Das große Interview

Was verstehen Sie von Finanzen, Herr Brunner?

Politik
12.12.2021 19:00

Ein sparsamer Vorarlberger ist neuer Finanzminister. Mit der „Krone“ spricht Magnus Brunner (49) über Hilfsmilliarden und Scheinrechnungen, einen Casino-Besuch mit Folgen und seinen Aufstieg vom Mann im Schatten der Umweltministerin zur Nummer eins des Budgets.

Das barocke Palais Questenberg-Kaunitz in der Johannesgasse 5 hat wieder einmal einen neuen Hausherrn. Magnus Brunner ist der zehnte Finanzminister in 20 Jahren, und nach Hans Jörg Schelling der zweite Vorarlberger. Deshalb „schwätzt ma a klä Dialekt“, bevor das Interview losgeht. Mit seinen barocken Fresken an der Decke strahlt sein Büro - das kleinste aller Ministerbüros - beinahe etwas Klösterliches aus. Auf dem Sternparkett neben dem goldgerahmten Spiegel stehen noch Umzugskisten voller Bücher.

„Mir fehlt auch noch moderne Kunst an den Wänden“, sagt Brunner und lässt seinen Blick durch den kahlen Raum schweifen, „ich bin nicht so der puristische Typ.“ Die Bilder will er von der Artothek des Bundes leasen. Der neue Hüter des Budgets trägt einen dunklen Anzug mit weißem Stecktuch und eine rote Krawatte zum weißen Hemd.

„Krone“: Sind Sie beim Anruf von Karl Nehammer aus allen Wolken gefallen oder haben Sie es schon läuten gehört, dass Sie Finanzminister werden könnten?
Magnus Brunner: Mein Gott, spekuliert wurde viel, aber ich gebe nicht viel auf Spekulationen. Ich hatte an dem Nachmittag Besprechungen zum Thema „Luftfahrt und Energie“ und ganz andere Dinge im Kopf. Deshalb war ich schon sehr, sehr überrascht. Ich habe um etwas Bedenkzeit gebeten, weil ich so etwas natürlich mit meiner Frau abstimmen muss. Finanzminister ist ja doch etwas anderes als Staatssekretär.

Wie hat Ihre Frau reagiert?
Sie hat sich für mich gefreut und stärkt mir den Rücken. Wir haben ja die letzten Jahre schon ein sehr flexibles Leben geführt, und deshalb ist ihr auch klar, was das für die Familie bedeutet.

Sie hätten auch Wirtschaftslandesrat in Vorarlberg oder Bregenzer Bürgermeister werden können. Wäre ihr das nicht lieber gewesen?
Nein, das glaube ich nicht. Sie weiß, welche Megaaufgabe ein Ministeramt ist, und unterstützt es total.

Der Innenminister hat im „Krone“ Interview betont, dass er jeden Abend nach Niederösterreich zurückfahren will. Ihre Familie wohnt 690 Kilometer entfernt, wie werden Sie das machen?
Ich muss ehrlich sagen, dass das eine große Herausforderung wird. Ich habe mich bereits mit meiner Frau beraten, wie wir das organisieren können, unser Jüngster ist ja erst sieben. Wir entscheiden das in den nächsten Wochen. So lange werden wir uns wohl noch weniger sehen.

Fahren Sie mit dem Zug oder darf jemand, der im Klimaministerium gearbeitet hat, auch fliegen?
Ich fahre gern mit dem Zug, aber natürlich „darf“ ich auch fliegen. Das ist ja nichts Böses. Nachhaltigkeit und Fliegen schließt sich nicht aus. Das Ziel muss sein, Fliegen mit alternativen Kraftstoffen langfristig ökologischer zu machen.

