Gaskrise, Klimakrise, Corona-Krise: Ab Herbst heißt es sparen, sagen die Grünen-Politikerinnen Sigrid Maurer und Judith Schwentner im Doppelinterview. Warum sexuelle Belästigung nicht nur Sache des Strafgesetzbuches ist und die Grünen ihr Selbstbewusstsein nicht verloren haben.
„Steirerkrone“: Die Formel 1 in Spielberg wurde von sexuellen Belästigungen gegen Frauen überschattet. Warum müssen sich Frauen das noch immer gefallen lassen?
Sigi Maurer: Gefallen lassen müssen sie es sich nicht. Es gibt Möglichkeiten, einzuklagen, es gibt Beschwerdestellen. Aber natürlich ändert sich die Gesellschaft nicht von einem Tag auf den anderen.
Judith Schwentner: Ich habe als Frauenstadträtin das „Ist Luisa da?“-Projekt eingeführt, damit man sich an jemanden wenden kann, wenn man im Nachtleben unterwegs ist, und um das zu enttabuisieren. Das Problem wird noch immer kleingemacht.
Müsste man nicht auch am Strafrecht schrauben?
Maurer: Es gibt ja Klagsmöglichkeiten wie die Beleidigung und die üble Nachrede. Man kann in einer Gesellschaft nicht alles über Strafrecht regeln. Wichtig ist die Sensibilisierung.
Wir haben um ein Vielfaches mehr Corona-Infektionen als vor einem Jahr, 12.000 waren es am Donnerstag. Wieso tragen wir noch immer keine Maske?
Maurer: Die Situation ist anders als vor einem Jahr. Die Omikron-Variante ist deutlich milder. Die Situation in den Krankenhäusern und Intensivstationen verändert sich nur sehr gering. Die Maske wird aber ganz sicher wiederkommen im Herbst. Wir müssen mit Corona leben lernen.
284 Spitalsbetten sind in der Steiermark derzeit gesperrt, weil Pflegepersonal fehlt. Was wollen Sie dagegen tun?
Maurer: Wir haben gerade die größte Pflege-Reform seit Jahren verabschiedet. Was die Corona-Ausfälle betrifft, wird es in den nächsten Wochen Maßnahmen geben.
Die Maske wird ganz sicher wiederkommen im Herbst.
Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen
Wie ist das eigentlich für Sie, dass gerade jetzt, wo die Grünen so viel Verantwortung tragen wie nie, die Kohlekraft in Mellach wieder aktiviert werden muss?
Schwentner: Das macht uns nicht glücklich, aber das erfordert die Situation. Nur im äußersten Notfall kann man auf die Kohlekraft zurückgreifen. Wir haben schon früher davor gewarnt, aber jetzt müssen wir das halt mittragen, damit die Menschen im Winter nicht frieren.
Was kommt im Herbst auf die Menschen in Österreich zu, falls es kein Gas gibt?
Maurer: Unser Notfallplan sieht unterschiedliche Maßnahmen vor, je nachdem, was passiert. Ist es eine kurze oder längerfristige Unterbrechung? Zu welchem Zeitpunkt findet diese statt? Welchen Speicherfüllstand haben wir? Es wird selbstverständlich im Herbst eine Energiespar-Kampagne geben. Wir haben da ein riesiges Potenzial.
Wird es reichen, die Leute zu bitten, die Heizung weniger aufzudrehen?
Schwentner: Bei einem Grad weniger sind es sechs Prozent, die man beim Heizen sparen kann. Das ist nicht nichts, wenn es alle tun. Wenn man nicht im T-Shirt zu Hause herumläuft, sondern einen Pullover anzieht, kann man schon was einsparen. Auf lokaler Ebene geht es vor allem auch darum, die zu unterstützen, die sich das Heizen nicht leisten können.
Wir müssen das mit der Kohlekraft mittragen, damit die Menschen im Winter nicht frieren.
Judith Schwentner, Vizebürgermeisterin von Graz
Sie haben kürzlich den Ausbau der Grazer Südwest-Bim-Linie vorgestellt, der mehr als 100 Millionen Euro kosten wird. Woher soll das Geld kommen?
Schwentner: Wir sind kurz vor dem Abschluss der 15a-Vereinbarung zwischen Stadt, Land und Bund. Das betrifft die Entlastung der Innenstadt und den Ausbau der 5er- und der 1er-Linie. Die Südwestlinie wäre das nächste Paket, über das wir reden wollen. Erste Anbahnungsgespräche hatten wir schon mit Ministerin Leonore Gewessler, aber ich möchte das eine abschließen, bevor wir das nächste beginnen.
Wird der Bund genug Geld sponsern, damit der ÖV-Ausbau in den Ländern gelingt?
Maurer: Was Leonore Gewessler aufgeholt hat, ist massiv. Wir hatten noch nie so viel Geld zur Verfügung für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs. Das Klimaticket ist ein riesiger Erfolg und hat alle Erwartungen übertroffen.
Mit der Konsequenz, dass viele ÖBB-Züge in letzter Zeit überfüllt waren …
Maurer: An sich gibt es genügend Züge, es müsste sich nur ein bisschen besser verteilen. Ganz ehrlich: Ich freue mich, dass so viele mit dem Zug fahren wollen. Er ist ein sicheres, verlässliches und sehr gemütliches Verkehrsmittel.
Die KPÖ hat sich noch immer nicht von den Mitgliedern distanziert, die in der Ostukraine waren und mit Russland sympathisieren. In der ÖVP im Bund folgt ein Skandal auf den anderen. Verbiegen sich die Grünen, um an der Macht zu bleiben?
Schwentner: Ich würde sagen, die Grünen sind sehr demokratiebewusst. Wir gehen Kompromisse ein. Ich heiße es nicht gut, dass die Kollegen der KPÖ in Luhansk waren und dort dubiose Menschen getroffen haben, aber wir haben uns distanziert. Es gefährdet nicht unsere Arbeit.
Maurer: Die ÖVP ist schon für sich selbst verantwortlich, genauso wie die KPÖ für sich selbst verantwortlich ist. Unsere Verantwortung ist, das zu tun, wofür wir gewählt wurden. Wenn man sich anschaut, was wir alles umgesetzt haben - das Parteiengesetz, Klimaticket, Investitionen in den Klimaschutz -, das ist das, was die Leute von uns erwarten. Die ÖVP muss ihre Vergangenheit selbst bewältigen.
Manche grüne Stammwähler sehen das anders.
Maurer: Wir sind in den Umfragen stabil. Wir haben bei jeder Landtagswahl dazugewonnen und unser jeweils bestes Ergebnis erzielt, seit wir in der Bundesregierung sind. Wir wollen und müssen unsere Ziele erreichen, um die Klimakrise zu bewältigen.
Würden Sie lieber mit der SPÖ koalieren?
Maurer: Wir sind in einer Demokratie, Mehrheitsverhältnisse sind, wie sie sind. Wenn ich mir aber ansehe, wo sich die SPÖ in Wien hin orientiert, nämlich konsequent in Richtung 70er-Jahre, Beton über alles, gekippte Radwegprojekte - da frage ich mich schon, ob die Situation mit einer SPÖ tatsächlich leichter zu bewältigen wäre.
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