In seinem ersten Interview nach dem schweren Sturz erzählt der Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) alles über den Unfall in seiner Wohnung, wie knapp er dem Rollstuhl entkommen ist, über den Promi-Bonus bei der Rettung, 3G am Arbeitsplatz und die fünfte Welle. Sein Fazit: „An sich gehe ich davon aus, dass wir 2022 einen Schlussstrich ziehen können.“
„Krone“: Herr Stadtrat, es ist zwar die langweiligste Einstiegsfrage, die man sich denken kann, aber wie geht es Ihnen? Vor allem nach dem Sturz auf der Terrasse?
Peter Hacker: Der größte Sorgenpunkt ist mein gebrochener Wirbel gewesen. Der verheilt exzellent, ich habe keine Entzündung. Meine Hüfte macht mir irre Schwierigkeiten, das alles ist dauerschmerzhaft. Die Ärzte sagen, es wird eine langwierige Geschichte.
War es knapp, hätte es auch im Rollstuhl enden können?
Ja, es war knapp. Der Sprung war zwischen achtem und neuntem Brustwirbel, und der neunte Brustwirbel ist quer durchgerissen. So weit oben im Oberkörperbereich ist natürlich das extrem empfindliche Rückenmark. Das hätte ganz tragisch enden können.
Wie ist der Unfall denn nun eigentlich passiert?
Ich habe in meiner Wohnung so eine kleine Terrasse, und von der Terrasse in die Küche gibt es zwei Stufen. Die habe ich auf einmal genommen und bin mit der Ferse weggerutscht. Dann flogen die Füße in die Höhe und ich bin mit dem ganzen Gewicht und der ganzen Geschwindigkeit dieses Schrittes mit dem Rücken auf genau diese zwei Stufen geknallt.
Für Empörung hat ja gesorgt, dass gleich vier Rettungsfahrzeuge zu Ihnen gerast sind, während andere mit gebrochener Hüfte zwei Stunden warten müssen. Ist das fair gegenüber all den Wienern, die nicht Stadträte sind?
Wer auch immer behauptet hat, es waren vier Rettungsautos, der hat falsch berichtet. Es war natürlich nur ein Rettungsauto da und ein Notarztwagen. Das sind zwar zwei Autos der Rettung, aber es war ein Rettungsauto.
Die sogenannte Qualitätskontrolle war auch noch dabei. Insgesamt waren es vier Fahrzeuge, das hat die Rettung offiziell auch bestätigt.
Wie immer, wenn die Notärzte feststellen, dass es sich um eine schwere Rückenverletzung handelt, wird auch ein Notarzteinsatzfahrzeug geordert, damit dann der Transport auf entsprechender Polsterung stattfinden kann. Das passiert routinemäßig bei der Rettung. Das hat mit Stadtrat hin oder Stadtrat her überhaupt nix zu tun.
Also einen Promibonus gab es nicht, sagen Sie?
Nein, nein. Natürlich ist, wenn man hört, dass der Stadtrat mit einem Sondertransport ins Spital geführt werden muss, auch die Fachaufsicht nervös. Das ist klar.
Sie nehmen ja aktuell sehr viele Medikamente. Die haben ja auch alle Nebenwirkungen. Sind Sie amtsfähig?
Ich nehme fast keine Medikamente mehr. Ich habe die schweren Schmerzmittel in der zweiten Woche größtenteils abgesetzt und nehme nur mehr ein Medikament, das entzündungshemmend ist. Schmerzmittel nehme ich gar keine mehr.
Weil wir ja gerade über Amtsfähigkeit sprechen, wie beurteilen Sie die aktuelle Lage der Bundesregierung?
Die Lage ist so, dass wir alle eigentlich Schmerzmittel bräuchten. Aber es scheinen nicht einmal die zu helfen, bei dem, was sich da gerade abspielt in unserem Land. Das ist wahrscheinlich nicht einmal mit einer hohen Dosis Schmerzmittel erträglich. Eigentlich zum Schämen, was da passiert.
Hätte Sebastian Kurz von allen Ämtern zurücktreten müssen?
Ich finde schon. Das ist eine Frage von Moral und Anstand.
Angenommen, es würde eine Neuwahl geben: Sollte die SPÖ in eine solche mit Pamela Rendi-Wagner gehen?
Über die Frage brauchen wir gar nicht diskutieren. Das ist unsere Parteivorsitzende, wir haben sie wiedergewählt.
Was macht sie denn so gut? Nennen Sie mir drei Dinge.
Sie ist die Parteivorsitzende und wir haben ihr mit einer sehr, sehr großen Mehrheit unser Vertrauen ausgesprochen. Punkt. Mehr braucht es auch gar nicht.
Bemerkenswert ist es schon, dass die SPÖ auch mit der FPÖ in einer Art Allianz zusammengearbeitet hätte. Weil Sie ja gerade vorhin Moral und Anstand angesprochen haben: Wirft Ihre Partei für die Macht also alle Prinzipien über Bord?