Apropos Nachhaltigkeit: Sie waren viele Jahre in einem Ökostrom-Unternehmen tätig, bevor Sie zu Leonore Gewessler kamen, und können auch sonst eine beeindruckende Karriere vorweisen. Aber was verstehen Sie von Finanzen?
Das Entscheidende ist ein volkswirtschaftliches Verständnis. Wirtschafts- und Finanzpolitik habe ich von der Pike auf gelernt: Im Wirtschaftsbund, bei Landeshauptmann Herbert Sausgruber, der der Inbegriff eines sparsamen Vorarlberger Finanzpolitikers war. Von ihm habe ich damals schon sehr, sehr viel gelernt. Neben Jus habe ich auch noch Betriebswirtschaft an der Fernuniversität Hagen studiert. Ich war auch über zehn Jahre Vorstand einer Aktiengesellschaft mit einer Milliarde Umsatz und konnte als Bundesrat politische Erfahrung sammeln. Vielleicht nützt mir auch die Vorarlberger Tugend des „Schaffe, schaffe, Hüsle baua“ etwas. - Lacht und zitiert auch die Fortsetzung des Spruchs im Dialekt. Der Vorarlberger verkauft sogar seine Katze und fängt die Mäuse selber. - Nein, Spaß beiseite. Wir Vorarlberger haben schon den Ruf, dass wir aufs Geld besonders gut aufpassen.

Werden Sie ein sparsamer Finanzminister sein?
Auf jeden Fall. Das habe ich auch bei meinem ersten Besuch, zwei Stunden nach der Angelobung, beim Ecofin in Brüssel klargemacht. Die Pandemie ist natürlich eine spezielle Situation. Aber wir müssen möglichst bald wieder zu einer nachhaltigen Budget- und Finanzpolitik zurückkehren.

Das barocke Palais Questenberg-Kaunitz in der Johannesgasse 5 hat wieder einmal einen neuen Hausherrn. (Bild: Tomschi Peter)
Das barocke Palais Questenberg-Kaunitz in der Johannesgasse 5 hat wieder einmal einen neuen Hausherrn.

In diesem zweitwichtigsten Regierungsamt gibt es einen enormen Verschleiß an Ministern. Ist vielleicht der Kopf gar nicht so wichtig wie die Beamtenschaft dahinter?
Beides ist wichtig. Der Kopf gibt die Politik vor und vertritt sie nach außen. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen hier im Haus - die Beamtenschaft, aber auch das Kabinett - sind allesamt Experten. Da gibt es ein unglaubliches Know-how. 

Wird Ihnen auch Skepsis entgegengebracht?
Im Gegenteil. Die ersten drei Tage waren voller positiver Begegnungen, mir wird sehr viel Wertschätzung entgegengebracht.

Welche drei Eigenschaften werden Ihnen helfen, ein guter Kopf zu sein?
Teamfähigkeit, Sachlichkeit und Menschlichkeit.

Sie werden als extrem umgänglich und grundfreundlich beschrieben. Woran merkt man, dass Sie sauer sind?
Wer mich gut kennt, merkt es daran, dass ich wortkarg werde. Es heißt ja, die Vorarlberger sparen sogar bei den Worten. Ich versuche aber, auch wenn ich mich ärgere, mich zusammenzureißen und meinem Gegenüber eine Wertschätzung entgegenzubringen.

Steuerreform und Budget hat Ihr Vorgänger ja noch erledigt. Es steht also im Moment nichts Großes an. Gibt Ihnen das eine kleine Verschnaufpause?
Das Budget ist beschlossen, aber jetzt müssen wir die ökosoziale Steuerreform auf den Boden bringen. Wir haben die ökologischen Aspekte umgesetzt, führen die Wirtschaftshilfen weiter und wollen mittelfristig wieder zu einer nachhaltigen Finanz- und Budgetpolitik zurückkehren. Die Schulden waren jetzt aber notwendig, um Arbeitsplätze zu retten und der Wirtschaft die Chance zu geben, sich zu erholen. Verschnaufpausen gibt es in diesem Job sicher keine.

