Eine Freigabe der Patente von Covid-19-Impfstoffen würde nicht nur unterversorgten ärmeren Ländern etwas bringen, sondern auch den reicheren: Europa sei erst geschützt, wenn bevölkerungsreiche Länder des globalen Südens geschützt sind, betont der Epidemiologe Gerald Gartlehner. Es bestehe die Gefahr, dass dort weitere Mutationen entstehen.
Mehrere ehemalige Gesundheitsminister und Experten richteten daher am Montag mit der NGO Attac einen Appell an die Regierung. Auch Ex-Gesundheitsministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP), und ihre ehemaligen Amtskollegen Rudolf Anschober (Grüne) und Alois Stöger (SPÖ) fordern in dem Offenen Brief mit weiteren Unterzeichnenden eine vorübergehende Aussetzung der globalen Patentregeln für Covid-Impfstoffe, Arzneimittel und medizinische Ausrüstung für die Dauer der Pandemie.
Dieser sogenannte TRIPS-Waiver solle in der Welthandelsorganisation WTO unterstützt werden. Außerdem müsse die Bundesregierung dazu beitragen die „Blockadehaltung der EU zu beenden“, heißt es in dem Text.
Antrag wird bereits von 105 Ländern unterstützt
In der WTO werde der Antrag Indiens und Südafrikas auf Patentfreigabe mittlerweile von mehr als 105 Ländern inklusive den USA unterstützt, berichtete Iris Frey von Attac Österreich bei einer Pressekonferenz in Wien. „Die EU ist der letzte große Blockierer.“ Mehrere EU-Länder hätten sich positiv zum TRIPS-Waiver geäußert, Österreich aber nicht. Eine Zustimmung der EU-Staaten würde die nötige Dreiviertelmehrheit ermöglichen. Die Entscheidung darüber soll auf der WTO-Ministerkonferenz von 30. November bis 3. Dezember in Genf fallen.
Es müsse dem „permanenten Mythos, dass die Pharmaindustrie so viel Geld ausgibt“, entgegentreten werden. Die Forschung der Pharmaindustrie ist wichtig, aber diese gebe doppelt so viel für PR und Marketing aus wie für Forschung, hielt der Mediziner Gartlehner fest.
mRNA-Technologie könnte auch in ärmeren Ländern produziert werden
Anders als von der Pharmaindustrie behauptet, sind die Covid-Impfstoffe auch „nicht Raketenwissenschaft“, sagte Marcus Bachmann von Ärzte ohne Grenzen. Die mRNA-Technologie sei gut geeignet, „auch in Werken des globalen Südens produziert“ zu werden. „Wie würde sich die österreichische Bundesregierung positionieren, wenn eine Handvoll afrikanischer Länder die Impfstoffpatente innehätte und in Österreich Mangel an Impfstoff wäre?“, fragte Bachmann.
In den rund 50 ärmsten Ländern der Welt liegt die Impfquote erst bei vier Prozent, „das ist ein unhaltbarer Zustand“, betonte Josef Probst, langjähriger Generaldirektor des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.