Einen schönen Montagabend.
Trotz der Wien-Energie-Krise ist Wien immer noch eine großartig verwaltete Stadt, in der vieles funktioniert, das wir bei Auslandsaufenthalten vergeblich suchen. Der Sirenengesang einwandfreier Daseinsvorsorge betört mich jeden Dienstag, um 6 Uhr Früh, wenn der Glascontainer vor meinem Wohnhaus von der MA 48 abgeholt wird - mit einem Gescheppere, als würde eine Schar gut gelaunter Hochzeitsgäste Porzellan auf der Straße zerschlagen, um Glück zu hamstern wie andere schon wieder Klopapier. Da ich im 15. Wiener Gemeindebezirk wohne, wäre freilich beides als Lärmquelle möglich. Das Tellerwerfen ist in einigen Kulturen traditioneller Ausdruck der Freude und der Anerkennung, wie sie der exzellenten Arbeit der Wiener Abfallwirtschaft viel zu selten zuteil wird. Wenn Sie also Zeit haben, werfen Sie einem Straßenkehrer als Huldigung seiner Tätigkeit einen Teller vor die Füße - Sie werden erleben, wie viele Gesichter Freude haben kann. Jedenfalls wird in Wien der Müll abgeholt, die U-Bahnen fahren zwar launenhaft, aber sie fahren, und aus den Leitungen kommt Wasser, das man trinken kann, ohne zu Kalkstein zu erstarren. Gut, in den Schulen fehlen Lehrer und in mehreren Spitälern ist die Patientenversorgung in Gefahr, aber man kann nicht alles haben.
Das Funktionieren der Stadt verdanken wir den Zigtausenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Wiens, die jeden Tag Großartiges leisten, und selbstverständlich den klugen Köpfen in Spitzenpositionen in und rund um das Rathaus. Kaum eine andere Stadt der Milchstraße hat eine solche Dichte an, nennen wir es, hypertalentierten Universalgenies wie das rot geführte Wien. In der Welt da draußen werden Sie kaum eine Person finden, die eine Boeing 747 landen, einen Dickdarm teilentfernen, eine Bombe entschärfen UND einen Schwertransporter fahren kann. Die Äquivalente, regelrechte Wunderwuzzis, sitzen hingegen bei der Stadt Wien.
Wie Paul Weis zum Beispiel, der am heutigen Montag seinen ersten Arbeitstag als neuer Geschäftsführer bei der Stadt Wien Marketing GmbH angetreten hat. Weis war schon Pressesprecher von Bürgermeister Michael Häupl, dann Leiter des mächtigen Presse- und Informationsdienstes und bis vor Kurzem Mediensprecher von Bürgermeister Michael Ludwig. Jetzt bildet er einen Teil der Führungsspitze einer 100-prozentigen Tochterfirma der Stadt Wien, die jedes Jahr 50 Events und Großveranstaltungen mit insgesamt sechs Millionen Besuchern managt, wie das Film Festival oder den Silvesterpfad. Wenn Sie jetzt meinen: Die fast schon appendixhafte Nähe zu zwei Bürgermeistern hat seiner Karriere nicht gerade geschadet, kann ich nur sagen: Nein, nein, Weis ist „aus der öffentlichen Ausschreibung und dem anschließenden mehrstufigen Hearing als bestgereihter Kandidat für die Position hervorgegangen“, so steht es immerhin in der Aussendung. Dort ist auch von Paul Weis als „Medienexpertin“ die Rede - hier übertreibt es die Stadt mit dem Gendern, wie ich finde, wobei ich natürlich nicht weiß, was in der Ausschreibung wirklich von ihm verlangt wurde.
Die Stadt hat unzählige solcher Alleskönner. Wolfgang Fischer war Boss der Stadthalle (gehört zur Wien Holding) und hat jetzt einen Halbtagsjob bei der DDSG Blue Danube Schifffahrt GmbH (gehört zur Wien Holding), zudem ist er Berater für die, Sie werden es erraten haben, Wien Holding, was ihm zufälligerweise das gleiche Gehalt einbringt wie zuvor. Raphael Sternfeld wurde vom Kommunikationschef der SPÖ Wien vergangenes Jahr zum Bereichsleiter für strategische Kommunikation der Stadt Wien befördert, ohne Ausschreibung und heimlich am Koalitionspartner vorbei. Alles unter 700 Millionen Euro fällt bei den Neos sowieso nicht auf.
Das ist keine Kritik. Freunderlwirtschaft und Postenschacher gibt es bei der Stadt Wien nicht. Ich bin vielmehr über die Palette an Fähigkeiten, Talenten, Begabungen, Expertenwissen und Know-how einiger Koryphäen begeistert. Sie lässt mich als Bürger dieser Stadt gut schlafen. Dienstags zumindest bis 6 Uhr.
Ich wünsche einen schönen Feierabend, so Sie einen haben.
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