandate“

Bundestagswahl: Angst vor zu großem Parlament

Ausland
11.09.2021 14:09

Deutsche Politiker sorgen sich um die Größe des Parlaments nach der Bundestagswahl. Denn eine Besonderheit des deutschen Wahlsystems sind Überhang- und Ausgleichsmandate, die die Zahl der Abgeordneten alle vier Jahre verringern oder sogar vergrößern können. Sollte sich die Zahl der Mandatare aufgrund dieser sogenannten Sondermandate von derzeit 709 weiter erhöhen, könnte die Arbeitsfähigkeit darunter leiden, heißt es.

„Sollten es mehr als 840 Abgeordnete werden, dann habe ich eine Woche lang schlaflose Nächte“, sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“. Die Regelgröße des Bundestags sind 598 Sitze, derzeit sind es de facto 709. Nach der Wahl könnten es Experten zufolge noch deutlich mehr werden. Mehr als 800, sogar mehr als 900 oder 1000 Sitze sind nicht ausgeschlossen. Grund sind eben die bereits erwähnten Überhangmandate und Ausgleichsmandate. Durch eine Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahl kommt es dazu, dass Parteien über Direktmandate (Erststimme) oft mehr Sitze zuerkannt bekommen, als ihnen aufgrund der bundesweiten Verhältniswahl (Zweitstimme) zustehen würde.

Weil der Verfassungsgerichtshof in Karlsruhe diese Stimmengewichtung als verfassungswidrig beurteilt hat, existiert das sogenannte Ausgleichsmandat. Mit diesen soll eine Benachteiligung von Parteien, die keine oder weniger Überhangmandate bekommen haben, verhindert werden. Die derzeitige Große Koalition aus CDU, CSU und SPD hatte trotz vieler Warnungen und nach langen Verhandlungen im vergangenen Jahr nur eine wenig wirksame Wahlrechtsreform verabschiedet, die Experten zufolge nicht verhindern wird, dass der Bundestag weiter anwächst.

Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Dezember 2020 (Bild: APA/dpa/Christoph Soeder)
Bundeskanzlerin Angela Merkel während der Generaldebatte zum Bundeshaushalt im Dezember 2020

„Beschaffungsprogramm für Hinterbänkler“
Das derzeitige Wahlrecht sei „ein Beschaffungsprogramm für neue Hinterbänkler“, sagte Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne). „Wo sollen die alle im Plenum sitzen? Wo treffen sich die Fraktionen?“ Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann sorgt sich um die Arbeitsfähigkeit der Ausschüsse, in denen die Facharbeit gemacht wird: „Wir können in den Ausschüssen nicht lauter Miniparlamente schaffen.“

Die Botschaft eines extrem großen Parlaments wäre verheerend, sagte FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann: „Wie soll die Politik glaubhaft für Reformen werben, wenn sie sich nicht selbst durch ein gut gemachtes Wahlrecht reformiert?“

Die wichtigste Frage ist und bleibt aber: Wer von diesen beiden Herren wird der nächste Bundeskanzler? (Bild: APA/dpa/Arne Dedert)
Die wichtigste Frage ist und bleibt aber: Wer von diesen beiden Herren wird der nächste Bundeskanzler?

Aber auch in der Union (CDU/CSU), die sich gegen weit reichendere Reformvorschläge der SPD und der Opposition gestellt hatte, gibt es besorgte Stimmen. „Ab einer gewissen Größe des Bundestags wäre auch die Funktionsfähigkeit der parlamentarischen Arbeit gefährdet“, sagte der CDU-Wahlrechtsexperte Ansgar Heveling dem „Spiegel“.

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