Mordprozess

Messer-Mord in Algerien wird in Graz verhandelt

Steiermark
07.04.2022 18:00

Ein 25-jähriger Algerier soll in seiner Heimat bei einer Rauferei einen Kontrahenten erstochen haben. Er flüchtete und wurde in der Steiermark aufgegriffen. Weil ihm in Algerien die Todesstrafe droht, sitzt er in Graz in U-Haft und wird nicht ausgeliefert. Er leugnet die Tat.

Ein 16,5 Zentimeter (!) tiefer Messerstich in den Brustkorb bedeutete im Dezember 2019 für einen 22-jährigen Algerier den Tod - der tragische Schlusspunkt einer wilden Rauferei unter rund zehn jungen Männern in Constantine, der drittgrößten Stadt des nordafrikanischen Landes.

Kurioserweise beschäftigt dieser Mord nun mehr als zwei Jahre später ein Geschworenengericht in Graz. Der Angeklagte verließ noch am Tag der Tat das Land, ein internationaler Haftbefehl wurde ausgestellt. Einige Monate später wurde er dann in der Steiermark aufgegriffen. Seither sitzt er in Graz in U-Haft.

Bei Rückführung droht Todesstrafe
Es drängt sich die Frage auf, warum der Tatverdächtige nicht in seine Heimat zurückgebracht wird. Das erklärte Staatsanwältin Gudrun Jakopic am Donnerstag gegenüber den Geschworenen am ersten Prozesstag: Die österreichische Rechtsordnung sehe vor, dass ein Angeklagter nicht ausgewiesen werden darf, wenn ihm in seiner Heimat die Todesstrafe droht. 

Der 25-jährige Angeklagte bestreitet vor Gericht, der Mörder zu sein - gefasst und mit adrettem Auftreten. Ausreisen habe er schon länger wollen, er schien tatsächlich schon ein Visum für die Türkei zu haben, dass dann der Mord und seine Ausreise auf den selben Tag fielen, sei „Schicksal“ gewesen. 

Mühsame Kooperation mit Algerien
Der Angeklagte und sein Cousin, der noch in Algerien sein dürfte, schieben sich die Schuld gegenseitig in die Schuhe. Die verworrenen Ereignisse zu rekonstruieren gestaltet sich äußerst schwierig. Dem Messermord im Zuge einer Schlägerei unter rund zehn Personen dürfte eine lange Fehde zwischen rivalisierenden Gruppen junger Männer vorangegangen sein. Die beiden Cousins standen in der Auseinandersetzung zwar auf derselben Seite, ihr Verhältnis dürfte aber auch von Streitigkeiten geprägt sein. Die Staatsanwaltschaft Graz war bei den Ermittlungen auf Kooperation mit algerischen Behörden angewiesen - und diese sei „sehr mühsam“. 

Beweismittel nicht voll ausgeschöpft
„Dreh und Angelpunkt dieser Verhandlung wird sein, ob der Angeklagte oder sein Cousin dem Opfer die tödlichen Stiche zugefügt haben“, sagte die Staatsanwältin. Die Anklage stützt sich auf Ermittlungsunterlagen aus Algerien - und diese belasten eindeutig den Angeklagten. „Ich glaube mein Cousin belastet mich, weil ich ausgereist bin“, sagt wiederum der Angeklagte. 

Die Tatwaffe, ein Messer der Marke Okapi, wurde von der algerischen Polizei zwar sichergestellt. Eine Analyse hinsichtlich Fingerabdrücken oder DNA-Spuren ist bisher aber nicht nach Österreich durchgedrungen - sofern es sie überhaupt gibt. 

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„Die Qualität der Beweise aus Algerien ist für mich sehr zweifelhaft"

Verteidiger Bernhard Lehofer

„Die Qualität der Beweise aus Algerien ist für mich sehr zweifelhaft, vor allem jener, die noch gar nicht geliefert wurden. Es muss zumindest versucht werden, Zeugen zu laden. Und wenn wir sie nur per Videokonferenz anhören“, sagt Anwalt Bernhard Lehofer, der als Pflichtverteidiger fungiert. Auch eine Analyse der Tatwaffe will der Anwalt aus dem nordafrikanischen Land einfordern lassen. 

Das dürfte angesichts der bescheidenen Kooperationsbereitschaft Algeriens wohl einige weitere Monate in Anspruch nehmen. Der Prozess wurde vertagt.

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