Die milliardenschwere Liquiditätslücke bei der Wien Energie hat auch der heimischen Politlandschaft einen Starkstromschlag versetzt. Schließlich geht es um eine Energiefirma des roten Wien - und alle anderen Parteien fühlen sich von der Bürgermeisterpartei SPÖ zumindest mangelhaft informiert. Nach Einschätzung von Politologen gibt es Auswirkungen auf die Stadtpolitik, die Bundespolitik und sogar auf die Bundespräsidentenwahl, wo die Affäre dem Amtsinhaber schaden könnte.
Die Sozialdemokraten koalieren in der Bundeshauptstadt mit den liberalen NEOS, die sich Transparenz und Kontrolle auf die Fahnen geheftet haben. „Dass es da schwere Irritationen gibt, ist wohl untertrieben“, sagte Politikberater Thomas Hofer am Mittwoch. „Die NEOS und deren Wiener Chef (Christoph Wiederkehr, Anm.) fühlen sich ja nicht nur nicht informiert, sondern orten ein schweres Foul.“
Affäre könnte auch persönliches Verhältnis belasten
Die politischen Folgewirkungen seien „schlimm und es gibt eine deutliche Belastung für Rot-Pink“. Eine „massive Belastung“ könnte es Hofer zufolge auch im persönlichen Verhältnis zwischen SPÖ-Wien-Chef und Bürgermeister Michael Ludwig und Wiederkehr geben.
Auch die Positionierung der Bundes-SPÖ werde „konterkariert und es gibt jetzt ein Positionierungsproblem“, sagte Hofer. Es gebe einen „echten Dämpfer“. Schaue man sich alleine die Summen an, um die es für die Wien Energie geht, dann passe das etwa nicht damit zusammen, dass AK und ÖGB am Wochenende ihre Vorstellung eines Strompreisdeckels präsentiert haben oder dass die SPÖ der Bundesregierung aus ÖVP und Grünen vorwerfe zu wenig gegen die Teuerung zu tun, in der Krise nicht trittsicher und beispielsweise rund um die COFAG intransparent zu sein.
Objektive Ausgangslage ist, dass das Thema für mehr als 99 Prozent der Wählerinnen und Wähler unverständlich ist - unabhängig davon, ob gezockt wurde oder nicht und wie groß oder klein das Risiko ist.
Politikwissenschafter Peter Filzmaier
„Das heißt nicht, dass sich die Probleme der ÖVP in Luft aufgelöst haben, aber die Volkspartei kann sich freuen: Jetzt hat jemand anderes die großen Schwierigkeiten.“ Das führe allem in allem dazu, dass die Zahl der von der Politik Verdrossenen wachse, so Hofer. Ähnlich argumentierte auch Politikwissenschafter Peter Filzmaier: „Objektive Ausgangslage ist, dass das Thema für mehr als 99 Prozent der Wählerinnen und Wähler unverständlich ist - unabhängig davon, ob gezockt wurde oder nicht und wie groß oder klein das Risiko ist.“
Krise führe zu immer mehr verdrossenen Menschen
Nun herrsche eine „Kommunikation gegeneinander“ und es könnte auch Auswirkungen auf die Bundespräsidentenwahl geben. In der aktuellen größten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg, von der die meisten Politiker sprechen, führe dies zu immer mehr verdrossenen Menschen, so Filzmaier: „Die Folge ist, dass die Gruppe jener Menschen größer wird, deren Zukunft-Gefühlslage von Angst über Sorge bis hin zu Wut, Ärger und Frustration reicht.“
Das ganze könnte sich auf die Bundespräsidentenwahlen und hierbei womöglich negativ für Amtsinhaber Alexander Van der Bellen auswirken, waren sich die beiden Experten auf entsprechenden Fragen einig. Die potenzielle Wahlbeteiligung sieht Filzmaier nicht leiden. Viel mehr könnten alle Herausforderer Van der Bellens profitieren: „Auch wenn es eigentlich die falsche Wahl ist, denn der Bundespräsident entscheidet nicht operativ wie ein Energiekonzern im Besitz der Stadt Wien wirtschaftet.“
Die Folge ist, dass die Gruppe jener Menschen größer wird, deren Zukunft-Gefühlslage von Angst über Sorge bis hin zu Wut, Ärger und Frustration reicht.
Politikwissenschafter Peter Filzmaier
Es werde den Herausforderern gegebenenfalls um die emotionale Behandlung des Themas gehen, nicht um eine sachliche. Der FPÖ mit Kandidat Walter Rosenkranz helfe „jedes Aufregerthema“ rund um die Präsidentenwahl, hätten die Freiheitlichen ja selbst lange genug getrommelt, dass es das Amt des Präsidenten gar nicht brauche.
Thema könnte zur „Antisystemstimmung“ beitragen
Hofer sieht „potenziell sogar eine Schwierigkeit oder zumindest eine nicht verbesserte Lage“ für Van der Bellens Wahlkampf. Denn das neue Milliarden-Thema könne zur „Antisystemstimmung“ beitragen. Also handle es sich für alle mehr oder weniger stark ausgeprägten „Antisystemkandidaten“ um eine „erfreuliche Geschichte“. Van der Bellen müsse sich auch auf SPÖ-Zielgruppen verlassen. „Und hier ist die Frage, wie sich die Affäre auf das Wahlverhalten dieser Zielgruppen auswirkt“, sagte Hofer. Auch könne sich ein „ohnehin bestehender Spin der Unzufriedenen verstärken, bei der Wahl eine ‘Denkzettel‘ zu vergeben“. Jedenfalls werde die gesamte Thematik die heimische Innenpolitik noch länger beschäftigen.
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