Doppelinterview

Schallenberg/Kogler: „Das werden 2G-Weihnachten“

Politik
07.11.2021 06:00

Bundeskanzler Alexander Schallenberg und sein Vizekanzler Werner Kogler im ersten Doppelinterview: Sie sprechen über die Pandemie-Bewältigung, Impf- und Helmpflicht und türkis-grüne Harmonie.

Treffen mit dem Bundeskanzler und seinem Vize Samstagvormittag, kurz nachdem der neue erschreckende Tagesrekord (fast 10.000) bei den Corona-Neuinfektionszahlen bekannt wurde. Und vier Wochen nachdem Sebastian Kurz seinen Rück- oder „Zur-Seite-Tritt“ bekannt gegeben hat und Alexander Schallenberg als seinen Nachfolger (oder Platzhalter) präsentiert hat.

Seit vier Wochen steht Alexander Schallenberg statt Sebastian Kurz an der Regierungsspitze. Für die „Krone“ führte Klaus Herrmann am Samstag das erste Doppelinterview mit Schallenberg und seinem Vize Werner Kogler. (Bild: Reinhard HOLL)
Seit vier Wochen steht Alexander Schallenberg statt Sebastian Kurz an der Regierungsspitze. Für die „Krone“ führte Klaus Herrmann am Samstag das erste Doppelinterview mit Schallenberg und seinem Vize Werner Kogler.

Wir haben uns auf Wunsch von Schallenberg und Werner Kogler in der Albertina modern am Wiener Karlsplatz verabredet, jenem Museum, das Pandemie-bedingt zusperren musste, bevor es aufsperren konnte. Im Museums-Café „Ludwig & Adele“ geben die beiden Herren ihr erstes gemeinsames Interview als Kanzler und Vizekanzler - exklusiv für die Leser der Sonntags-„Krone“. Sie äußern sich zum Klima und den Belastbarkeitsgrenzen in der türkis-grünen Koalition, zur Corona-Krise und den Aussichten auf die nächsten Wochen und Monate. Und zur Überwindung der Spaltung in unserem Land.

Worüber redet man in Tagen wie diesen als Erstes, egal, ob man seinen Nachbarn, die Geschwister oder den neuen Kanzler samt seinem Vize trifft?

„Krone“: Herr Bundeskanzler, Herr Vizekanzler, wir sitzen heute in der Albertina modern. Können wir uns hier auch in ein paar Wochen treffen? Können Sie garantieren, dass Geimpfte wie Sie und ich nicht noch einmal wegen eines Corona-Lockdowns aus Museum, Stadion, Restaurant oder vom Friseur ausgesperrt werden?
Schallenberg: Eines ist klar, wir haben ein gemeinsames Ziel: kein Lockdown mehr für die Geschützten! Aufgrund der Dynamik der Zahlen sehen wir uns gezwungen, momentan leider wieder strengere Maßnahmen zu erlassen. Wir müssen die noch Ungeimpften dazu bringen, dass sie sich freiwillig für die Impfung entscheiden. Aber ja, wir werden uns in ein paar Wochen wieder hier treffen können.
Kogler: Das Ziel ist klar, genau darum geht es, einen Lockdown zu verhindern und gleichzeitig das Gesundheitssystem zu schützen und die Gesundheit der Menschen. Mit diesem Maßnahmenpaket, diesem Stufenplan ist das erreichbar.

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Es wäre absurd gewesen, im Sommer, in einer Phase, in der es nicht notwendig war, Maßnahmen zu verhängen, die die Menschen nicht akzeptiert hätten.

Alexander Schallenberg zum Vorwurf, die Regierung habe zu spät reagiert

Was fällt auf? 1. Ein glasklares Versprechen, dass es keinen weiteren Lockdown geben wird, müsste anders klingen. 2. Die Betonung auf gemeinsam. Das werde ich in diesem mehr als einstündigen Gespräch noch öfter zu hören bekommen.

