Extreme Teuerung

Ökonom: „Inflation wird noch weiter ansteigen“

Steiermark
21.04.2022 13:30

Die Teuerungsrate ist so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr, sie lag im März bei 6,8 Prozent - und dieses Phänomen ist nicht kurzfristig, sondern bleibt uns noch längere Zeit erhalten, prognostiziert Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung. Eine Inflation von mehr als acht Prozent ist wahrscheinlich. Es könnte sogar zweistellig werden.

Zeitenwende: Seit der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz diesen Begriff kurz nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine prägte, ist er in aller Munde. Auch Christian Helmenstein verwendet ihn, wenn er das beschreibt, womit die Wirtschaft derzeit konfrontiert ist: Produktionsengpässe, knappe Güter, enorme Preissteigerungen bei Rohstoffen und ein beginnender dramatischer Arbeitskräftemangel.

Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark (Bild: RLB Steiermark/Peter Riedler)
Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark
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Die Normalität schien zum Greifen nahe, doch seit dem 24. Februar (Beginn des Ukraine-Kriegs, Anm.) leben wir in einer anderen Welt.

Martin Schaller, Generaldirektor der Raiffeisen-Landesbank Steiermark

Krisenzeiten waren früher normaler
Es ist also Krisenzeit. Doch Helmenstein, der auf Einladung der Raiffeisen Landesbank zum „Konjunkturgespräch“ in die Steiermark kam, versucht, diese durch einen geschichtlichen Rückblick einzuordnen: Ein zehnjähriger Aufschwung wie zuletzt sei eine historische Ausnahme. Normalerweise kommen Rezessionen in viel kürzeren Abständen, die Phasen, in denen Wohlstand aufgebaut wird, dauern kürzer.

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Seit 25 Jahren gab es keine Knappheit von Gütern mehr in der Ökonomie. Nun ist sie zurück.

Christian Helmenstein (Industriellenvereinigung)

Angesichts der aktuellen Lage muss Helmenstein derzeit wie alle Ökonomen die Erwartungen zurückschrauben: Ging die IV zu Jahresbeginn noch von einem Wirtschaftswachstum in Österreich von 4,25 Prozent heuer aus, so sind es jetzt nur noch 3,25 Prozent.

Gasembargo hätte dramatische Folgen
Und auch das hält nur, wenn kein Embargo für russisches Gas, von dem Österreich extrem abhängig ist, kommt. In einem solchen Fall würde es laut IV-Prognose heuer gar kein Wirtschaftswachstum in Österreich geben - und 2023 eine starke Rezession mit hoher Arbeitslosigkeit. Die Inflationsrate würde auf über zehn Prozent steigen, Nahrungsmittelpreise würden neue Höchststände erreichen.

Auch ohne dieses Schreckensszenario muss man laut Helmenstein künftig mit noch höheren Inflationsraten als derzeit rechnen. Sieben bis acht Prozent Preissteigerungen seien wahrscheinlich. Wie kann sich Europa rüsten? Der Ökonom plädiert etwa dafür, die Energiewende zu forcieren, um energieunabhängiger zu werden. Die Notenbanken müssten zudem ihre „ultraexpansive Geldpolitik“ sofort stoppen. 

Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Österreich (Bild: RLB Steiermark/Peter Riedler)
Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Österreich

Wie Europa unabhängiger von Asien werden will
Ein Ansatzpunkt ist auch, Produktion wieder stärker nach Europa zurückzuholen. Dafür plädiert Sabine Herlitschka, Vorstandsvorsitzende von Infineon Österreich und zweite Referentin beim Konjunkturgespräch. Ihr Unternehmen ist da Vorreiter, hat es doch - neben dem kontinuierlichen Ausbau von Forschung in Graz - zuletzt die Mikrochip-Produktion in Villach um 1,6 Milliarden Euro erweitert.

Die Europäische Kommission will noch mehr solcher Leuchtturmprojekte und hat ein Mikrochips-Paket über 43 Milliarden Euro geschnürt. Der europäische Anteil an der Produktionskapazität soll so von sechs auf 20 Prozent steigen! Ein Kraftakt, der Jahre dauern wird - und der laut Herlitschka auch eine besonders große Hürde hat: der Fachkräftemangel. Auch in diesem Bereich bedarf es wohl einer Zeitenwende.

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