Ungeeignete Maßnahmen

Rechnungshof zerreißt steirische Pflege-Strategie

Steiermark
19.04.2022 16:06

„Nicht ausreichend bis ungeeignet“: Schonungslos fasst der Landesrechnungshof (LRH) die Bemühungen der Politik zur Behebung der chronischen Pflegemisere zusammen. Die Experten um Direktor Heinz Drobesch nehmen sich in ihrem Bericht kein Blatt vor dem Mund. Vor allem der augenscheinliche organisatorische Blindflug der Verantwortlichen löst Fassungslosigkeit aus.

Der 162 Seiten starke Prüfbericht zu den Pflege- und Betreuungsberufen in der Steiermark hat es in sich und sorgt dafür, dass die Osterjause einigen Damen und Herren wohl noch schwerer im Magen liegt, als sie es ohnehin schon tut. Begriffe wie „Bankrotterklärung“ waren da am Landhaus-Gang zu hören - nicht gerade wenige attestieren dem Bericht enorme „Sprengkraft“.

„Wir waren selbst überrascht, dass unser Befund derart drastisch ausgefallen ist“, war Rechnungshof-Direktor Heinz Drobesch, als er Dienstagvormittag die „Krone“ empfing, ehrlich. „Das Wichtigste für einen Bericht ist natürlich eine zuverlässige Datenlage“, fuhr er fort und legte damit noch einmal den Finger in die wohl größte Wunde des steirischen Pflegesystems.

Heinz Drobesch, Direktor des steirischen Landesrechnungshof (Bild: Landesrechnungshof Steiermark)
Heinz Drobesch, Direktor des steirischen Landesrechnungshof

So konnten von der zuständigen Abteilung 8 (Gesundheit und Pflege) keine konkreten Angaben zum derzeitigen Personalstand in den Pflege- und Betreuungsberufen getätigt werden - auch über die Anzahl der Ausbildungsplätze gibt es keine genauen Informationen. Was laut LRH auch daran liegt, dass die Pflegeagenden auf vier Abteilungen mit drei zuständigen Landesrätinnen (Juliane Bogner-Strauß, Barbara Eibinger-Miedl und Doris Kampus) aufgeteilt ist. „Da hätte man schon im Vorhinein sehen können, dass das so nicht funktionieren kann. Wenn man es dennoch versucht, sollte man zumindest einmal miteinander reden“, meint Drobesch trocken.

Studie längst von der Realität überholt
Die Ausrede der herausfordernden demografischen Entwicklung in der Steiermark, lässt er nicht gelten. „Natürlich spielt diese Entwicklung eine außergewöhnliche Rolle. Aber jede Planung muss man auf zuverlässige Daten aufbauen. Und die EPIG-Studie für 2025, auf die sich das Land stützt, wurde von der Realität schon 2020 überholt“, zerreißt Drobesch die Zahlen des Entwicklungs- und Planungsinstitutes für Gesundheit (EPIG) in der Luft.

Alarmierend ist laut Rechnungshof auch der Ausbildungsrückstand bei der Pflegefachassistenz von fast 95 Prozent. „Deshalb braucht es eine Ausbildungsoffensive und generell ein neues Image für Pflegeberufe. Wir brachen ein richtiges Marketing, dass es diese Berufe einfach wert sind, ausgeübt zu werden. Und das Wichtigste ist, dass man die Kräfte bündelt und endlich alles in eine Hand gibt“, urgiert der Direktor.

Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) (Bild: Christian Jauschowetz)
Juliane Bogner-Strauß (ÖVP)

Für die Landtags-Opposition ist so ein Bericht natürlich ein gefundenes Fressen - FPÖ, KPÖ und Neos üben scharfe Kritik. Gesundheitslandesrätin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP), in deren Zuständigkeit die meisten Kritikpunkte fallen, stellt klar, dass man den Bericht genau analysieren werde. „Klar ist aber auch, dass das Land Steiermark bereits 2019 eine breite Ausbildungsoffensive gestartet hat.“ Dazu hat man auch eine weitere EPIG-Studie in Auftrag gegeben - erste Zahlen seien im Sommer zu erwarten. Außerdem spielt sie auch den Ball an den Bund weiter: „Die Bundesländer fordern bereits seit 2018 die Erweiterung der Kompetenzen für die Angehörigen der Pflegeberufe, leider hat der Bund dies bis heute nicht umgesetzt, was die Situation zusätzlich verschärft hat.“

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