Gleich zum Auftakt des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses hat am Mittwoch niemand Geringerer als Karl Nehammer auf der Befragungsbank Platz genommen. Der nunmehrige Bundeskanzler war im Untersuchungszeitraum zunächst ÖVP-Generalsekretär, danach Innenminister. Vor seiner Befragung appellierte er an die anderen Parteien für einen respektvolleren Umgang, im Ausschuss selbst beteuerte er, dass es ihm wichtig ist, „hier zu sein“, sowie: „Ich war in das Projekt Ballhausplatz nicht involviert.“ Die Befragung Nehammers war geprägt von zahlreichen Diskussionen um die Geschäftsordnung.
„Was wissen Sie über das Projekt Ballhausplatz?“, wollte Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl von Nehammer wissen. „Das, was den Medien zu entnehmen ist“, so die spärliche Antwort. In das Projekt Ballhausplatz, mit dem Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz an die Macht kam, sei er nicht involviert gewesen. Think Austria, die Denkfabrik im Kanzleramt unter Kurz, kenne er, er habe sie auch erst vor Kurzem aufgelöst.
Auch über die Chat-Affäre, bei der mutmaßlich mit Steuergeld aus dem Finanzministerium Inserate für die ÖVP bezahlt worden sein sollen, habe Nehammer nur „über die Medien erfahren“. Ebenso vom mutmaßlichen Steuernachlass für den Großinvestor Siegfried Wolf nach Intervention von ÖVP-Kabinettsmitarbeitern. „Ich habe das aus den Medien erfahren, an das Datum kann ich mich nicht erinnern.“
Kein Einfluss auf Auswahl von Personalkommissionen
Zu den Vorwürfen gegen die ÖVP bezüglich diverser Personalentscheidungen sagte Nehammer, dass diese zur Politik dazugehörten. Wenn dabei Fehler gemacht wurden, egal von welcher Partei, müsse das aufgeklärt werden. Nehammer habe keinen Einfluss auf die Auswahl von Personalkommissionen genommen. Die Kommissionen würden unabhängig und weisungsfrei entscheiden.
Zahlreiche Unterbrechungen wegen Geschäftsordnung
Immer wieder wurde während der Befragung auch die Geschäftsordnung diskutiert, was zu entsprechenden Unterbrechungen führte. Die ÖVP führte wiederholt ins Treffen, dass Parteien per se nicht Gegenstand des Ausschusses sein können. Es könne nur um Handeln von Organen des Bundes und nicht von Parteien gehen, argumentierte etwa der ÖVP-Abgeordnete Christian Stocker. Bei der Organisation oder der Struktur von Parteien gehe es aber nicht um Verwaltungshandeln.
Den Diskussionen vorangegangen waren Fragen von SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer, ob Nehammer von der Beauftragung von Umfragen der Partei gewusst habe bzw. involviert gewesen sei. Diese Versuche wurden aber vehement von Abgeordneten der ÖVP als nicht vom Untersuchungsgegenstand umfasst bekämpft. Der Verfahrensrichter betonte dabei ebenfalls, dass „Parteien grundsätzlich nicht Thema des Ausschusses sind“, sondern die Beziehung zum Regierungshandeln hergestellt werden müsse.
Appell zur Mäßigung des Tons
Nehammer plädierte in seinem Eingangsstatement außerdem mit Blick auf den „Krieg in Europa“ und die „außergewöhnlichen Zeiten“ für eine Mäßigung im Ton. „Ich wünsche mir, dass wir mehr auf unsere Worte achten“, so der Kanzler, der von den vergangenen Tagen „zutiefst bewegt“ sei. Der ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger zollte Nehammer Respekt, dass er trotz der angespannten Sicherheitslage in den U-Ausschuss gekommen sei.
Technische Probleme mit der Tonanlage
Der Start des U-Ausschusses verzögerte sich um gut eine halbe Stunde, weil der Ausschussvorsitzende, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), die Tonanlage umstellen ließ. Sie war so eingestellt, dass die Abgeordneten ihre Mikrofone nicht selbst ein- und ausschalten konnten. Nach Kritik aus allen Fraktionen außer der ÖVP wurde die Tonanlage wieder so programmiert wie bisher.
Der von SPÖ, FPÖ und NEOS eingesetzte U-Ausschuss hat „das Gewähren von Vorteilen an mit der ÖVP verbundene natürliche und juristische Personen durch Organe des Bundes im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 11. Oktober 2021“ zum Untersuchungsgegenstand. Zum Teil gibt es dabei thematische Überschneidungen zum im Herbst abgeschlossenen Ibiza-U-Ausschuss. Andererseits sind aber auch neue Vorwürfe wie die Chat-Affäre rund um Kurz inkludiert. Die Fraktionsführer im U-Ausschuss sind Stefanie Krisper (NEOS), Jan Krainer (SPÖ), Christian Hafenecker (FPÖ), Nina Tomaselli (Grüne) und Andreas Hanger (ÖVP).
Am Donnerstag folgen Eduard Müller und Peter Pilz
Im Anschluss an Nehammer soll am Mittwoch ÖVP-Spender und C-Quadrat-CEO Alexander Schütz befragt werden. Am Donnerstag sind dann Ex-Finanzminister Eduard Müller und danach der ehemalige Politiker und nunmehrige Betreiber des Onlinemagazins „zackzack.at“, Peter Pilz, geladen. Pilz‘ Medium zitiert seit geraumer Zeit aus Chats des ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, die in der Befragung wohl nicht zu kurz kommen werden.
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