Der Untersuchungsausschuss zu mutmaßlicher Korruption in der ÖVP ist am Mittwoch in den vorletzten Befragungstag vor der Sommerpause gegangen. Zu Beginn wechselte der Vorsitzende, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP), seinen Sessel mit jenem der Auskunftspersonen. Mutmaßlicher Postenschacher stand dabei im Vordergrund. Von ihm durchgeführte Interventionen rechtfertigte Sobotka mit dem „Dienstleistungsgedanken“.
Bei der sechsstündigen Befragung ging es vor allem um Sobotkas Amtszeit als Innenminister. Damals arbeitete Sebastian Kurz gerade am sogenannten Projekt Ballhausplatz - dem Plan zur Machtübernahme im Kanzleramt. Es ist zentral im Untersuchungsausschuss, Sobotka soll eine wichtige Rolle dabei gespielt haben. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl startete die Befragung mit diesem Thema. Der ÖVP-Politiker antwortete daraufhin knapp, dass er nie in das Projekt involviert gewesen sei. Er kenne es nur aus den Medien und seiner Arbeit in den U-Ausschüssen.
Verfahrensanwältin soll ÖVP Akten zugespielt haben
Für Aufsehen sorgte am Mittwoch, dass die ÖVP bereits vor Beginn des Verfahrens Einsicht in die Akten gehabt haben könnte. Das geht aus einem Schreiben des Verfahrensrichters hervor, das Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli aufs Tapet gebracht hat. Darin wirft Pöschl Verfahrensanwältin Barbara Weiß vor, der ÖVP die von der SPÖ gelieferten Akten gegeben zu haben, und fordert „angemessene Konsequenzen“. Weiß rechtfertigte ihr Verhalten damit, dass alle denselben Wissensstand haben sollten.
Postenschacher im Innenministerium?
Sobotka werden mutmaßliche Interventionen bei Postenbesetzungen vorgeworfen, wie aus diversen Chats hervorgehen soll. Wie lief das in seiner Zeit als Innenminister? Damals habe es an die 1000 Postenbesetzungen gegeben, man sei immer den Vorschlägen der zuständigen Personalkommission gefolgt, so Sobotka. „Freunderlwirtschaft“ habe es nicht gegeben. Befragt wurde er auch zu einer angeblichen Interventionsliste, mit der ÖVP-nahe Personen für Postenbesetzungen nominiert wurden. Dahinter sei der „Dienstleistungsgedanke“ gestanden, meinte der ÖVP-Politiker. Man habe „von jeder Partei“ Anregungen und Wünsche gesammelt. Zentrale Listen habe es aber nicht gegeben.
In der Causa Andrea Jelinek, die im Jahr 2017 als Wiener Vizelandespolizeidirektorin - weil SPÖ-nahe - verhindert worden sein soll, wird Sobotka als Beschuldigter geführt. Thematisiert wurde dazu eine Chat-Nachricht, in der ihm Kabinettschef Michael Kloibmüller zu der Postenbesetzung schrieb, es sei alles „eingehängt“. Sobotka antwortete mit „Ok“. Das sei als „Macht es so, wie es eben ‘State of the Art‘ ist“ zu verstehen, sagte er im U-Ausschuss. „Ich kann hier keine Unterstellungen gebrauchen“, sagte Sobotka zur NEOS-Abgeordneten Stephanie Krisper.
Mit den in seiner Zeit geschalteten Inseraten habe er nichts zu tun gehabt. Dies sei im Aufgabenbereich der Öffentlichkeitsarbeit in Zusammenarbeit mit der zuständigen Fachabteilung gelegen. Dass eine ÖVP-nahe Kommunikationsabteilung in seiner Zeit zahlreiche Aufträge bekommen habe, rechtfertigte Sobotka damit, dass es eine Vielzahl an Agenturen gegeben habe, „das war nicht die einzige“.
SPÖ sieht „massive Verstrickung“
Für SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer ist es „skurril“, dass Sobotka wie schon im Ibiza-U-Ausschuss befragt wird und gleichzeitig Vorsitzender ist. Das sei unvereinbar, da es eine „massive Verstrickung“ in den Untersuchungsgegenstand gebe, so Krainer. Keineswegs bedenklich findet hingegen ÖVP-Fraktionsführer Andreas Hanger den Rollentausch des Vorsitzenden. Sobotka habe eine „äußerst objektive Vorsitzführung“, sagte Hanger vor der Befragung.
Bereits in den vergangenen Wochen habe man gesehen, wie Ministerien für parteipolitische Zwecke missbraucht worden seien, meinte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper im Vorfeld. Das Innenministerium habe sich unter Sobotkas Führung dabei besonders hervorgetan: „Unsere Posten für unsere Leut‘.“ Auch für Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli ist Sobotka jenem türkisen Machtzirkel um Altkanzler Kurz zuzurechnen, der versucht habe, das Land zu täuschen. Instrumente dafür waren Inserate, Umfragen und Postenschacher. Jedes dieser Instrumente beherrsche Sobotka, so Tomaselli.
Hanger will „SPÖ-Beinschab-Tool“ untersuchen
Für Hanger hingegen blieb die bisherige Ausschussarbeit ohne Erkenntnisgewinn. Alle Causen seien hinlänglich bekannt gewesen und die dazu geladenen Auskunftspersonen hätten nichts Erhellendes beitragen können, lautet sein Resümee. Hanger will im Herbst einen neuen Schwerpunkt setzten: „Wir wollen auch das SPÖ-Beinschab-Tool untersuchen.“ Schließlich prüfe die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) derzeit einen Anfangsverdacht gegen „namhafte SPÖ-Politiker“. Daher werde man Beweisverlangen und Ladungen von entsprechenden SPÖ-Politikern einbringen, kündigte er an.
Nach Sobotka sind der geschäftsführende Direktor des Bundesamtes zur Korruptionsbekämpfung (BAK) und eine pensionierte Beamtin des BAK geladen. Das BAK übernahm die Ermittlungen, nachdem die WKStA der eigens nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos eingerichteten „Soko Tape“ das Vertrauen entzogen hatte. Zudem wollen die Abgeordneten der Frage nachgehen, warum das BAK damals im Mai 2019 bei Beginn der Ermittlungen zugunsten der „Soko Tape“ ausgebootet wurde.
Kommentare
Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.
Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.
Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.