Ermittlerberichte erschüttern die Republik und bringen den baldigen Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und seine Gefährten in Bedrängnis. Unterlagen offenbaren, wie zielstrebig und zynisch nach der Macht gegriffen wurde.
Frühjahr 2016. Eine Gruppe junger, ehrgeiziger Männer will den lahmen Kutter ÖVP entern und eine schnittige Motorjacht daraus zaubern: Sebastian Kurz, Außenminister, Gernot Blümel, ÖVP-Chef in Wien, Thomas Schmid, Generalsekretär im Finanzministerium, und andere.
Fäkalausdrücke lassen Leser staunend zurück
Im Weg steht Reinhold Mitterlehner, Parteichef und Vize unter SPÖ-Kanzler Christian Kern. Beide nicht die Lieblingsfreunde von Kurz und Co., wie sich schon anhand von damaligen Chats nachzeichnen lässt, die die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in einem Hunderte Seiten umfassenden Bericht festhielt. Ziel war es, Mitterlehner zu entmachten. Fäkalausdrücke und martialische Metaphern („Wir sind auf der Blutwiese“) lassen den Leser staunend zurück.
„Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“
Ein besonders perfides Stück im Juni 2016: Die Regierung will Erlöse aus den Bankenabgaben in Ganztagsschulen und Nachmittagsbetreuung investieren: 1,2 Milliarden. Ein drohender Erfolg für Kern. Kurz und Co. wollen das vereiteln, auch wenn sie wissen, dass es sich dabei um eine gute Sache handelt. Kurz will von Schmid wissen, wie das aufzuhalten sei, und macht selbst einen Vorschlag: „Kann ich ein Bundesland aufhetzen?“ Schmid hält das für eine gute Idee und meint, wenn Mitterlehner mit Kern mitmache, wäre das irre.
Zu dieser Zeit hatte schon eine Spendenrallye für Kurz begonnen, wie sich Mitterlehner, der schließlich entnervt aufgab und Kurz das Feld überließ, erinnert. Und man arbeitete im Medienbereich. Es beginnt jene Phase, die heute für den Kurz, Schmid sowie andere zum Verhängnis werden könnte.
Gefällige Umfragen für den Jungstar
Die jüngsten Erkenntnisse der Korruptionsermittler, die diese Woche ihren Weg an die Öffentlichkeit fanden, erschüttern die Nation und Politik. Hausdurchsuchungen im Kanzleramt, Finanzministerium, ÖVP-Zentrale. Bericht über Datenauswertung zur Causa „Inserate und Gegenleistungen“.
Geschönte Umfragen in „Österreich“?
Die WKStA wirft Schmid und Co. vor, im Dienst des späteren Kanzlers Kurz mit Steuergeld Gefälligkeitsberichterstattung im Medienkonzern „Österreich“ von Wolfgang und Helmuth Fellner organisiert zu haben. Chats aus den aktuellen Akten offenbaren Erhellendes. Beteiligt an entsprechenden Studien sind zwei Marktforscherinnen. Eine davon ist Sophie Karmasin, ehemalige Familienministerin auf einem ÖVP-Ticket.
Die geschönten Umfragen seien dann in „Österreich“ erschienen. Gegen Karmasin und ihre Kollegin, gegen Schmid und andere Vertraute des am Samstag zurückgetretenen Kanzlers, die Fellners sowie gegen Kurz selbst wird ermittelt. Wegen Untreue, Bestechung, Bestechlichkeit (gegen Schmid auch wegen Verschleierung). Alle bestreiten die Vorwürfe. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Ärger in der schwierigen Kooperation mit Fellner
Ab und zu gab es Zwist unter den Partnern des problematischen Geheimpakts. Einmal mokierte sich der spätere ÖBAG-Vorstand Thomas Schmid über ein unerwünschtes Ergebnis. Die FPÖ und Heinz-Christian Strache profitierten demnach. Obwohl diese nichts getan hätten. Dies war für Schmid schwer nachvollziehbar und er versah seine Gedanken mit dem Satz, dies sei „House of Cards für Deppen ...“.
Generell jedoch war es eine für beide Seiten einträgliche Kooperation. So schrieb Helmuth Fellner einmal an Thomas Schmid: „Gemeinsam sind wir richtig gut.“
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