Seit Ausbruch der Corona-Pandemie nimmt der Antisemitismus zu - auch in der Steiermark. Speziell bei den Jugendlichen gibt es einen erschreckenden Trend. Expertinnen erklären die Hintergründe.
Vergleiche zwischen Ungeimpften und Juden im Nationalsozialismus, Hakenkreuz-Graffitis und gelbe Davidsterne an Mauern: Ob online oder offline, Antisemitismus ist alltäglich.
183 Meldungen mit nach dem Verbotsgesetz relevanten Inhalten sind in der „BanHate“-App der steirischen Antidiskriminierungsstelle seit Jahresbeginn schon eingegangen. Bei den meisten Postings im Netz gibt es einen Zusammenhang zur Corona-Pandemie, erklärt Leiterin Daniela Grabovac. „Die Leute verstehen oft nicht, wieso es die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt, wenn man Ungeimpfte mit Juden in der Shoah vergleicht.“
Diese Einschätzung teilt auch die Historikerin Ursula Mindler-Steiner von der Uni Graz. „Es werden hier Maßnahmen, die zum Schutz von Leben gedacht sind, mit Maßnahmen verglichen, die Menschen aus der Gesellschaft ausschlossen, sie kennzeichneten und ihre Verfolgung und Ermordung nach sich zogen.“
Krisen führen zu Antisemitismus
Judenfeindlichkeit gebe es „seit Jahrhunderten“, sagt Mindler-Steiner. „Krisen gingen in der Vergangenheit im Regelfall mit einem zunehmenden Antisemitismus einher. Das ist auch in der Covid-Pandemie feststellbar.“ Antisemitisches Denken habe sich 1945 nicht einfach in Luft aufgelöst. „Vorurteile waren weiterhin präsent. Sie wurden und werden bis heute auch oft unterschwellig geäußert“, erklärt die Grazer Wissenschaftlerin.
Einen weiteren gefährlichen Trend erkennt Daniela Grabovac. „Wir merken, dass Jugendliche es lustig finden, sich Bilder mit Hakenkreuzen oder Heil-Hitler-Sprüchen zuzuschicken.“ Wie kann das sein? „Weil es verboten ist, finden es manche scheinbar ,cool’. Das Geschichtsbewusstsein fehlt immer mehr.“
Was online passiert, wirkt sich auch offline aus
Das hat auch offline Folgen, sagt Historikerin Mindler-Steiner. „Judenfeindliche Handlungen haben auch in der ,realen Welt‘ zugenommen.“ Die Konsequenzen: Antisemitische Stereotype senken die Hemmschwelle, Juden zu diskriminieren und auszugrenzen. „Und in letzter Konsequenz zu verfolgen und zu ermorden.“
Die Auswirkungen zeigt etwa der jüngste Bericht zu antisemitischen Vorfällen der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. 965 Vorfälle wurden 2021 österreichweit gemeldet - so viele wie noch nie. Bei fast der Hälfte steckt rechte Ideologie dahinter. Von zwölf gemeldeten tätlichen Angriffen wurden sieben von islamistisch motivierten Tätern begangen.
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