Österreich im Dauerwahlkampf. Bevor wir im Jänner womöglich schon wieder zur Urne schreiten, analysieren wir die Wiener Parteien: Wer ist für die Spitzenkandidaten im Bund eine große Hilfe und wer bremst. Denn nicht alle Vertretungen in der Bundeshauptstadt sind eine Hilfe.
Und steht es aktuell um die Wiener Parteien und deren Spitze:
Die Wiener SPÖ
Größtes Problem, wie bei allen: die Parteikassen sind leer. Die Roten sind die DIE Corona-Opposition zum Bund, wahlkampffähig und personell gut aufgestellt. Womöglich verlieren sie jedoch Finanzstadtrat Peter Hanke an das rot-grün-blau-pinke Experiment von „Bundeskanzlerin“ Pamela Rendi-Wagner. Ohne Bürgermeister Michael Ludwig geht in der Partei nichts. Scheinheilig ist aber die Anbiederung an die FPÖ zum Zwecke des Machtausbaus.
Michael Ludwig
Man muss nicht mit all seinen Plänen einverstanden sein, die Kindertesterei empfanden viele als Schikane, aber Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) legt bei der Bekämpfung der Pandemie ein Tempo vor, das die Bundesregierung (als wir noch eine hatten) mit Staunen zurückließ. Viele Wien-Maßnahmen wurden zu österreichweiten Verordnungen. Ludwig gewinnt immer mehr an Format, wird mutiger. Im Wien-Wahlkampf arbeitete er für eine „Krone“-Aktion einen Tag als Müllmann - bei Covid räumt er nun den Mist weg, den auch andere fabrizieren.
Die Wiener NEOS
Obwohl die Parteifarbe Pink ist, sind die NEOS farblos. Alles ist auf Chef Christoph Wiederkehr zugespitzt, die zweite Reihe kennen nur politische Feinspitze. Von Wahl zu Wahl erkämpfen sie sich mühsam wenige Prozentpunkte, während etwa in Oberösterreich Corona-Schwurbler ohne Programm mit einem Schlag mehr als sechs Prozent holen. Die Hybridpartei aus ÖVP und SPÖ - konservativ, aber menschlich - könnte rasch an einer Identitätskrise leiden.
Christoph Wiederkehr
Zwei Jahre haben die Grünen 2010 in Wien gebraucht, bis sie Regierung verstanden haben - und so geht es auch den NEOS. Christoph Wiederkehr ist wohl einer der engagiertesten Politiker der Stadt, voller Herzblut und Tatendrang, mitunter verirrt er sich aber noch in den unendlichen Weiten des Magistrats. „Ich werde meine Werte nicht an der Garderobe des Bürgermeisters abgeben“, sagte er vor der Wahl. Es folgten eine Reihe von Umfallern (Gebühren), verärgerte Lehrer und eine Chaos-Behörde. Vielen Wählern fehlt die pinke Handschrift.
Die Wiener ÖVP
Noch-Finanzminister Gernot Blümel gibt den Ton an, der Rest der Wiener Truppe erfriert in seinem Schatten. Dass Markus Wölbitsch plötzlich Markus Wölbitsch-Milan heißt, war noch das Spannendste aus der zweiten Reihe. Die Partei ruht sich auf dem Erfolg aus, der jetzt zerbröckelt. Bei Sportthemen zeigen sie jedoch Engagement. Passend: Eigentore sind den Türkisen nicht mehr fremd.
Gernot Blümel
Bei der „Krone“-Wahlaktion fütterte Gernot Blümel im Tiergarten Schönbrunn Schildkröten - jetzt entwickelt sich seine Karriere in einem ähnlichen Tempo. 2020 war Blümel mit 20 Prozent strahlender Sieger. Und das trotz seiner Doppelrolle, in der er als Vertreter des Bundes in jener Stadt antrat, die von Türkis regelmäßig gebasht wurde. Hat sich nach der Wahl nur noch selten um Wien gekümmert - hätte bald wieder Zeit dafür.
Die Wiener Grünen
Seit Birgit Hebein weggemobbt wurde, führungslos. Hebein trat nach Kritik an den Bundesgrünen sogar aus der Partei aus. Das wichtigste Thema Klima wird aktuell von Umweltschützern übernommen, die Baustellen und Straßen blockieren, während die Grünen Ludwig für Projekte kritisieren, die sie zuvor selbst mitgestaltet haben. Dazu kommt die Causa Chorherr - Stichwort Spendenaffäre.
Judith Pühringer und Peter Kraus
Am Ende sind Doppelspitzen nie erfolgreich, aber auch die Grünen versuchen ihr (Un-)Glück im Duo: Judith Pühringer und Peter Kraus beerben Peter Kristöfel, der Birgit Hebein abgelöst hat. Alle drei kennt in der Stadt niemand. Am 16. Oktober werden Pühringer und Kraus bei der Landesversammlung gewählt und können sich danach politisch ganz toll lieb haben. Bis zum ersten Zoff, der bei den Grünen wie das Amen im Gebet kommt.
Die Wiener FPÖ
Leckt nach der Stimmenminimierung die Wunden, viele Gemeinderäte wollen wohl noch bis zur Pension gemütlich abdienen. Fallen aktuell nur auf, wenn Mandatare mit Torten beworfen werden. Die neuen Umfragen könnten jedoch alten Mut heraufbeschwören.
Dominik Nepp
Sowohl Blümel als auch Dominik Nepp haben sich seit der Wahl rar gemacht. Der eine, weil er Finanzminister ist (war), der andere, weil er auf bessere Zeiten wartet. Nur einmal stand Nepp im Rampenlicht - als es Gerüchte gab, er würde den Job von Norbert Hofer übernehmen. Tat er nicht. Nepp, selbst geimpft, kritisierte Geimpfte als „neue Gefährder“ und blieb sonst im politischen Winterschlaf. Neue Umfragen stärken ihn aber wieder.
Liste Strache
Völlig egal, ob der Ex-Vizekanzler antritt. Schafft es sowieso nicht.
Heinz-Christian Strache
Vom Vizekanzler zum Stammgast vor Gericht - Heinz-Christian Strache ist wandlungsfähiger als ein Chamäleon und hat sich zuletzt vor allem nach Wahlen unsichtbar gemacht. Zuletzt wegen Bestechlichkeit zu 15 Monaten Haft (nicht rechtskräftig) verurteilt, ist von seiner Liste nur ein trauriges Häufchen Elend geblieben, das auch in Graz gescheitert ist. Und dort gibt es nicht einmal eine Prozenthürde. Macht jetzt auf Kabarettist.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.