Es hagelt Kritik, Regierung und Länder hätten sich in der Corona-Bekämpfung zu viel Zeit gelassen, mit der Botschaft „Pandemie gemeistert“ habe man die Menschen in Sicherheit gewiegt, die Hände in den Schoß gelegt, keine Kraft für Vorbereitung und Umsetzung notwendiger Maßnahmen gefunden.
Kogler: Die Bundesregierung hat mit den Bundesländern gemeinsam Ende Sommer den Stufenplan entwickelt, das war ja gemeinsam geplant. Die Dynamik des Infektionsgeschehens führt jetzt eben dazu, dass wir mehrere Stufen gleichzeitig in Kraft setzen. Aber den Rahmenplan hat es gegeben und der wird jetzt auch angewandt, auch von den Bundesländern, die Maßnahmen vorgezogen haben.
Schallenberg: Und man muss auch sagen, ein Buch liest sich von hinten immer leichter. Die Experten haben diese dramatische Dynamik, die wir jetzt sehen, in der Form nicht vorhergesehen. Wir reagieren natürlich darauf. Keiner von uns hat eine Kristallkugel, wir wissen nicht genau, wie es sich entwickelt. Nur: Es wäre absurd gewesen, im Sommer, in einer Phase, in der es nicht notwendig war, Maßnahmen zu verhängen, die die Menschen nicht akzeptiert hätten. Unsere Verantwortung ist es, die Menschen zu schützen. Dieser Verantwortung kommen wir nach.

Kanzler Alexander Schallenberg (Bild: Reinhard Holl)
Kanzler Alexander Schallenberg

Verteidigung! Vorwärtsstrategie! Ob man sich von der FPÖ zu sehr habe treiben lassen? Beide: „Nein.“

Keine Impfpflicht, aber ...
Wir reden über eine mögliche Impfpflicht, etwa wie bei der Pocken-Impfung - da herrschte Pflicht, die Missachtung wurde aber nicht sanktioniert. Beide versichern, eine Impfpflicht stünde nicht auf dem Plan. Schallenberg: „Jeder hat es in seiner eigenen Verantwortung.“ Und er zitiert neuerlich den Papst, der von einem „Akt der Nächstenliebe“ im Zusammenhang mit der Impfung gesprochen hatte. Dann greift der Bundeskanzler zu einem Vergleich, wenn er sagt: „Jeder Einzelne von uns, jeder Mensch, der in diesem Land lebt, hat es in der Hand. So wie man sich einen Gurt anlegt, wenn man ins Auto steigt. Sich einen Helm aufsetzt, wenn man sich auf ein Motorrad setzt.“ Später meint er nochmals, es sei gleich wie mit dem Helm beim Motorrad- oder Fahrradfahren, wo auch jene, die keinen tragen, ein viel höheres Risiko haben.

Aber da besteht Helmpflicht.
Schallenberg: Das ist richtig. Wir machen es so, dass wir die Menschen aufrufen, dass sie sich selber freiwillig den Helm aufsetzen, den Schutzhelm gegen das Virus.

Ein gefährliches Bild, der Kanzler bewegt sich da auf dünnem Eis!

Wie normal wird Weihnachten 2021? Werden wir heuer treffen können, wen wir wollen, ein paar Tage später im Restaurant dann Silvester feiern können?
Schallenberg: Wir werden keine dieser Maßnahmen auch nur einen Tag länger in Kraft halten, wenn es nicht notwendig ist. Wir alle haben es in der Hand, dass die Zahlen wieder deutlich sinken.

Können wir das bis Weihnachten überhaupt schaffen?
Schallenberg: Ich gehe nicht davon aus, dass in sechs Wochen die Situation so ist, dass wir die Maßnahmen wieder zurücknehmen können. Also es wird wohl ein 2G-Weihnachten werden.
Kogler: Allerhöchstwahrscheinlich werden wir zu Weihnachten und zu Silvester noch 2G haben.

Vizekanzler Werner Kogler (Bild: Reinhard Holl)
Vizekanzler Werner Kogler

Von Weihnachten landet man über Silvester in Österreich rasch beim Opernball. Klare Ansage auf Nachfrage vom Bundeskanzler: „Für Ungeimpfte ist die Ballsaison aus heutiger Sicht gelaufen.“

„FZ - fix z‘samm“
Welche Gemeinsamkeiten haben die beiden Herren - vor allem politisch? Schallenberg antwortet als Erster. Was sie verbinde, sei vor allem „eine starke Sachorientiertheit“ und „das Verständnis: Man trifft sich immer zweimal im Leben.“ Er sei dem Vizekanzler auch sehr dankbar für die Art der Zusammenarbeit „und die Gesprächskultur, die wir pflegen“. Kogler nickt und ergänzt, beide seien sie „Teamplayer“. Im Hintergrund wird geflüstert. „FZ“. Was ist gemeint? „Fest z‘samm, fix z‘samm!“ Ja, irgendwie erwecken die beiden den Eindruck, sie wären, nachdem die Koalition noch vier Wochen zuvor am Abgrund stand, wirklich in einer fixen, stabilen Partnerschaft. Da muss man schon nachfragen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben noch am Nationalfeiertag davon gesprochen, dass die Koalition auf dünnem Eis stünde. Hat sich das seither geändert? Bitte um eine Eisdickenmessung.
Schallenberg: Es braucht Zeit, aber die Eisdecke ist wieder etwas dicker - jede Woche hilft.
Kogler: Die Zusammenarbeit und gemeinsame Erfolge wie die ökosoziale Steuerreform führten zu immer mehr Vertrauen!

