Hans Peter Doskozil zeigt sich vom ÖGB-Mindestlohn von 2000 Euro „persönlich enttäuscht“. Mit der „Krone“ sprach Burgenlands Landeshauptmann über Krisen vom Neusiedler See bis zur Wien Energie.
Er formuliert immer offen, was ihm gerade nicht passt. Egal, ob das SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner betrifft, die SPÖ Wien oder den ÖGB. Burgenlands Landeshauptmann geht seinen eigenen Weg.
„Krone“: Das Budget des Burgenlandes beträgt 1,4 Milliarden Euro. Das ist genau jene Summe, die Wiens roter Bürgermeister heimlich der Wien Energie zur Verfügung gestellt hat. Ist das die gelebte Transparenz in der SPÖ?
Hans Peter Doskozil: Ich will jetzt die Vorgehensweise in Wien nicht kommentieren. Aber eines will ich festhalten: Im Burgenland ist das nicht möglich. Man muss als Eigentümer schon seine Kompetenzen ausüben. Man hat die Verantwortung, die richtigen Experten an die richtigen Stellen zu setzen. Man kann es sich nicht mehr leisten, dass Funktionäre versorgt werden. Das geht aber nicht. Da gibt es eine zu große Verantwortung dem Steuerzahler und der Situation gegenüber.
Man hat die Verantwortung, die richtigen Experten an die richtigen Stellen zu setzen.
Hans Peter Doskozil
Also die Energie Burgenland macht keine Termingeschäfte.
Wir verkaufen unseren Strom nicht über die Börse, sondern direkt an Großabnehmer. Teilweise an nationale, aber auch internationale Stromkonzerne. Das Geschäft muss auch besichert werden. Aber das ist eine Grundsicherung, die nicht abhängig ist von Börsenkursen. Diese Entscheidung haben wir vor 1,5 Jahren so getroffen. Das macht sich jetzt bezahlt.
Wenn Sie die Personalpolitik der SPÖ Wien kritisieren, wundert es Sie, dass es keine Konsequenzen gibt?
Es gibt eine Rechnungshofprüfung, die klären soll: Was steckt wirklich dahinter? Welche Art von Geschäften wurde gemacht? Wenn der Bericht fertig ist, kommt der richtige Zeitpunkt für Konsequenzen. Aber der politische Schaden ist natürlich für die Sozialdemokratie - das muss man offen sagen - angerichtet. Auch angesichts dessen, dass die Preise und die Gebühren erhöht werden. Unsere Vorgangsweise im Burgenland hat uns auch in die Lage versetzt, bis dato die Strompreise für Privatkunden nicht zu erhöhen. Wir liegen bei 14 Cent pro Kilowattstunde.
Treffsicherheit oder Gießkannenprinzip lautet die große Debatte bei den Hilfen. Was bevorzugen Sie?
Die Strompreisbremse ist okay. Ich habe gehört, man hätte eine soziale Staffelung nicht organisieren können, weil man sie nicht schnell umsetzen kann. Ich muss ehrlich sagen: So einen Blödsinn habe ich überhaupt noch nie gehört. Im Burgenland haben wir einen Klima- und Sozialfonds, der ist sozial gestaffelt.
Das Burgenland hat gerade mal 300.000 Einwohner, Österreich an die neun Millionen. Da ist der Aufwand größer, und es gibt viele Energie-Anbieter.
Das wird mit fünf Mitarbeitern umgesetzt. Im Bund hat man die Instrumente der Arbeitnehmerveranlagung, die wissen auf Knopfdruck im Finanzministerium, wer was verdient. Wir erledigen die soziale Staffelung für 30.000 Haushalte mit Anträgen. Und ich frage mich, was passiert mit der Wirtschaft? Ich finde es befremdlich, dass die Wirtschaftspartei hier noch nicht aktiv wird. Das könnte man über die OMV regeln. Der Gashandel muss staatlich reguliert werden.
Die OMV ist eine Aktiengesellschaft und unterliegt dem Aktienrecht. Wie soll das funktionieren?
