Entführung verhindert
Belgien: Justizminister im Visier der Drogenmafia
Es klingt nach einem Hollywood-Film, ist aber Realität: Der belgische Justizminister sollte von der Drogenmafia gekidnappt werden. In der Nähe seines Wohnhauses wurde ein Auto mit Kalaschnikows und anderen Waffen entdeckt. Ermittler könnten die Entführung noch verhindern - doch der Schock nach diesem Frontalangriff auf den Staat aus dem Drogenmilieu sitzt tief.
Die Behörden sprechen von einer „ernsten Bedrohung“ des Justizministers Vincent Van Quickenborne. Dieser hatte der wuchernden Drogenkriminalität zuletzt den Kampf angesagt. Belgien mit seinen gerade mal 11,5 Millionen Einwohnern ist zu einem der wichtigsten Umschlagplätze für Drogen in Europa geworden.
Diese kommen am Hafen von Antwerpen an und werden von dort aus über den Kontinent, nach Asien, in den Nahen Osten oder auch nach Australien verteilt. Der zweitgrößte Einfuhrhafen für Kokain ist Rotterdam. Die Häfen sind für die internationalen Drogenbanden sehr attraktiv.
„Drogenkrieg“ auf den Straßen
Hinzu kommt: Die Banden werden immer gewalttätiger - und handeln längst nicht mehr im Verborgenen. Belgische Medien schreiben von einem „Drogenkrieg“ auf den Straßen von Antwerpen. Immer wieder kommt es zu Schießereien. Sprengsätze explodieren. Oft kommen die Täter aus den Niederlanden, die direkt an Antwerpen grenzen. Junge Männer, die im Auftrag einer organisierten Bande handeln. Auch die vier Hauptverdächtigen für die vereitelte Entführung des Justizministers sind Niederländer. Sie wurden in der Region Den Haag festgenommen und sollen ausgeliefert werden.
Die kriminellen Netzwerke von Belgien und den Niederlanden seien eng miteinander verzahnt, sagte der niederländische Kriminologe Professor Cyrille Fijnhout der Tageszeitung „De Volkskrant“. „Niederländische Kriminelle gehen nach Belgien und umgekehrt, sie missbrauchen die Grenze, um der eigenen Polizei und Justiz zu entgehen.“ Fijnhout sieht mafiaähnliche Strukturen in beiden Ländern. „Wir sehen, dass die Grundzüge der Mafia übernommen werden bis zur höchsten Ebene, wie Gewalt gegen den Staat.“
Wir sehen, dass die Grundzüge der Mafia übernommen werden bis zur höchsten Ebene, wie Gewalt gegen den Staat.
Kriminologe Cyrille Fijnhout
Der Generalstaatsanwalt von Brüssel, Johan Delmulle, sieht die Gefahr, dass Belgien ein „Narco-Staat“ wird. Er sagte kürzlich, dass die organisierte Kriminalität eine immer größere Rolle im Kokainhandel spiele. Dies führe zu einem „immer gewalttätigeren Wettbewerb zwischen diesen Clans und zu schweren Konflikten mit hauptsächlich niederländischen kriminellen Organisationen“. Dadurch nehme die drogenbezogene Gewalt zu. Delmulle sprach von Angriffen mit Granaten, Einschüchterung und Morden. Zudem lege der Kokainhandel den Keim für andere Formen der Kriminalität wie Geldwäsche, Korruption und Immobilienbetrug.
Justizminister sollte für seine Arbeit mit dem Leben bezahlen
Justizminister Van Quickenborne versuchte, den Kampf mit der organisierten Kriminalität aufzunehmen. Er stattete etwa die Behörden mit mehr Personal aus, schuf eine neue Ermittlungsbehörde für den Hafen und schloss einen Auslieferungsvertrag mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ab. Dafür sollte er nun offenbar büßen.
Die Bundesstaatsanwaltschaft erklärte nach den ersten Ermittlungen zur vereitelten Entführung, dass „diese Bedrohung ernst genommen werden musste“. Zusammen mit seiner Frau und seinen Kindern steht Van Quickenborne nun an einem unbekannten Ort unter Polizeischutz.
In unserem Rechtsstaat werden wir uns niemals der Gewalt beugen, niemals.
Justizminister Vincent Van Quickenborne
Öffentliche Termine musste der liberale Politiker vorerst absagen. In einem Interview mit belgischen Medien am Dienstag gab er sich jedoch kämpferisch. „In unserem Rechtsstaat werden wir uns niemals der Gewalt beugen, niemals“, sagte er aus seinem Versteck heraus. Zugleich machte er deutlich, dass er den Staat in einer neuen Phase sieht: der des Drogen-Terrorismus.
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