Aus Wien kommt weiterhin nur äußerst wenig Verständnis für das Pandemiemanagement der Bundesregierung. Nachdem sich am Mittwoch schon Bürgermeister Michael Ludwig skeptisch gezeigt hatte, teilte nun auch Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (beide SPÖ) aus. Nachdem die Impflotterie gescheitert sei, setze man offenbar auf eine „Infektionslotterie“, ging er mit der Entscheidung für massive Lockerungen hart ins Gericht.
Der Dissens zwischen der Bundesregierung und der Experten beim Öffnungsgipfel sei „bemerkenswert“ gewesen, so Hacker im Rahmen einer Pressekonferenz. „Wenn ich mir die Wortmeldung von Frau Köstinger anhöre, frage ich mich, in welcher Sitzung sie gestern war. Aber sie hat sich immer schon als Supervirologin präsentiert“, reagierte er zudem sehr scharf auf eine Aussage der Tourismusministerin, dass sich die Stadt Wien nach „Expertenmeinungen“ richten solle.
Schon der letzte Sommer sei „gar nicht super“ gewesen, richtete er zudem Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) aus: „Wir haben nur so getan, als wäre alles super. Dass wir nichts gelernt haben, verblüfft mich so sehr, dass ich gar nicht wirklich weiß, wie ich das kommentieren soll - das passiert nicht oft“, so Hacker.
„Schauen, was passiert“, reicht nicht
„Im Moment fahren wir auf einem Kurs, dass wir bei Höchstgeschwindigkeit die Tür aufmachen und aussteigen - und schauen, was passiert“, fasst der Gesundheitsstadtrat seine Sicht der Dinge zusammen. Das Land befinde sich nach wie vor mit über 30.000 Infektionsfällen pro Tag in einem Infektionsgeschehen - die Corona-Ampel leuchte schließlich immer noch „tiefrot“.
Aktuell hätten wir eine Variante vor uns, die etwa auch in Dänemark mit einer deutlich höheren Impfquote zu einer Verdoppelung der Infektionszahlen geführt habe. „Es kann kein Mensch ausschließen, dass nicht vor dem Sommer noch eine weitere Variante kommt“, so der Stadtrat. Die Stadt werde daher in der Gastronomie bei der 2G-Regelung bleiben - auch viele Vertreter der Nachtgastronomie hätten sich für eine solche Regelung ausgesprochen. „Wie es dann mit den weiteren Lockerungen weitergeht, werden wir schauen.“
Spitalsbehandlung „kein Kuraufenthalt“
Der Kurs der Bundesregierung erstaune daher doch sehr - auch andere Bundesländer hätten angekündigt, mit den eigenen Experten die Maßnahmen noch einmal prüfen zu wollen. Am Mittwoch seien nach den Semesterferien auch erst die ersten Schultests im Osten wieder eingelangt - in der kommenden Woche kämen dann auch noch jene der restlichen Bundesländer dazu, sieht er noch keinen Grund zur Entwarnung.
Über 600 Patienten würden darüber hinaus aktuell mit einer Erkrankung im Spital behandelt - „das ist ja kein Kuraufenthalt“, erinnert Hacker an schwerste Schäden in den Organen infolge einer Infektion - „von Long Covid nicht zu sprechen.“
„Irgendwo muss extrem zu viel bezahlt werden“
Auch, dass die kostenlosen Corona-Testungen vor dem Aus stehen dürften, stieß dem Wiener Gesundheitsstadtrat sauer auf. In Wien koste eine Testung aktuell sechs Euro - er sehe aber, dass zahlreiche Tests im Land deutlich teurer sein, weshalb er verstehen könne, dass der Gesundheitsminister die Aktion beenden will. „Es muss irgendwo in diesem Land extrem zu viel bezahlt werden“, ortet er massive Versäumnisse.
„Da geht die Stadt sicher nicht mit“
Dass aber daraus das Ende des gratis Angebots folgen solle, sei die Folge einer neoliberalen Gesundheitspolitik - das habe mit einer sozialen Gesundheitspolitik jedoch nichts mehr zu tun. Es drohe nun sogar, wieder in die Startzeit der Pandemie zurückzufallen: „Das halte ich für mehr als merkwürdig und ehrlich gesagt sehr enttäuschend.“ Das sei nicht seine Politik, „da geht die Stadt sicher nicht mit.“
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