Die endlosen Nonsens-Reden der ÖVP-Mandatare handelten etwa vom Süßstoff "Stevia", dem österreichischen Weinbau oder Mastschweinen. VP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger, der die letzte Minute Redezeit der ÖVP verbrauchte, war von der Sache wohl etwas mitgenommen. Unter lautem Gelächter bewarb er einen "nationalen Selbstmordplan", eigentlich wollte er über einen Plan zur Selbstmordprävention sprechen.
Für Rauch-Kallat, die 1983 erstmals ins Hohe Haus eingezogen und erst am Mittwoch wieder angelobt worden war, blieb keine Redezeit zum Abschluss ihrer langjährigen Polit-Karriere. Es war ihre letzte Sitzung im Nationalrat. Die 62-Jährige hatte am Mittwoch das Mandat von Wilhelm Molterer übernommen, der mit 1. Juli als Vizepräsident zur Europäischen Investitionsbank wechselte.
Die ehemalige Frauenministerin hatte sich eigentlich schon aus der Politik verabschiedet, das Mandat dann aber angenommen, da der nächste Listenplatz männlich besetzt war und mit Außenministerin Ursula Plassnik, die Botschafterin in Paris wird, eine Frau verloren geht. Nunmehr rückt die Tirolerin Gretel Patscheider für Plassnik nach, Rauch-Kallats Mandat geht an den Steirer Thomas Einwallner.
"Kein Kommentar" von ÖVP-Klubchef Kopf
Der Antrag, der von ÖVP-Frauenchefin Dorothea Schittenhelm, Rauch-Kallat, den Grünen und den SPÖ-Frauen eingebracht wurde, sieht die Änderung einer Textzeile vor, die Rauch-Kallat schon vor sechs Jahren, damals noch als Frauenministerin, vorschlug. Statt "Heimat bist du großer Söhne" solle es künftig "Heimat großer Töchter, Söhne" heißen. Dass Rauch-Kallat den Antrag nicht selbst begründen durfte, erklärte Schittenhelm für "bedauerlich". Dass es sich um eine gezielte Aktion von Klubchef Karlheinz Kopf gehandelt haben könnte, wollte sie aber so nicht bestätigen. Vielleicht habe es sich ja um ein Versehen gehandelt.
Der Klubchef selbst wollte sich auf Anfrage weder zum Rauch-Kallat-Antrag noch zum offensichtlichen "Redeverbot" für die eigene Mandatarin äußern. Der Fraktionsvorsitzende verließ den Plenarsaal mit als Letzter, knapp nach der von SP-Frauensprecherin Gisela Wurm begleiteten Rauch-Kallat, er hatte noch minutenlang im praktisch leeren Plenarsaal mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu plaudern. Für Fragen hatte Kopf danach aber keine Zeit.
Antrag ohne Rede an Ausschuss verwiesen
Schittenhelm glaubt aber durchaus, dass der Antrag Chance auf Umsetzung hat. Am Freitag wurde er wie üblich dem zuständigen Ausschuss, dem Verfassungsausschuss, zugewiesen, wo er ab Herbst diskutiert wird. Rauch-Kallat selbst wollte sich zu den Vorkommnissen zunächst nicht äußern. Sie stellte aber die auf fünf Minuten angelegte Rede schriftlich zur Verfügung. In diesem Text meint sie zur Hymne, dass Sprache Bewusstsein präge und der Austausch von nur zwei Wörtern wohl kein größeres Problem darstellen dürfe. Gegenüber Radio Ö1 reichte sie am Samstag nach, der Klub habe sich mit der Aktionen "keinen guten Dienst erwiesen". Der Antrag sei ein "Beitrag zur Eliminierung von sprachlicher Diskriminierung". Hätte sie die Aktion mit dem Klub allerdings besprochen, wäre sie nicht zustande gekommen.
Dass die Ex-Ministerin nicht ans Mikrofon durfte, fand Grünen-Gesundheitssprecher Kurt Grünewald schade. Er wisse nicht, ob das ein Zeichen für die "großen Söhne" in der ÖVP sei. "Diese Änderung ist ein symbolischer Akt - wieso das zu so viel Aufregung und Irritation führt, ist nicht nachzuvollziehen", meinte die Grüne Frauensprecherin Judith Schwentner am Samstag. "Das Verhalten der ÖVP-Männer, Rauch-Kallat die Abschiedsrede zu vereiteln, weil sie ein ihr schon lange wichtiges Thema auch symbolisch noch einmal durchsetzen wollte, ist peinlich." Für Schwentner und ihre Grüne Kollegin Daniela Musiol zeuge es "von bedenklichem Demokratieverhalten, jemandem buchstäblich einfach den Ton abzudrehen". "Wovor fürchten sich die ÖVP-Männer?"
SPÖ will Antrag diskutieren, BZÖ greift Rauch-Kallat erneut an
Aus der SPÖ gab es indes keine direkte Kritik an der fragwürdigen Show des Koalitionspartners. Bundesgeschäftsführer Günter Kräuter und Klubobmann Josef Cap sprachen sich aber für eine Umsetzung der Textänderung aus. Man müsse den Antrag jetzt "unaufgeregt" diskutieren, erklärte Cap am Samstag in einer Aussendung.
Kritik an Rauch-Kallat übte das BZÖ, das die Ex-Ministerin bereits am Mittwoch als "Waffen-Mitzi" (wegen ihres Ehemanns, des Rüstungslobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly) und "Schande für Österreich" bezeichnet hatte: "Rauch-Kallat stellt das personifizierte Macht- und Mobbyingtum der ÖVP dar", meinte Abgeordneter Gerald Grosz am Samstag. Ihr Einsatz für die Frauen sei "pure Heuchelei", Rauch-Kallat habe sich "Zeit ihres Lebens ausschließlich für schwarze Macht und Lobbypolitik eingesetzt".
Rauch-Kallats "Töchter-Hymne" seit 2005 Thema
Die Textänderung der Bundeshymne ist ein Projekt, das Rauch-Kallat schon seit Jahren verfolgt. 2005 machte sie noch als Frauenministerin den ersten Vorstoß, auch die Töchter entsprechend zu würdigen. Dieser sorgte zunächst für Aufregung, versickerte dann aber in der eigenen Partei. Die heutige Ressortchefin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hatte ihn dafür wieder aufgenommen, war aber vorerst ebenfalls an Koalitionspartner ÖVP gescheitert.
Zuletzt beworben wurde die Umtextung im Zuge einer Bildungsinitiative von Unterrichtsministerin Claudia Schmied (SPÖ). Popstar Christina Stürmer sang da von der Heimat "großer Söhne und Töchter". ÖVP-Frauenchefin Schittenhelm gefiel es und so verständigte sie sich auf Initiative Rauch-Kallats mit den Frauen der Parteien links der Mitte, um in einem Überraschungscoup kurz vor der parlamentarischen Sommerpause einen entsprechenden Antrag einmal auf den Weg - also zur Diskussion in den zuständigen Verfassungsausschuss - zu schicken. Das kostete Rauch-Kallat den freundlichen Abgang aus dem Nationalrat.
Heinisch-Hosek streute der ÖVPlerin am Samstag dafür Rosen. "Ich selbst singe die Bundeshymne schon seit Jahren immer mit dem Text 'Töchter, Söhne'", so die Ministerin. "Danke daher an die beteiligten Frauen, die es möglich gemacht haben, dass dieser Antrag auch im Verfassungsausschuss des Parlaments behandelt wird."
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