Ein Sommer wie damals wird der Sommer 2022 mit Sicherheit nicht. Eine Krise jagt die andere. Die Bundesregierung ist permanent am Löschen von Brandherden. Wie die Länderchefs die Krise bewältigen wollen, erzählen sie in der „Krone“-Sommerinterview-Serie. Den Anfang macht Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).
„Krone“: Wir haben Ihnen unsere Personalausweise mitgenommen. Nicht, dass Sie am Ende noch auf Fake-Doppelgänger hereinfallen. Das wäre Ihnen doch peinlich, oder?
Michael Ludwig: Das ist der Grund, warum ich persönliche Gespräche lieber habe als andere Formen der Kommunikation. Es ist wichtig, dass sich Politik, Verwaltung, aber auch Medien mit dem Phänomen Deepfake auseinandersetzen. Es ist ein Phänomen, das nicht nur in Wien, sondern in anderen europäischen Hauptstädten spürbar war. Davor hat es auch schon in der internationalen Politik von den USA bis Großbritannien und in arabischen Ländern eine Rolle gespielt.
Man könnte sagen, Sie haben wichtige Präventionsarbeit auf dem Gebiet Deepfake geleistet ...
Es ist eine Form der Cyberkriminalität, die im konkreten Fall nicht viel angerichtet hat, aber etwas, das man entsprechend begleiten muss.
Den anderen Bürgermeistern ist es aufgefallen, dass das nicht der echte Klitschko ist. Warum ist es Ihnen nicht aufgefallen? Vor allem durch den Umstand, dass er nicht Deutsch gesprochen hat ...
Im Vorfeld fand eine Reihe von Vorgesprächen statt. Da wurde der Wunsch geäußert, das Gespräch in Englisch zu machen. Klitschko hat man in den internationalen Medien schon in beiden Sprachen gehört. Deswegen hat das niemand verwundert.
Wie gut ist Ihr Englisch eigentlich?
So gut, dass ich das Gespräch führen konnte.
Es hat ja immer geheißen, das Video soll veröffentlicht werden. Gab es dann eigentlich vonseiten derer, die diesen Deepfake gemacht haben, einen Erpressungsversuch - an die Stadt Wien?
Nein. Womit hätten sie mich erpressen sollen? Ich hätte kein Problem damit, wenn das Video veröffentlicht wird. Es ist ja über nichts gesprochen worden, was verfänglich gewesen wäre. Man hätte mich ja nur erpressen können, wenn Dinge behandelt worden wären in dem Gespräch, die für mich unangenehm gewesen wären.
Kommen wir zur Teuerung: Pamela Rendi-Wagner fordert, dass ein Preisdeckel kommt. Läuft die SPÖ hier nicht Gefahr, dass sie in die Doppelmoral-Falle geht? Auf Bundesebene wird der Preisdeckel gefordert, aber die Stadt Wien prescht da nicht vor und zeigt es dem Bund, wie es gehen könnte?
Ist das eine ernste Frage?
Ja, das ist sie.
Der Preisdeckel auf nationaler Ebene ist schon sehr schwierig. Das war der Grund, warum ich einen Gipfel vorgeschlagen habe, auf dem die Bundesregierung, die Bundesländer, Experten, vielleicht auch unter Einbeziehung der Europäischen Kommission, aber mit Sicherheit der Sozialpartner, darüber nachdenken, was überhaupt möglich ist. Man sollte sehr schnell in Österreich Lösungen finden, weil die Haushalte natürlich stark unter Druck kommen. Der Energiemarkt ist liberalisiert. Einschränkungen für die jeweiligen Energieunternehmen sind daher schwierig. Anders als etwa bei den Wiener Linien können wir hier als Stadt nicht finanziell eingreifen. Deswegen haben wir in Wien einen zweiten Kreislauf geschaffen - die Wiener Energieunterstützung, die wir schon im März auf den Weg gebracht haben. Fast 200.000 Menschen haben jetzt bereits 200 bzw. 300 Euro bei Alleinerziehern überwiesen bekommen haben. Im Herbst werden Haushalte mit bis zu 1000 Euro unterstützt.
