Am Sonntag warb Linzer Stadtchef Luger noch für friedlichen Übergang. Warum wurde Birgit Gerstorfer jetzt so plötzlich und brutal abserviert? Weshalb kam nicht schon rechtzeitig vor der Landtagswahl ein Wechsel? Fragen über Fragen wirft das Erdbeben in Oberösterreichs Sozialdemokratie auf.
Was ist da eigentlich passiert zu Wochenbeginn in der Landes-SPÖ? Warum wurde Parteichefin Birgit Gerstorfer so plötzlich und brutal aus dem Verkehr gezogen? Man konnte die Nachtigall schon am Sonntag trapsen hören, als der Linzer SPÖ-Stadtchef Klaus Luger in einem Interview vom „besorgniserregenden Zustand“ der Landes-SPÖ sprach, die „nicht mehr in der Mitte der Gesellschaft“ sei. Linz und Leonding (wo mit Sabine Naderer-Jelinek eine starke SPÖ-Bürgermeisterin regiert) stellte Luger als Gegenmodelle dar, in denen sich die Partei mit der Bevölkerung mitentwickelt habe: „Wir sind dort attraktiver und offener“.
Eigentlich war milder Übergang geplant
Gerstorfer wollte bei der nächsten Wahl 2027 eh nicht mehr als SPÖ-Spitzenkandidatin antreten. Am Sonntag sagte Luger (im ein paar Tage davor geführten Interview) noch, man müsse für „einen menschlich korrekten, guten Übergang im Parteivorsitz“ sorgen. Er sprach auch davon, dass Gerstorfer beim Herbstparteitag noch einmal kandieren wolle (also für bis zu zwei weitere Jahre an der Spitze): „Dem wird die Partei entsprechen.“ Da hingen aber die berüchtigten Impfplakate mit den weinenden Kindern teils schon.
Das Fass, das kurz vor dem Platzen stand, lief über
Und diese Plakate waren, man muss das Sprichwort heranziehen, tatsächlich der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Ab Kenntnis von dieser Impfkampagne mittels Kindertränen war wesentlichen Akteuren klar: Die Ära Gerstorfer ist vorbei. Wobei das Fass sowieso schon seit längerem vor dem Platzen war. Beginnend mit der Kür von „Außendienstler“ Georg Brockmeyer als Landesgeschäftsführer im Juni 2019 übers triste Wahlergebnis bei der Landtagswahl 2021 zur Nachwahlanalyse durch externe Beobachter, die Gerstorfers Performance als Spitzenkandidatin nachträglich kritisierten und mächtige Gewerkschafter mit Distanzierungsvorschlägen verärgerten. In Wahrheit hätte die SPÖ schon 2019, rechtzeitig vor der Wahl, die Notbremse ziehen sollen – doch damals hockten noch alle in den Büschen und Michael Lindner, der jetzt mit einstimmigem Rückhalt im Präsidium der neue Chef wird, war ein „frischgfangter“ Abgeordneter im Landtag.
Nun hat der erst knapp 39-Jährige Mühlviertler seinen „Slot“ erkannt und zugegriffen. Mal sehen, was er mit neuem Besen auf die Plakatwände zaubern wird, die gerade den schmachvollen Kehraus von Gerstorfer und Brockmeyer letztausgelöst haben, siehe Karikatur.
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