EuGH-Urteil ist da

Thermofenster sind illegale Abschalteinrichtungen!

Motor
14.07.2022 10:39

Der Europäische Gerichtshof hat heute ein mit Spannung erwartetes Urteil gefällt. Der EuGH hat klargestellt, dass auch die sogenannten „Thermofenster“ (welche den Ausstoß von Schadstoffen nur bei einer bestimmten Außentemperatur reduzieren) illegale Abschalteinrichtungen im Sinn der EU-Verordnung für die Typisierung von Kraftfahrzeugen darstellen.

(Bild: kmm)

Notwendig sei das Thermofenster dann, wenn es keine andere technische Lösung gibt, um solche Risiken zu vermeiden. Die Risiken müssen dabei so schwer wiegen, dass eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs gegeben ist, erklärte das Gericht am Donnerstag. Außerdem muss das Thermofenster im überwiegenden Teil des Jahres in Betrieb sein. Abschalteinrichtungen, die nur zu einer Schonung von Anbauteilen außerhalb des Motors beitragen, seien unzulässig. Gerichte in Österreich müssen nun prüfen, ob so eine Notwendigkeit gegeben ist und ob Schadenersatzansprüche bestehen.

In Bezug auf mögliche Schadenersatzansprüche verwies der EuGH darauf, dass Verbraucher nach EU-Recht eine Nachbesserung oder Ersatzlieferungen verlangen könnten. Eine Preisminderung oder eine Vertragsauflösung sei nur dann möglich, wenn für den Verkäufer entsprechende Abhilfemaßnahmen nicht möglich sind. Der EuGH hielt auch fest, dass der Mangel jedenfalls nicht geringfügig sei - das ist Voraussetzung dafür, dass eine Vertragsauflösung möglich ist.

Das ist das „Thermofenster“
Als „Thermofenster“ wird in diesem Zusammenhang der eingeschränkte Temperaturbereich bezeichnet, in dem die Dieselabgas-Reinigungssysteme ihre Arbeit verrichten. Dieser liegt im konkreten Fall zwischen 15 und 33 Grad Celsius. Die beklagte Funktion resultiert aus einem Update der Software, das vom Hersteller im Zuge des Diesel-Abgasskandals zum Austausch einer rechtswidrigen Software vorgenommen wurde. Neben dem VW-Konzern nutzen auch zahlreiche andere Hersteller eine vergleichbare Abschalt-Technik.

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Das sogenannte Thermofenster ist der Temperaturbereich, in dem bei einem Auto die Abgasreinigung voll funktioniert. Außerhalb dieses Bereichs wird die Abgasrückführung abgeschaltet und der Schadstoffausstoß ist erhöht. Man spricht auch von einer Abschalteinrichtung.

VW als Anlass, aber Urteil gilt für alle
Auslöser für das Urteil sind Klagen in Österreich gegen VW, in deren Motoren das Thermofenster programmiert ist. Das Unternehmen argumentiert, dass das Thermofenster technisch zum Schutz des Motors nötig sei und ohne dieses ein Unfallrisiko bestehe. Dies hätten auch wissenschaftliche Studien erweisen. Die Kläger sehen kein erhöhtes Unfallrisiko.

(Bild: APA/dpa/Julian Stratenschulte)

Der Volkswagen-Konzern sah sich nach dem Urteil bestätigt. „Nach den Kriterien, die der EuGH in seinem Urteil aufgestellt hat, bleiben die in Fahrzeugen des VW-Konzerns verwendeten Thermofenster zulässig“, hieß es in einem Statement. Die von VW verwendeten Thermofenster würden vor unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall schützen. „Die Risiken wiegen so schwer, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen.“ Man erwarte daher nur geringe Auswirkungen auf den Konzern. Zivilrechtlichen Klagen, die sich auf das Vorhandensein eines Thermofensters stützen, räume man keine großen Chancen ein.

Freude bei Verbraucherschützern
Bei Verbraucherschützern ist die Freude über das Urteil groß: „Damit ist Schluss mit der Argumentation der Dieselhersteller und auch deutscher Behörden, dass diese Thermofenster für die Schonung des Motors dienen und daher legal seien“, freut sich Peter Kolba, Obmann des Verbraucherschutzvereines (VSV). „Der VSV vermittelt daher weiterhin Schadenersatzklagen gegen die Dieselhersteller vor deutschen Gerichten.“

Klägeranwalt Michael Poduschka geht davon aus, dass VW die vom EuGH definierten Ausnahmekriterien nicht erfüllen können wird. So funktioniere die Abgasreinigung im überwiegenden Teil des Jahres nicht. Außerdem bestehe keine konkrete Gefahr, die durch das Thermofenster beseitigt wird, meint er. Am Zug sieht Poduschka nun die Behörden. Aus seiner Sicht müssten die betroffenen Fahrzeuge für ein Update rückgerufen werden. In den Zivilverfahren betreffend den Motor EA189, der im Zentrum des Dieselskandals stand, könne es überdies „nur mehr um die Schadenshöhe“ gehen.

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(Bild: KMM)



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