Auf Intensivstationen

Grazer Ärztin: „Permanentes Spiel mit dem Feuer“

Steiermark
15.09.2021 10:24

Der Herbst steht vor der Tür, die Schulen sind wieder offen - doch mit der Durchimpfung geht es nur schleppend voran. Die Entwicklungen beobachtet Intensivmedizinerin Natalija Cokić aus Graz dementsprechend „aufmerksam“. Sie hofft, dass sich die schlimme Situation des Vorjahres nicht wiederholt.

„Krone“: Die Marke für die ab Mittwoch geltenden neuen Covid-Maßnahmen ist bereits am Dienstag in Österreich erreicht worden: 200 Menschen wurden auf Intensivstationen betreut. In der Steiermark sind es zurzeit 21. Werden bei insgesamt 177 steirischen Intensivbetten die Ressourcen in den Spitälern damit nun tatsächlich schon wieder knapp?
Natalija Cokić: Es geht nicht allein um die Frage, wie viele Intensivbetten frei sind, diese Zahl hat wenig Aussagekraft. Denn wenn ich nur einen Infektionspatienten in einer Intensivabteilung liegen habe, kann ich schon keinen anderen - etwa kardiologischen oder chirurgischen - Patienten mehr dazulegen.

Das heißt, der Umkehrschluss für Corona-Beschwichtiger, wonach aktuell noch genügend Kapazitäten frei wären, ist nicht richtig?
Genau, das ist eine Scheinrechnung. Der Gedanke - es gibt eh noch genug Betten, also wo ist das Problem? - ist schlichtweg falsch und gefährlich. Man muss ja auch bedenken, dass es bei Covid-Patienten oft Wochen dauert, bis sich diese wieder erholen, nicht nur wenige Tage, wie zumeist bei den anderen Intensivpatienten. Zudem ist dieses Doppelleben - normale und Corona-Intensivpatienten zu betreuen - für das Personal wahnsinnig zehrend, für uns geht das ja nun schon seit eineinhalb Jahren so.

Natalija Cokić, Leiterin der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Grazer LKH West. (Bild: Carolin Bohn)
Natalija Cokić, Leiterin der Abteilung für Anästhesiologie und Intensivmedizin am Grazer LKH West.

Wer liegt den aktuell auf Ihrer Station?
Die vierte Welle ist ganz klar die Welle der Ungeimpften. Wir haben zwar auch vereinzelt Patienten, die trotz Vollimmunisierung ins Spital eingeliefert werden müssen, das ist aber wirklich die Ausnahme. Dazu muss man auch sagen, dass der Krankheitsverlauf bei Geimpften in der Regel weit schwächer ausfällt und die Erholung um einiges schneller vorangeht.

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Wir haben zwar auch vereinzelt Patienten, die trotz Vollimmunisierung ins Spital eingeliefert werden müssen, das ist aber wirklich die Ausnahme.

Natalija Cokić

Zeigen Ungeimpfte, die Intensivbetreuung benötigen, späte Reue?
Interessant ist, dass wenige eine Begründung haben, wieso sie die Impfung bislang abgelehnt haben. Dass sie darüber hinaus mit ihrer Haltung auch für andere zum Problem werden können, ist ebenso den wenigsten bewusst.

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Es ist ein permanentes Spiel mit dem Feuer. Eine längerfristige OP-Planbarkeit so wie früher gibt es seit Pandemiebeginn ohnehin nicht mehr.

Natalija Cokić

Erkrankungszahlen und Intensivbetten-Belegung steigen kontinuierlich an. Müssen in der Steiermark nun neuerlich Operationen verschoben werden?
Nein, an diesem Punkt sind wir Gott sei Dank noch nicht. Aber, wie gesagt, es ist ein permanentes Spiel mit dem Feuer. Eine längerfristige OP-Planbarkeit so wie früher gibt es seit Pandemiebeginn ohnehin nicht mehr, dafür sind die Ressourcen einfach stets zu knapp.

Mit welchen Gefühlen blicken Sie den nächsten Monaten entgegen?
Ich hoffe inständig, dass sich die Situation vom Vorjahr nicht wiederholt. Wenn wir es schaffen, dass sich mehr Leute impfen lassen, würden sich die Krankenzahlen auf ein überschaubares Niveau einpendeln. Das wäre der Idealzustand, denn ausrotten werden wir Covid derzeit noch nicht können.

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