Russischer Beschuss
Atomkraftwerk bei Gefechten in Ukraine getroffen
Im größten Atomkraftwerk Europas, im ukrainischen AKW Saporischschja, ist es in der Nacht auf Freitag durch russischen Beschuss zu einem Brand gekommen. Dabei sei ein „Block“ des Kraftwerks getroffen worden, sagte ein Sprecher der Anlage in einem Video im Internetdienst Telegram. Unklar ist, ob damit ein Reaktorblock gemeint war. Die Ukrainische Staatssicherheit und die AKW-Leitung berichteten von einem Brand in einem Schulungsgebäude. Nach Angaben des Klimaschutzministeriums besteht derzeit keine Gefahr für Österreich.
Die Strahlungssicherheit des Kernkraftwerks sei gewährleistet, berichtet der ukrainische TV-Sender Ukraine 24 unter Berufung auf den Direktor der Anlage. Der Leiter des AKW habe erklärt, dass Feuerwehrleute den Brand inzwischen erreicht hätten, schrieb der Chef der regionalen Militärverwaltung, Oleksander Staruch, auf Facebook.
Keine erhöhte Radioaktivität gemessen
Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erklärte, nach Angaben der ukrainischen Nuklearaufsicht sei in der Umgebung der Anlage keine erhöhte Radioaktivität gemessen worden. Die Behörde forderte ein Ende jeglicher Kampfhandlungen rund um das Atomkraftwerk und warnte vor „ernster Gefahr“, sollten Reaktoren getroffen werden. IAEA-Chef Rafael Grossi habe darüber mit dem ukrainischen Premier Denis Schmyhal gesprochen. Grossi habe appelliert, die Kämpfe einzustellen.
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba forderte ein umgehendes Ende des Beschusses. „Die Russen müssen SOFORT das Feuer einstellen, die Feuerwehr passieren lassen, eine Sicherheitszone einrichten“, betonte er in der Nacht auf Freitag auf Twitter. „Falls es explodiert, wird es zehnmal größer sein als Tschernobyl!“, warnte Kuleba. Auch der Bürgermeister der nahe gelegenen Stadt Enerhodar, Dmytro Orlow, forderte in einem Telegram-Video die russischen Kräfte auf, den Beschuss zu stoppen.
Zweites Tschernobyl unwahrscheinlich
Nuklearexperten hielten in ersten Einschätzungen allerdings eine Explosion wie im Atomkraftwerk Tschernobyl 1986 für unwahrscheinlich. „Keiner der Reaktoren in Saporischschja dürfte explodieren, wie Tschernobyl es tat. Aber die Russen müssen vom Kraftwerk weg“, schrieb die US-Nuklearwaffenexpertin Cheryl Rofer auf Twitter.
Atomkraftwerk Saporischschja
Die Anlage von Saporischschja ist das größte Atomkraftwerk Europas und verfügt über sechs Reaktoren. Der älteste Reaktor ging 1984 in Betrieb. Am Donnerstag hatte die ukrainische Regierung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA gemeldet, russische Infanteristen befänden sich nahe der Stadt Enerhodar wenige Kilometer vom AKW entfernt. IAEA-Chef Grossi hatte daraufhin einen sofortigen Stopp jeglicher Kampfhandlungen in dem Gebiet gefordert.
„Nehme an, dass alle Reaktoren abgeschaltet wurden“
Der Nuklearexperte James Acton vom US-Thinktank Carnegie Endowment for International Peace sah in einer ersten Analyse vor allem das Risiko einer Kernschmelze, falls das radioaktive Material nicht weiterhin durchgehend gekühlt wird. „Ich nehme an, dass alle drei Reaktoren (die zuletzt von den sechs Blöcken des Kraftwerkes in Betrieb waren, Anm.) abgeschaltet wurden. In diesem Fall sind alle sechs Reaktoren von Stromversorgung von außen für die Kühlung abhängig“, schrieb der britische Physiker auf Twitter. Ein Feuer könne die Verbindung zum Stromnetz bzw. zu Notstromaggregaten zerstören und dadurch die Kühlung stoppen. In diesem Fall könnte es zu einer Kernschmelze kommen, wie es 2011 im japanischen AKW Fukushima 2 nach einem Tsunami geschah.
Brand laut Behörden bereits wieder gelöscht
Auf den Aufnahmen einer Überwachungskamera auf dem YouTube-Kanal des Kraftwerks stand gegen 2.30 Uhr Ortszeit (1.30 Uhr MEZ) ein Gebäude in Vollbrand. Auch Rauchwolken von anderer Seite waren zu sehen, außerdem immer wieder heftiger Beschuss. Kurz vor 4 Uhr Ortszeit (3 Uhr MEZ) gingen Homepage und YouTube-Kanal des Kraftwerks offline.
Zunächst konnten Feuerwehrleute den Brand wegen der Kämpfe nicht erreichen, berichtete ein Sprecher des Kraftwerks in der Nacht auf Telegram. Später schrieb der Chef der regionalen Militärverwaltung auf Facebook, der Leiter des AKW habe erklärt, dass Feuerwehrleute den Brand inzwischen erreicht hätten - laut Behörden dürfte das Feuer auch bereits wieder gelöscht worden sein.
Ministerium: „Keine Freisetzung radioaktiver Stoffe“
Nach Angaben des Klimaschutzministeriums besteht keine Gefahr für Österreich durch den durch russischen Beschuss ausgelösten Brand. Man habe „keine Meldungen über Schäden in wesentlichen Anlageteilen“ erhalten. Es gebe „keine Freisetzung radioaktiver Stoffe und damit auch keine Auswirkungen außerhalb der Anlage“, hieß es in einer Mitteilung in der Nacht auf Freitag.
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