„,Koste es, was es wolle‘: Meine Ausdrucksform ist das nicht. Ich hoffe, dass wir die Wirtschaftshilfen bald zurückfahren können.“ (Bild: Tomschi Peter)
„,Koste es, was es wolle‘: Meine Ausdrucksform ist das nicht. Ich hoffe, dass wir die Wirtschaftshilfen bald zurückfahren können.“

Wir befinden uns noch mitten in der Pandemie, in der Milliarden an Hilfsgeldern ausgeschüttet worden sind. Der Staatsbürger fragt sich, wo dieses Geld herkommt und wie man es zurückzahlen kann?
Wir haben in der Vergangenheit gut gewirtschaftet, unsere Kreditwürdigkeit ist auch auf internationaler Ebene gegeben, deshalb geht sich das alles aus. Die Prognosen der meisten Wirtschaftsforscher sehen Österreichs Wirtschaftswachstum 2020 und 2021 über Deutschland oder der Schweiz und über dem EU-Schnitt. Aber selbstverständlich muss man das zurückzahlen, deshalb ist es ja so wichtig, dass man sorgsam mit dem Steuergeld umgeht und ganz genau schaut, wo Wirtschaftshilfen nötig sind, dass man kontrolliert und dass alles transparent vonstatten geht.

Pendler zwischen Ost und West

Geboren am 6.5.1972 in Höchst (Vorarlberg), die Eltern sind Buchhändler, Brunner hat zwei ältere Schwestern. Nach der Matura am Collegium Bernardi im Kloster Mehrerau studiert er Jus in Innsbruck und absolviert ein Post Graduate Studium am King’s College London. Seine Karriere startet er als Trainee bei der Industriellenvereinigung, danach ist er Wahlkampf-, Büroleiter und Pressesprecher des früheren Vorarlberger Landeshauptmanns Herbert Sausgruber. 2002 wird er politischer Direktor des Wirtschaftsbundes, dann wechselt er zu den Illwerken und wird Vorstand der OeMAG Abwicklungsstelle für Ökostrom. Ab 2018 ist er auch Vizepräsident des Bundesrates. 2020 wird Brunner Staatssekretär im Umweltministerium und Präsident des Österreichischen Tennisverbandes. Seine Hobbys sind Tennis, Fußball und Lesen. Brunner pendelt zwischen Wien und Bregenz, wo seine Frau Eva (Projektleiterin im Kinder- und Jugendbereich) und die drei Söhne (Lorenz und Lukas sind 14, Louis sieben Jahre alt) leben.


Ihr Vorgänger hat den Ausspruch geprägt: „Koste es, was es wolle.“ Kommt das auch aus dem Mund eines sparsamen Vorarlbergers?
Das ist nicht meine Ausdrucksform. Wir werden das zur Verfügung stellen, was die Unternehmen in dieser Ausnahmesituation brauchen.  Aber ich hoffe, dass wir die Wirtschaftshilfen bald zurückfahren können.

Bundeskanzler Nehammer hat angekündigt, Finanzhilfen von Unternehmen, die sich nicht an die Maßnahmen halten, zurückzuverlangen. Wird strenger kontrolliert?
Ich unterstütze das zu tausend Prozent. Und ja, es wird in Zukunft sicher noch strenger kontrolliert.

In der Ära Kurz wurde vieles im Bundeskanzleramt entschieden. Blümel war der engste Vertraute des ehemaligen Kanzlers. Wer wird ab jetzt das wirtschaftliche und finanzpolitische Mastermind sein?
Wir sind ein gutes Regierungsteamt mit Karl Nehammer als Bundeskanzler, und ich werde hier im Finanzministerium eine nicht unwesentliche Rolle spielen.

Als Mastermind?
Als Mastermind würde ich mich nicht benennen wollen. Ich werde an meiner Arbeit gemessen werden. 

Wie haben Sie die Vorwürfe rund um Scheinrechnungen und frisierte Umfragen wahrgenommen, die angeblich über das Finanzministerium gelaufen sein sollen?
Als Beobachter. In meiner neuen Funktion als Finanzminister werde ich mir die Dinge ganz genau anschauen. Es laufen interne Revisionen und wir werden deren Ergebnisse umsetzen. In Zukunft muss es sicher noch mehr Transparenz geben, damit solche Dinge, wenn sie passiert sind - was ich nicht weiß - nicht mehr passieren können. 

Sie sind von der Nummer zwei oder vom Mann im Schatten der Umweltministerin zur Nummer eins des Budgets aufgestiegen. Wie fühlt sich dieser Rollenwechsel an? 
Das ist jetzt eine andere Rolle, das ist überhaupt keine Frage. Es ist eine riesige Herausforderung, viel mehr Verantwortung, auch Gestaltungsspielraum. Diese Herausforderung nehme ich gerne an.

