Streit mit Polen
Kommission will Vorrang von EU-Recht durchsetzen
Die EU-Kommission pocht nach dem umstrittenen Urteil des Verfassungsgerichts in Polen auf den Vorrang des EU-Rechts und will dies mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln durchsetzen. „EU-Recht hat Vorrang vor nationalem Recht, einschließlich der Verfassungsbestimmungen“, erklärte Kommissionschefin Ursula von der Leyen am Freitag in Brüssel. Für Sonntag sind in Warschau Proteste geplant.
Von der Leyen erklärte, auch die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) seien für alle EU-Länder verbindlich. „Dazu haben sich alle EU-Mitgliedstaaten als Mitglieder der Europäischen Union verpflichtet. Wir werden alle Befugnisse nutzen, die uns nach den Verträgen zustehen, um dies zu gewährleisten.“
Frankreich sieht „Gefahr eines EU-Austritts“
Kritik kam auch aus einer Reihe von EU-Ländern. Die französische Regierung etwa kritisierte das polnische Urteil scharf und wertete es als Angriff auf die EU. „Es besteht de facto die Gefahr eines Austritts aus der Europäischen Union“, sagte Europaminister Clement Beaune am Freitag dem Sender BFM TV. Auch wenn er sich nicht wünsche, dass Polen die EU verlasse, fügte er hinzu. Die Gerichtsentscheidung sei „Teil einer langen Liste von Provokationen“. Wirtschaftssanktionen seien allerdings eine Option, um zu reagieren.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas forderte Polen zur Einhaltung von EU-Recht auf. „Wenn ein Land sich politisch dafür entscheidet, Teil der EU zu sein, muss es auch dafür Sorge tragen, die vereinbarten Regeln voll und ganz umzusetzen“, sagte der SPD-Politiker gegenüber Medien. „Mitglied in der Europäischen Union zu sein, bedeutet, dass wir gemeinsame Werte verfolgen, von einem starken gemeinsamen Binnenmarkt profitieren und mit einer Stimme sprechen.“
Edtstadler: „Dramatisches Urteil“
Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) bezeichnete das Urteil als „dramatisch“. „Ich würde aber nicht so weit gehen, dass ich damit schon das Einleiten eines Austritts Polens aus der Europäischen Union herbeirede“, sagte Edtstadler am Freitag am Rande ihres Arbeitsbesuchs in Athen.
Das polnische Verfassungsgericht hatte am Donnerstag geurteilt, dass der EU-Vertrag im polnischen Rechtssystem der Verfassung untergeordnet sei. Es unterstrich zudem, dass es nicht nur das Recht habe, die Verfassungsmäßigkeit des EU-Rechts zu überprüfen, sondern auch die Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH). Die national-konservative Regierungspartei PiS sah sich dadurch in ihrem Streit mit der EU-Kommission bestätigt, dass EU-Recht nicht über dem Recht der einzelnen Mitgliedstaaten stehe.
Regierungschef Mateusz Morawiecki betonte in einer Stellungnahme zum Urteil, dass sein Land weiterhin ein Teil der EU bleiben möchte. „Polens Platz ist in der europäischen Familie der Nationen und wird es auch bleiben“, erklärte Morawiecki am Freitag auf Facebook. Morawiecki verwies auf Entscheidungen der Gerichte anderer Länder, die ebenfalls den Grundsatz des Vorrangs von EU-Recht infrage gestellt hätten. „Wir haben die gleichen Rechte wie andere Länder“, fügte er hinzu. „Deshalb sind wir auch nicht damit einverstanden, als Land zweiter Klasse behandelt zu werden.“
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.