Eine Debatte über Österreichs Neutralität mag wahrlich keinerlei Neuigkeitswert haben – der Tonfall jener Aussage, die sie nun ausgelöst hat, allerdings sehr wohl: Das russische Außenministerium attackierte Österreich am Wochenende heftig. „Einseitige und empörende Aussagen“ sowie „antirussische Rhetorik“ des Kanzlers ließen an Österreichs Neutralität zweifeln, richtete Moskau aus.
Die österreichische Antwort, gegeben durch Kanzler Karl Nehammer und Außenminister Alexander Schallenberg (beide ÖVP): Man werde „niemals schweigen, wenn die Unabhängigkeit eines Staates angegriffen wird“. Nehammer nannte die Neutralität zuvor zwar „aufgezwungen“, sprach sich aber keineswegs dagegen aus.
Im Gegensatz zu einem prominenten Altvorderen seiner Partei: Andreas Khol, früherer Nationalratspräsident, schrieb in einem Beitrag für die „Kleine Zeitung“, dass Österreich entweder der NATO oder einer EU-Armee beitreten müsse. „Ein neutraler oder bündnisloser Staat bleibt allein, wenn er angegriffen wird“, schlussfolgert der frühere ÖVP-Politiker.
Breite Front gegen die Abschaffung
Die SPÖ kritisiert dies scharf: „Die Beteuerungen Nehammers wirken unglaubwürdig angesichts dieser Aussage Khols für das Ende der Neutralität“, sagte etwa der rote Vizeklubchef Jörg Leichtfried, er forderte eine „Klarstellung der ÖVP“. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nannte die Neutralität unterdes einen „Eckpfeiler österreichischer Außenpolitik“.
Die Neutralität stärkt als Eckpfeiler der österreichischen Außenpolitik unsere Sicherheit.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner
Gegen die Abschaffung sprachen sich auch die Blauen und Bundespräsident Alexander Van der Bellen aus – und vertreten damit die Mehrheitsmeinung: Laut einer aktuellen Studie von Unique Research halten 80 Prozent die Neutralität für zeitgemäß, Tendenz steigend.
Bei den NEOS sieht man unterdessen Handlungsbedarf. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger hatte zuletzt auf eine gemeinsame europäische Sicherheitspolitik und ein gemeinsames europäisches Berufsheer gedrängt. „Die Frage, ob das möglich ist innerhalb der Neutralität, ist eine rechtsdogmatische.“
Karas: Neutralität von EU-Verteidigungspolitik abhängig
Für den EU-Abgeordneten Othmar Karas (ÖVP) steht im Rahmen der Diskussion über die künftige EU-Verteidigungspolitik auch die österreichische Neutralität zur Disposition. „Welche Rolle dabei dann die Neutralität spielt, das wird am Ende der Debatte stehen“, sagte Karas am Sonntagabend im Fernsehsender ORF III. Zugleich machte er klar: „Die Neutralität spielt beim Aufbau einer Verteidigungspolitik der EU keine Rolle.“
Karas verwies mit Blick auf die entsprechenden Diskussionen in den bisher bündnisfreien Staaten Finnland und Schweden darauf, dass möglicherweise bald 25 der 27 EU-Staaten Mitglieder der NATO sein könnten. Zugleich betonte er, dass Österreich nach dem EU-Beitritt seine Verfassung geändert habe, um in Artikel 23j festzuhalten, dass die Neutralität einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU „nicht im Wege steht“. Die russische Kritik an der österreichischen Positionierung im Ukraine-Krieg wertete Karas als „Ablenkungsmanöver“. Österreich liefere keine Waffen, stehe aber auf der Seite der Sanktionen gegen Russland.
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