Die Initiative ging von Werner Kogler aus, der alle Parteien zu Gesprächen eingeladen hat. Natürlich redet man danach auch untereinander. Auch wenn Parteien nicht miteinander regieren wollen, sollten sie trotzdem miteinander reden können.
Mit welchen drei Worten würden Sie FPÖ-Chef Herbert Kickl beschreiben?
Ehrgeizig.
Das war ein Wort.
Das könnte man zusammensetzen. Er und Geizig. Sind immerhin zwei.
Bleiben wir bei der Impfung. 60 Prozent der Wiener sind derzeit vollimmunisiert. Jetzt geht nichts mehr weiter.
In den vergangenen zwei Monaten haben wir schon einiges erreicht. Die 30- bis 50-Jährigen sind zu 70 Prozent, die 50- bis 80-Jährigen zu 80 Prozent und die Über-80-Jährigen zu über 90 Prozent geimpft. Das ist schon eine bemerkenswerte Durchimpfungsrate. Und in einer Pandemie gibt es nicht nur immer eine Maßnahme, sondern immer mehrere, die intelligent ineinandergreifen müssen. Ich bin überzeugt davon, dass diese Aussagen der Bundesregierung vom Juni, dass die Pandemie vorbei ist, in Wirklichkeit für die gesamte Impfkampagne tödlich war.
Ist das Gemeindebauimpfen ein Erfolg?
Ja. In der ersten Runde haben sich 900 Wiener impfen lassen.
Im Gemeindebau wohnen 500.000 Menschen, da sind 900 doch kein Erfolg.
Wir haben ja erst angefangen, wir sind noch lange nicht fertig.
Bitte konkret: Diese Woche setzt sich Bürgermeister Michael Ludwig wieder mit seinen Experten zusammen. Kommen Verschärfungen, Lockerungen oder wird alles so bleiben, wie es ist?
Wir wollen uns in Ruhe mit der Prognose beschäftigen. Die Rechnung wird rechtzeitig zum Expertentermin fertig sein. Wir werden darüber beraten - so wie bisher auch - und dann in aller Ruhe entscheiden.
Das Burgenland spricht heute schon von Lockerungen. Was macht Landeshauptmann Hans Peter Doskozil besser als Michael Ludwig oder Sie?
Hans Peter Doskozil hat den Vorteil, dass er keine Zwei-Millionen-Stadt hat, sondern flaches Land mit einer ganz anderen Bevölkerungsstruktur. Abgesehen von dem kleinen Detail, dass Wien beim Impfen 13 Prozent der Bewohner anderer Bundesländer bedient. Kein Bundesland hat mehr geimpft als Wien.
Viele Wiener Regeln sind ja ein Widerspruch in sich. Ich darf ungeimpft nicht in die Disco, aber der Barkeeper, der alle Gäste versorgt, darf sehr wohl ungeimpft sein, weil ein PCR-Test reicht. Das verstehe ich nicht.
Wir brauchen ja auch Spielregeln, die mit anderen Gesetzen kompatibel sind. Ich bedauere das sowieso, dass wir seit ewigen Zeiten über 3G am Arbeitsplatz reden, aber die Bundesregierung nichts weitergebracht hat. Und ich verstehe auch nicht, was da so schwierig sein soll, sich mit den Sozialpartnern zusammenzusetzen und die zentralen arbeitsrechtlichen Fragen zu klären. Wir hören ständig nur Ankündigungen.
Kein Bundesland hat mehr geimpft als Wien.
Stadtrat Hacker
Soll Ungeimpften, die keinen Test vorweisen wollen und nicht am Arbeitsplatz erscheinen, das Gehalt gekürzt oder gestrichen werden?
Nein, es geht überhaupt nicht um Bestrafung und auch nicht um Gehaltskürzung. Es geht um die intelligenten Spielregeln einer Pandemie. Aber das ist die zentrale Frage, die zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer festzulegen ist.
Wie lange sind die Tests in Wien noch gratis?
Solange es eine österreichweite Regelung gibt. Ich glaube, es wird wieder der Zeitpunkt kommen, wo wir das alles nicht mehr brauchen. Ich freue mich auch schon auf den Moment, wenn wir den Krisenstab einstellen, mit dem Testen und den Maßnahmen aufhören können. Ich bin mir gar nicht sicher, ob es noch eine fünfte Welle gibt. Es könnte sein, dass wir uns mit den Impfungen nach der vierten Welle dem Ende dieser Pandemie nähern.
Sehen Sie das wie Epidemiologin Eva Schernhammer, die ja sagt, dass wir die Pandemie in zwei, drei Monaten hinter uns haben?
Das ist mir ein bisschen zu ehrgeizig, aber es geht ja nicht um Monate. An sich gehe ich davon aus, dass wir 2022 einen Schlussstrich ziehen können.
Zum Abschluss, wollen wir vielleicht einmal gemeinsam in Ihr Handy schauen? Kommt das böse Wort Ar… in Ihren Chats vor, und wie oft?
Nein, das kommt nur in meinem Pressespiegel vor.
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