Ist das nicht bizarr, wenn Rendi-Wagner sagt, die Preise müssten runter, und gleichzeitig verdoppelt die Stadt Wien die Kosten und Preise für die Fernwärme?
Es gibt jetzt einmal einen Antrag der Geschäftsleitung, der liegt bei der Preiskommission, wird dort bewertet, und dann wird darüber entschieden, ob das gerechtfertigt ist oder nicht.
Das klingt so, als gäbe es noch eine Chance, dass die Preiserhöhung nicht durchgesetzt wird. Das ist doch nur noch eine reine Pro-forma-Angelegenheit - oder?
Ich gehe davon aus, dass die Geschäftsleitung das sehr genau berechnet hat und so einen Vorschlag nicht machen würde, wenn man jetzt bei der Kommission zu einem ganz anderen Ergebnis kommen würde. Dessen ungeachtet muss einem klar sein: Energiepreise, egal, ob das Fernwärme, Gas oder Strom ist, werden in den nächsten Monaten steigen, und zwar flächendeckend nicht nur in ganz Österreich, sondern in ganz Europa.
Wie sparen Sie Energie?
Indem ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs bin. Ich wohne in einem Kleingarten. Ich habe dort eine Wärmepumpe angeschafft, verbunden mit einer Fotovoltaikanlage.
Robert Habeck hat in Deutschland gesagt, wir müssten damit rechnen, dass es ein Monatsgehalt kosten wird. Gehen Sie auch davon aus?
Es wird auf jeden Fall spürbar sein. Das Modell von Wifo-Chef Gabriel Felbermayr, bei dem es einen Deckel auf die Stromrechnung gibt, ist für mich ein gangbarer Weg, weil dieser auch national umsetzbar ist.
Wie bereitet sich Wien auf Gasknappheit vor? Wird es dann ab 22 Uhr keine Straßenbeleuchtung geben?
Wir haben in der Stadt Wien einen Krisenstab beauftragt, einen Stufenplan zu entwickeln. Das bezieht sich auf Fernwärme, Gas, Strom - und auch auf das, was wir selbst erzeugen können.
Nürnberg sperrt jetzt schon die Hallenbäder zu. Ist das sinnvoll?
Sparmaßnahmen sind insgesamt sinnvoll. Aber wir machen das schrittweise, und solange die Möglichkeiten bestehen, sollen die Menschen all das nützen können, was sie gewohnt sind.
Die Wiener Hallenbäder bleiben offen?
Die bleiben vorerst offen.
Mächtig, mächtiger, Ludwig - nachdem er 2020 bewiesen hat, dass er Wahlen gewinnen kann, geht ohne ihn parteiintern nichts mehr. Nach dem Urnengang entledigte er sich der Wiener Grünen - außer den Ökos war niemand traurig darüber. Mit seinem Corona-Alleingang und dem vorsichtigen Wiener Weg stürmt Ludwig die Umfragecharts. Bei Teuerungen fehlt das Gespür: Preis-runter-Kurs und Verdoppelung der Kosten bei der Fernwärme, das geht sich nicht aus.
Corona hat die Gesellschaft schon sehr gespalten. Hat die Teuerung eine größere soziale Sprengkraft als Corona?
Man muss sehr vorsichtig agieren und auch jetzt Geld in die Hand nehmen, um die wirtschaftliche Situation der Haushalte zu stabilisieren. Das tun wir.
Also ein zweites Mal muss die Politik sagen: Koste es, was es wolle?
Das würde ich so nicht sagen, sondern was notwendig ist.
Kommen wir zu Corona: Jetzt wurde die Impfpflicht wieder abgeschafft. War das klug, dass man sie komplett abschafft?
Wenn es keine Bereitschaft gibt, die Impfpflicht umzusetzen, dann wird sie jetzt nicht rasend abgehen.
Kanzler Karl Nehammer empfiehlt zur Krisenbewältigung Alkohol oder Psychopharmaka. Was wählen Sie?
Beides eignet sich nicht zur Bewältigung der Krise. Weder im individuellen, noch im politischen Bereich.
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