Der Bundeskanzler hatte zur Vertrauensbildung unter den Regierungsmitgliedern ein, wie er es nannte, „Get-together mit Aussprache und ohne Medien“ angekündigt. Dieses Treffen hat dieser Tage stattgefunden, man ist besonders stolz, dass man wirklich medienfrei zusammensaß. Und wie war’s? Der Vizekanzler gibt sich als Reime-Schmied: „Es war länger als gedacht und es wurde auch gelacht!“ Koglers Pressebetreuerin hat eine Maske auf. Schade! Es wäre interessant gewesen, ihre Miene beim Reimversuch des Chefs zu sehen ...

Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder mit Vizekanzler Kogler und Kanzler Schallenberg (Bild: Reinhard HOLL)
Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder mit Vizekanzler Kogler und Kanzler Schallenberg

Welche Arbeitsschritte hat man besprochen, was sind denn so die wichtigsten nächsten Aufgaben? Möglichst rasch zur Normalität zurückzukehren, meint der Bundeskanzler, dann den Wirtschaftsaufschwung absichern und bei der Pflege etwas weiterbringen. Der Vizekanzler will sich an das Regierungsprogramm halten. Und was werden sie beim Klimaschutz weiterbringen? Der Kanzler betont, dass es - no na - eine globale Herausforderung sei. Der Vize springt ihm überraschend klar bei: „Klimaschützende Staaten dürfen nicht die Dummen sein!“

Schaffen wir die Bewältigung der Klimakrise ohne Verzicht und allein mit Technologie, wie es Sebastian Kurz vielkritisiert noch vor Kurzem formuliert hatte? Schallenberg verteidigt Kurz, Kogler bleibt auch sanft, verweist bloß darauf, dass man „natürlich einen technologischen Wandel braucht“. Und wir anders leben werden. Wo wir schon bei Sebastian Kurz angelangt sind, eine provokante Frage an dessen Nachfolger, Kurz habe sich nicht gerade den Ruf eines Brückenbauers, eines, der mit Freund und Feind eine Gesprächsbasis sucht, erworben, während Schallenberg die Hand ausstrecke, Kontakt zu Sozialpartnern, Oppositionsparteien, zur Zivilgesellschaft suche. Schallenberg verteidigt den Altkanzler, dieser sei ein sehr guter Zuhörer. Er, Schallenberg, wolle Verbindendes vor Trennendes stellen.

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Wir müssen die Spaltung zurückdrängen. Das passiert in einem sehr intensiven Ausmaß und mehr als früher.

Vizekanzler Werner Kogler

Wäre es nicht eine Hauptaufgabe dieser Regierung, die vielen Gräben in der Gesellschaft, wenn man sie schon nicht zuschütten kann, dann wenigstens einzuebnen?
Kogler: Unsere Hände sind ausgestreckt. Wir müssen die Spaltung zurückdrängen. Und das passiert eigentlich in einem sehr intensiven Austausch mit Sozialpartnern, Hilfsorganisationen, NGO‘s, Religionsgemeinschaften. Und mehr als früher.
Schallenberg: Keiner von uns will spalten!

Dann kommen wir langsam ins Interview-Finale.

Sie beide unterstreichen so sehr die Harmonie. Kann der U-Ausschuss rund um die ÖVP-Korruptionsaffäre diese Koalition spalten?
Schallenberg: Es gibt auch Belastbarkeitsgrenzen.

(Bild: Reinhard HOLL)

Da ist es also vorbei mit der Sanftheit, auch wenn Kogler betont, der Ausschuss sei eine „parlamentarische Angelegenheit“, dahinter stünde „kein grüner Antrag“. Da drängt sich also die Schlussfrage auf:

Wann wählen wir das nächste Mal den Nationalrat?
Schallenberg: Planmäßig.
Kogler: Wir haben noch sehr viel vor mit dem gemeinsamen Regierungsprogramm.

Und dafür braucht man dann die ganze Legislaturperiode?
Davon gehe ich aus. Wir haben eine gemeinsame Verantwortung für Österreich.

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