Nur 1760 Kilometer liegen zwischen einem Studenten in Graz und seiner Familie im ukrainischen Tschernihiv. Doch es liegt eine Welt zwischen Bombenhagel und Freiheit. Oleh Hlazkov erzählt von dem Grauen, dem seine Familie nun ausgesetzt ist.
„Mein Bruder ist Bauingenieur, müssen Sie wissen. Er und sein Team kontrollierten die Qualität der Straßen in der Ukraine, in seinem ganzen Leben hat er noch keine Waffe in der Hand gehabt. Und jetzt bewacht er seine Familie im Keller und muss zu den Straßenkämpfen, wenn der Befehl dazu erfolgt! Das ist alles so surreal, einfach nicht zu fassen."
Völlig entsetzt und aufgelöst ist Oleh Hlazkov, der seit 14 Jahren in der Steiermark lebt. So verzweifelt, „dass mich oft meine Mutter beruhigen muss, die drüben mit meinem Papa, den Brüdern, deren Frauen und vier Kindern im Keller sitzt“.
Kinder haben geschrien, geweint
Nur einmal am Tag schleicht sich die Seniorin hinauf in die Wohnung, um sich frisch zu machen, etwas für die Leute zu kochen, „mittlerweile wechseln sich Warnung und Entwarnung so schnell ab, dass es sich gar nicht mehr auszahlt rauszugehen“. Die Kinder - an sie zu denken, bricht ihm das Herz. „Am ersten Tag waren sie gar nicht zu beruhigen, haben geweint und geschrien.“
Jetzt sind sie still und stumm. Das Trauma wird sie ihr Leben lang im Griff haben. „Ich sag ihnen, dass ich sie im Sommer zu mir nach Graz hole, dass sie in der Sonne und ohne Angst im Freien spielen werden. Dieses Bild haben wir alle ganz fest im Kopf. Das lässt uns durchhalten.“
Die Leute sitzen in der Falle, kommen nicht raus, während die Bomben rundum fallen.
Oleh Hlazkov
Lachen auf den Lippen, Angst in den Augen
Inzwischen kann der Wahlgrazer nur hoffen und spenden, solange das Geld dort noch ankommt und Wichtigstes zu kriegen ist. Und an die Familie denken. Gestern früh ist ein Foto gekommen, lächelnd blicken die Schwägerin und ihre Tochter in die Kamera. „Aber man muss nur in ihre Augen schauen und weiß, was da los ist.“ Perfide und sadistisch sei der Angriffsplan: „Zunächst hatte es geheißen, Zivilisten würden verschont; daher sind viele gar nicht geflohen. Und jetzt, wo sogar Schulen und Kindergärten bombardiert werden, sind die Ausfahrtsstraßen von Tschernihiv vermint! Die Leute sitzen in der Falle, kommen nicht raus, während die Bomben rundum fallen.“ „Red noch ein bisschen mit mir - dann höre ich die Explosionen nicht“, sagte sein Bruder jüngst zu Oleh. Es bricht einem das Herz."
Die Leute stehen für ihr Heimatland auf
„Nachts klettern die Brüder auf das Dach, um es zu kontrollieren: “Schläfer", die sich schon vor Monaten in der Ukraine eingeschleust haben, machen Kreuze auf Häuser, um zu markieren, wo besonders viele Opfer zu erwarten wären. Die Brüder übermalen, was geht.
Alles surreal, total unwirklich, vor Wochen noch unvorstellbar. “Aber die Leute haben den unbändigen Willen, für ihr Land und ihre Freiheit einzustehen!"
Wir sehen uns im Sommer. In Graz. In Freiheit und ohne Angst.
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