Wenn es um die Daseinsversorgung geht, muss der Staat seine Aufgaben, die kompetenzrechtlich auch definiert sind, wahrnehmen. Es war der größte Blödsinn in der Vergangenheit, die OMV zu privatisieren. Mit fast 25 Prozent haben wir die Vereinigten Arabischen Emirate beteiligt. Wenn die OMV zu 100 Prozent im Staatseigentum wäre, dann könnten wir viel leichter eine Gaspreisbremse erzielen. Jetzt müsste der Bund gesetzlich eingreifen - und da wird es schwierig. Wir haben ein Unternehmen im Südburgenland, nämlich Lenzing, das jetzt in Kurzarbeit gehen und die Linien zurückfahren musste. Das ist ein internationaler Konzern. Wenn dieser Standort auch nur vorübergehend vom Markt geht, füllt ein anderer Produzent die Lücke, und sie kommen nicht mehr in den Markt. Dass eine Wirtschaftspartei wie die ÖVP das nicht sieht, verstehe ich nicht.
Es war der größte Blödsinn in der Vergangenheit, die OMV zu privatisieren.
Doskozil
Es wird viel über Hilfen gesprochen, aber nie über Verzicht. Ist das ein Wort, das ein Politiker in einer Konsumgesellschaft nicht aussprechen will?
Ich glaube schon, dass wir klar kommunizieren, was Sache ist. Das mache ich innerparteilich. Ich sage meine Meinung, und man muss der Bevölkerung die Wahrheit sagen. Wir kommen mit den Gasreserven bis in den Mai. Mit dem Einsparungspotenzial reicht es vielleicht sogar bis Juni. Aber wer kann sagen, wie wir nächstes Jahr die Gasspeicher für den kommenden Winter füllen? Ich kann es nicht beantworten. Es kann niemand beantworten. Das muss man auch offen und ehrlich sagen.
Der ÖGB hat nun einen Mindestlohn von 2000 Euro brutto gefordert. Sie haben im Burgenland in den Landesunternehmen einen Mindestlohn von 1700 Euro netto eingeführt. Geht der ÖGB in die richtige Richtung?
Mittlerweile sind wir im Burgenland schon auf 1820 Euro durch die Valorisierungen. Brutto sind das rund 2500 Euro. Wir haben 2019 dieses Thema gesetzt, da war keine Krisensituation, da hat es keine Preissteigerungen gegeben, da war die Situation eine ganz andere. Wir haben 2019 die Situation so beurteilt, dass es fair ist, dass jemand, der arbeitet - egal, was er macht -, mindestens 10 Euro netto in der Stunde verdienen soll.
Also sind Sie von den 2000 Euro brutto enttäuscht?
Das ist für mich persönlich enttäuschend. Ich hätte schon 2019 erwartet, dass die Gewerkschaft bei 1700 Euro netto mitgeht. Ich hätte aber bei Gott nicht erwartet, dass man jetzt mit 2000 Euro brutto, das sind zirka 1530 netto, sagt, das ist die Antwort auf die Preissteigerung. Das wäre nicht einmal 2019 die richtige Antwort gewesen.
Aus der ÖVP kommt Kritik am Klimabonus für Asylwerber. Das müsste ein Hans Peter Doskozil eigentlich unterstützen?
Ich finde das amüsant, weil es die ÖVP gemeinsam mit den Grünen beschlossen hat. Jetzt ist man plötzlich dagegen. Aber unabhängig davon finde ich, dass es nicht der richtige Zugang ist. Ein Asylwerber, der in der Grundversorgung ist und nicht für die Stromkosten verantwortlich ist, sollte auch nicht den Klimabonus erhalten.
Ein Asylwerber, der in der Grundversorgung nicht für die Stromkosten verantwortlich ist, sollte auch nicht den Klimabonus erhalten.
Doskozil
Wir sind am Neusiedler See, wo der Wasserstand zurückgeht. Seit 2003 wird über eine Zuleitung diskutiert. Immer war die SPÖ am Ruder. Warum ist nichts passiert?
Bei einer Zuleitung über die Moson-Donau sind wir bis zu einem gewissen Grad fremdbestimmt. Mit Ungarn gibt es noch heuer Gespräche, um hier eine Lösung zu fixieren. Für mich ist das aber nicht die ideale Lösung, weil wir dann von Ungarn abhängig sind. Darum gibt es jetzt auch eine Variante in Zusammenhang mit dem Bau des neuen Energiespeichers, für den eine Gasleitung nach Schwechat errichtet wird. Es wäre möglich, dabei auch eine Zuleitung von der Donau zum Neusiedler See bauen. Wir werden daher beide Varianten verfolgen.
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