Proteste bei Begräbnis

Japan: Umstrittener Staatstrauerakt für Shinzo Abe

Ausland
27.09.2022 13:11

Mit einem heftig umstrittenen Staatstrauerakt voller militärischem Pomp hat Japan den kürzlich ermordeten Ex-Regierungschef Shinzo Abe geehrt. Unter massiven Sicherheitsvorkehrungen und begleitet von wütenden Protesten nahmen am Dienstag in Tokio rund 4300 Trauergäste aus dem In- und Ausland an dem Staatsakt in der Kampfsporthalle Nippon Budokan teil, darunter der deutsche Ex-Bundespräsident Christian Wulff und US-Vizepräsidentin Kamala Harris.

Unter dem Donner von Kanonenschüssen trug Abes Witwe Akie in einen schwarzen, formellen Kimono gekleidet die Urne mit der Asche in die Halle. Die Trauergäste hatten vor einem riesigen Porträt des Ermordeten mit schwarzem Trauerflor Platz genommen.

Akie Abe, die Witwe des ermordeten Ex-Premierministers, mit dessen Urne. (Bild: AFP)
Akie Abe, die Witwe des ermordeten Ex-Premierministers, mit dessen Urne.

Premierminister lobte umstrittenen Abe
Soldaten in weißen Uniformen nahmen in der nahe des Kriegsschreins Yasukuni gelegenen Budokan-Halle die Urne entgegen und stellten sie auf ein Podest, das mit weißen und gelben Chrysanthemen dekoriert war. Während eine Militärkapelle die Nationalhymne Kimigayo spielte, standen die Gäste. Es folgte ein Moment des stillen Gedenkens. Danach wurde ein Video abgespielt, in dem Abes Amtszeit gerühmt wurde. In seiner Rede lobte der heutige Regierungschef Fumio Kishida seinen Mentor Abe als Politiker mit einer klaren Vision für die Entwicklung Japans und der Welt, der das Konzept eines „freien und offenen Indopazifik“ als Gegengewicht zu China verfolgt habe. „Du warst jemand, der viel länger hätte leben sollen“, sagte Kishida.

Kishida hatte ohne vorherige Beratungen im Parlament entschieden, dass Abe einen Staatstrauerakt verdient. Doch die Mehrheit im Volk war zuletzt anderer Meinung. Abes Gegner erinnerten an Abes Versuche, Japans Kriegsgräuel zu beschönigen und die pazifistische Nachkriegsverfassung zu ändern. Abe „war kein Glücksfall für die japanische Demokratie“, sagte die Japanologin Gabriele Vogt. Hinzu kommen nun die nach Abes Tod aufgedeckten Verwicklungen in die Mun-Sekte. In Umfragen sprach sich zuletzt eine Mehrheit gegen den Staatstrauerakt aus, der die Steuerzahler Millionen kostet.

Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris nimmt an den Begräbnisfeierlichkeiten für Shinzo Abe teil. (Bild: AFP)
Auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris nimmt an den Begräbnisfeierlichkeiten für Shinzo Abe teil.
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, war im Vorfeld der Trauerfeier mit dem amtierenden Premierminister Fumio Kishida zusammengetroffen. (Bild: AP)
Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, war im Vorfeld der Trauerfeier mit dem amtierenden Premierminister Fumio Kishida zusammengetroffen.

In einem nahen Park legten seit der Früh zahlreiche Menschen an zwei Ständen Blumen nieder und beteten. Der Trauerakt löste jedoch auch wütende Proteste aus - wegen der Kosten und weil Abe als Politiker nicht unumstritten war. Rund 20.000 Polizisten wurden mobilisiert.

Bei Wahlkampfauftritt niedergeschossen
Abe wurde am 8. Juli während einer Wahlkampfrede in Nara erschossen. Der Attentäter hatte angegeben, den Rechtskonservativen aus Hass auf die umstrittene Moon-Sekte (Mun-Sekte) ermordet zu haben. Die für ihre konservative und anti-kommunistische Gesinnung bekannte Moon-Sekte, zu der Abe in Verbindung stand, habe seine Mutter in den finanziellen Ruin getrieben und die Familie zerstört.

Mehrheit gegen Trauerakt
In Umfragen lehnte eine Mehrheit den Trauerakt für Abe ab. Japans am längsten amtierender Regierungschef gilt zwar weltweit als verdienter Staatsmann, im eigenen Volk war Abe mit seiner nationalistischen Agenda und mehreren Skandalen um Günstlingswirtschaft aber umstritten.

Einige Oppositionsparteien boykottierten den Staatstrauerakt und betonten, es gebe dafür keine Rechtsgrundlage. Gegner erinnerte er an Japans imperialistische Vorkriegszeit, als Staatstrauern dazu dienten, Nationalismus zu schüren. Seit Kriegsende hatte es eine Staatstrauer für einen Premier nur ein einziges Mal gegeben: 1967 für Shigeru Yoshida. Auch damals war die Zeremonie kritisiert worden.

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