Wer in Tirol vor die Haustüre tritt, trifft spätestens nach zehn Metern auf ein Wahlplakat. Braucht es diese in Zeiten von Social Media überhaupt noch? „Ja“, sagt Politikexpertin Lore Hayek im Gespräch mit der „Tiroler Krone“.
„Wahlplakate sind wie Weihnachtsbeleuchtung. Sie weisen darauf hin, dass eine Wahl ansteht. Da wir in einer Zeit des Informationsüberflusses leben, müssen wir davon ausgehen, dass nicht alle Personen mitbekommen, was im Internet passiert. Mit dieser sichtbaren Ankündigung bekommt es jeder mit. Ich würde daher sagen, dass Plakate als Mobilisierungsfaktor noch wichtiger sind als früher“, sagt die Wissenschaftlerin der Universität Innsbruck.
Wirklich überzeugen kann man Wähler mit den Wahlplakaten indes nicht, betont die Expertin, denn lediglich zwei Prozent der Wählerinnen und Wähler geben bei Umfragen an, dass sie sich wegen eines der Plakate für eine Partei entschieden haben.
Ein Plakat ist ein Medium, das man extrem kurz sieht. Es muss in kürzester Zeit klar machen, von welcher Partei es ist.
Lore Hayek
„Wahlplakate Auslöser für den politischen Diskurs“
„Sie dienen aber als Auslöser des politischen Diskurses. Die Plakat-Präsentationen stellen meistens den Wahlkampfauftakt einer Partei dar.“ Das, was auf die Plakate gedruckt wird, „ist die in Papier gegossene Wahlkampfstrategie. Sie zeigen die Themen, mit denen sich die Parteien im Wahlkampf positionieren wollen“.
Ein Zusammenhang, dass durch die Plakate die Wahlbeteiligung steigt, ist wissenschaftlich nicht belegt. „Es gibt aber Studien, in denen über 80 Prozent der Personen angeben, dass sie zumindest eines gesehen haben“, rechnet Hayek dazu vor.
„Muss sofort erkennbar sein, welche Partei es ist“
Doch steckt hinter den Slogans „Wetterfest“ (ÖVP), „Stillstand hatten wir jetzt genug“ (SPÖ), „Hinschauen, wo’s brennt“ (Grüne), „Duell um Tirol“ (FPÖ), „Neue Wege, neue Ideen“ (Liste Fritz) und „Oberhofer kann Bildung besser“ (Neos) überhaupt eine Botschaft?
„Ein Plakat ist ein Medium, das man extrem kurz sieht. Es muss in kürzester Zeit klar machen, von welcher Partei es ist“, hält die Politologin dazu fest. „Grüne, FPÖ und SPÖ haben mit ihrem Design einen hohen Wiedererkennungswert erzielt.“ Nicht so die ÖVP: „Für jemanden, der sich mit den Plakaten nicht so intensiv beschäftigt und nur schnell hinschaut, kann es auch ein Plakat der Tirol Werbung sein.“
Wenn Wahlplakate dazu beitragen, dass möglichst viele Leute mitbekommen, dass eine Wahl stattfindet und daran teilnehmen, finde ich gut, dass es sie gibt.
Lore Hayek
ÖVP-Plakate „zu abstrakt“
Bezüglich der Slogans „gab es bei SPÖ, Grünen und Neos klare Überlegungen. Die FPÖ-Kampagne ist ein Sammelsurium aus früheren Wahlkämpfen. Die ÖVP setzt auf Ein-Wort-Kampagnen. Diese können prinzipiell sehr gut und eingängig sein. In diesem Fall verstehen wir auf einer Metaebene, was man uns sagen will, für die Botschaft, die schnell verstanden werden soll, ist es aber zu viel und zu abstrakt“, so die Analyse von Hayek.
An manchen Stellen sieht man auch die Plakate aller Parteien in einem Abstand von gerade einmal einem Meter. Wie sinnvoll ist das? Die Expertin dazu: „Ich glaube, dass der geringe Abstand gar nicht so sehr Absicht ist, sondern dass das mit der Straßenverkehrsordnung zu tun hat. Wenn dann jedoch eine Partei fehlt, würden sich die Leute fragen, warum sie fehlt.“ Deswegen würden die Parteien – sofern sie genügend Geld zur Verfügung haben – versuchen, „möglichst flächendeckend zu plakatieren“.
„Wenn sie die Leute zur Urne bringen, sind sie gut“
Und werden die Tirolerinnen und Tiroler jemals eine Landtagswahl erleben, bei der keine Plakate zu sehen sein werden? Da in anderen Bundesländern derartige Wahlen schon stattgefunden haben, durchaus möglich. Doch Hayek hält dazu fest, dass „die Demokratie unser höchstes Gut ist. Wenn Wahlplakate dazu beitragen, dass möglichst viele Leute mitbekommen, dass eine Wahl stattfindet und daran teilnehmen, finde ich gut, dass es sie gibt“.
Übrigens: Zwar werden die Plakate in knapp zwei Wochen wieder verschwinden. Doch bis zum 9. Oktober lächeln uns dann noch die Kandidaten der Bundespräsidentschaftswahl von der „Weihnachtsbeleuchtung“ entgegen.
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