Erstmals in ihrer Geschichte klagen die steirischen Naturfreunde einen Grundbesitzer. Es geht um einen gesperrten Wanderweg-Abschnitt im Bezirk Weiz (Steiermark). Das Urteil könnte richtungsweisend sein.
Mittwoch, 13. Juli, Bezirksgericht in Weiz: Es ist eine außergewöhnliche Verhandlung, die an diesem Tag startet. Kläger sind die Naturfreunde, eine SPÖ-nahe Organisation, die sich seit 127 Jahren für die Interessen von Wanderern einsetzt. Beklagt ist ein Landwirt aus Thannhausen. Es geht um einen Wanderweg-Abschnitt, der seit mehr als zwei Jahren gesperrt ist - und um eine Symbolwirkung weit darüber hinaus.
„Das ist das erste Mal, dass wir eine Klage einbringen“, erzählt Naturfreunde-Steiermark-Vorsitzender Jürgen Dumpelnik. Im Gespräch mit der „Krone“ merkt man: Gerne setzt man diesen Schritt nicht.
Causa zieht sich seit mehr als zwei Jahren
Der Ursprung des rechtlichen Konflikts reicht zurück in den Jänner 2020. Nachdem ein Ast auf den Wanderweg gestürzt war, nimmt sich ein freiwilliger Markierungsarbeiter der Ortsgruppe Weiz der Sache an. Hier gehen die Sichtweisen auseinander: Laut den Naturfreunden wurde der Arbeiter von zwei Grundbesitzern dazu gedrängt, den Weg zu verlegen - weg von ihren Höfen, hin zur nahen Landesstraße. Allerdings: Der Mann hätte dies nicht ohne Vorstandsbeschluss machen dürfen.
Wir bringen die Klage nicht gerne oder gar mutwillig ein, es ist aber schlicht und ergreifend notwendig.
Jürgen Dumpelnik (Naturfreunde Steiermark)
Die Gegenseite spricht hingegen von einer „einvernehmlichen Verlegung“, die man nicht mehr rückgängig machen will. Man pocht auf das Eigentumsrecht und will keine Wanderer mehr direkt bei den Häusern.
Der „Krone“ liegt der umfangreiche Schriftverkehr zu dieser Causa vor. Nachdem die Sache aufgrund der hereinbrechenden Corona-Pandemie lange auf Eis gelegen war, begannen im Vorjahr verstärkt Versuche, eine Lösung zu finden. Mehrere Gespräche fanden statt.
Trotz einiger Gespräche: Keine Lösung in Sicht
Die Naturfreunde boten fünf alternative Routen an, die nicht unmittelbar durch die Grundstücke der zwei betroffenen Familien führen würden, sagt Dumpelnik - alle seien abgelehnt worden. Die derzeitige Route auf der Landesstraße sei jedoch für die Wanderer zu gefährlich.
Nach mehr als zwei Jahren hat man sich nun zur Klage durchgerungen. Die Forderung: Der Wanderweg soll wieder geöffnet werden, es handle sich um ersessenes Recht.
Die klagenden Naturfreunde sprechen von „ersessenem Servitut“. Was ist damit gemeint?
Wird ein Weg mindestens 30 Jahre nachgewiesen von Wanderern genutzt, ist das laut Gerichtsurteilen ein ersessenes Recht. Der Weg in Thannhausen ist seit mehr als 50 Jahren in Wander-Kartenmaterial eingezeichnet.
Gab es in der Steiermark bereits ähnliche Gerichtsverfahren?
Ja, vor einigen Jahren hat der Alpenverein gemeinsam mit der Gemeinde Puch bei Weiz eine Servitutsklage wegen des gesperrten Gipfels am oststeirischen Kulm eingebracht - und schließlich beim Obersten Gerichtshof Recht bekommen.
Ist zu erwarten, dass es künftig mehr solcher Justiz-Fälle gibt?
Ja, denn die Polarisierung nimmt zu und die Fronten verhärten sich - sowohl auf der Seite der Grundbesitzer als auch bei vielen Freizeitsportlern, wie Kenner der Szene bestätigen. Ein besonders „heißes Pflaster“ ist das beliebte Almenland.
„Tierparkverhalten“ und „Pilgerstätte“
„Krone“-Anfragen an den Anwalt des Grundbesitzers blieben unbeantwortet. Aus früheren Schreiben an die Naturfreunde wird deren Sichtweise aber klar: Sei der Weg vor einigen Jahre nur von wenigen Wanderern benutzt worden, so kämen nun immer mehr Menschen. Und das bringe Probleme und Unannehmlichkeiten mit sich.
So hält man Schweine entlang des Wanderwegs: Die Tiere würden von Freizeitsportlern einfach gefüttert werden, Ruhezeiten gebe es keine mehr. Von „Tierparkverhalten“ ist die Rede. Man könne auch eine vor mehr als 20 Jahren errichtete Privatkapelle kaum mehr benutzen, sie sei eine „Pilgerstätte“ geworden. Der Wald rundherum sei verunreinigt mit Fäkalien, Klopapier, Taschentücher und Flaschen. Radfahrer würden im langen Gras fahren, Drohnen aufsteigen, Fotoshootings durchgeführt.
„Die allermeisten Wanderer benehmen sich“
Solche „schwarzen Schafe“ verteidigen die Naturfreunde nicht, betont Dumpelnik, aber: „Die allermeisten Wanderer benehmen sich. Gerade jene, die bei uns organisiert sind.“ Der Prozess in Weiz wird jedenfalls Signalwirkung in Sachen freies Wegerecht haben: Würden die Grundbesitzer Recht bekommen, könnten schon bald andere dem Beispiel folgen.
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