Finanzminister Magnus Brunner zu seinem CO2-Fußabdruck: „Ich fahre gern mit dem Zug, aber natürlich ,darf‘ ich auch fliegen. Das ist ja nichts Böses. Nachhaltigkeit und Fliegen schließt sich nicht aus.“ (Bild: Tomschi Peter)
Finanzminister Magnus Brunner zu seinem CO2-Fußabdruck: „Ich fahre gern mit dem Zug, aber natürlich ,darf‘ ich auch fliegen. Das ist ja nichts Böses. Nachhaltigkeit und Fliegen schließt sich nicht aus.“

Aber Sie sind gerne die Nummer eins?
Es ist immer schöner, selbst gestalten zu können. Deshalb ist meine Antwort: Ja, natürlich bin ich lieber die Nummer eins im Ressort.

Auf wen werden Sie hören? 
Mein gesamtes Umfeld ist extrem kompetent. Es ist immer eine persönliche Geschichte, mit wem man enger zusammenarbeitet, auf wen man mehr hört, das kommt auch auf die Themen an. Ich bin erst dabei, mir ein Bild zu machen, mir einen Überblick zu verschaffen.

Sie sind auch ein eleganter und sehr guter Tennisspieler und wurden in einem eher konfliktreichen Tennisverband zum Präsidenten gewählt. Was lernt man beim Tennis für die Politik?
Auf dem Platz geht es um Technik und mentale Stärke. Im Verband geht es darum, die Kräfte zu bündeln. All das ist auch in der Politik wichtig.

Im Tennis heißt es „Spiel, Satz, Sieg“. Ab wann wäre Ihr neuer Job ein Sieg für Sie?
Da gibt es unterschiedliche Zeithorizonte. Die Umsetzung der ökosozialen Steuerreform wäre zumindest ein Satzgewinn. Insgesamt ist es ein langer Prozess. In der Politik wird man nie sagen können: „Jetzt ist das Match gelaufen.“

Könnte ein Ziel sein, auch nach den nächsten Wahlen noch Finanzminister zu sein?
Das ist in der Politik nicht vorhersehbar. Ich gehe davon aus, dass wir diese Legislaturperiode bis zum Ende arbeiten werden, alles Weitere ist Spekulation - und ich gebe nicht viel auf Spekulationen.

Womit hat der neue Finanzminister sein erstes Geld verdient?
In der Buchhandlung meiner Eltern. Da habe ich jeden Sommer in den Ferien mitgearbeitet.

„Natürlich bin ich lieber die Nummer eins im Ressort“, sagt Ex-Staatssekretär Magnus Brunner. (Bild: Tomschi Peter)
„Natürlich bin ich lieber die Nummer eins im Ressort“, sagt Ex-Staatssekretär Magnus Brunner.

Was war das Teuerste, was Sie je in Ihrem Leben gekauft haben?
Mein Haus. Dafür habe ich auch Schulden gemacht, die ich brav abzahle.

Waren Sie je im Casino?
Als Student, ja.

Verloren oder gewonnen?
Ich bin mit plus/minus null ausgestiegen. Mir wurde damals bewusst, dass ich kein Spieler bin. Ich bin dafür wahrscheinlich zu feige. - Lacht. - Deshalb war es auch mein erster und letzter Besuch.

Wie sind Sie eigentlich zum Vornamen „Magnus“ gekommen?
Meine Eltern waren große Bewunderer des Heiligen Magnus, Bischof des Schweizer Kantons St. Gallen. Als Kind haben mich meine Schwestern „Mac“ genannt. - Lacht.

An der Wand drüben hängt ein silbernes Kreuz. Werden Sie also Ihrem bischöflichen Namen gerecht?
Ich bin jedenfalls religiös, auch Kirchgänger. Nicht jede Woche, aber immer wieder, ich besuche auch mit meinen drei Söhnen gerne Messen. Das Kreuz gehört Gernot Blümel, aber es könnte gut sein, dass ich auch eines aufhängen werde.

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