Einen schönen Mittwochabend.
Die Lobau-Besetzer sind also wieder zurück - ganz in Rot gekleidet, sind sie heute bei der Baustelle Hausfeldstraße eingefallen, um gegen die Stadtstraße zu protestieren. Brav mit Maske im Gesicht. Weniger, weil sie den Wiener Weg von Bürgermeister Michael Ludwig gehen wollen, eher in Anlehnung an die Wärter in der Netflix-Serie „Squid Game“. Ich weiß nicht, ob Sie die gesehen haben, genug Lockdowns und Quarantänegelegenheiten hätte es ja gegeben. Mehr als 400 Hochverschuldete spielen darin um einen Haufen Geld. Das Ziel: Alle scheiden körperlich aus, bis auf einen Verschuldeten, und der bekommt den ganzen Zaster. Weitaus blutrünstiger, dafür auch weniger peinlich für die Protagonisten als „Herr Strache fährt nach Ibiza“ - PULS 4 scheint Teile des Konzepts ja übernommen zu haben.
Bei allem Respekt vor dem Engagement der jungen Leute, nicht alles erschließt sich mir, was wohl an meinem Alter liegt - da protestieren Frauen und Männer in einem Lobau-Camp, das nicht in der Lobau liegt, gegen Stadtstraße und Lobautunnel, der längst abgesagt wurde. Den Höhepunkt lieferte die Hungerstreikende vor der Löwelstraße. Die Aktivistin wollte so lange dort sitzen bleiben, bis Bürgermeister Michael Ludwig endlich mit ihr über Klimaschutz redet. Zum Glück wurde sie rechtzeitig ärztlich behandelt, nur so konnte ein zweites Ötzi-Schicksal verhindert werden, denn Ludwig hat sein Büro bekanntlich nicht in der Löwelstraße, sondern im Wiener Rathaus. Wer sich vor der Votivkirche ankettet, wird auch so schnell den Papst nicht treffen. Wobei ich Ludwig nicht mit dem Pontifex vergleichen möchte - bei Franziskus hätte sie schneller eine Audienz bekommen.
Nun sind Störaktionen vor und während des Landesparteitages der Wiener SPÖ am kommenden Samstag geplant. Das finde ich persönlich nicht so prickelnd, weil mich das beim Dösen während der elend langen Reden stören könnte. Parteitage sind ein Quell unermesslicher Enttäuschung - bis auf jene der Bundes-SPÖ laufen sie alle gleich ab: große Halle, es ist immer zu heiß; die Reden schon x-mal gehört; die Diskussionen drehen sich im Kreis; der Chef oder die Chefin lässt sich wählen; jeder applaudiert pausenlos jedem zu, ein Applausorchester sondergleichen. Oft sitzen wir Journalisten noch an unseren Texten, während ringsum schon abgebaut und das WLAN abgedreht wird. Alles schon passiert.
Vielleicht schmuggeln sich die Stadtstraßengegner in die Messe Wien und kleben sich wieder auf dem Boden fest. Spätestens bei den langen Diskussionsbeiträgen werden sie es bitter bereuen.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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