Mit 78 Jahren ist noch lange nicht Schluss: Stolze 13 Jahre nach Erreichen des Pensionsalters ist am Sonntag Alexander Van der Bellen ein neuer Arbeitsvertrag für die kommenden sechs Jahre angeboten worden.
Sein Sieg bei der Wiederwahl für das höchste Amt im Staat ist wohl mehr einer soliden ersten Amtszeit in stürmischen Zeiten als einem besonders inspirierten Wahlkampf geschuldet. Zu erwarten ist more of the same, ein abwägender Präsident, der sich durch nichts so leicht erschüttern lässt.
Als er vor sechs Jahren nach seiner Wahlschlacht gegen Norbert Hofer dann doch noch die Hofburg erreichte, war nicht absehbar, dass die durch Wahlwiederholung und -verschiebung in die Länge gezogene Kampagne noch das geringste Problem für den Staatschef gewesen sein würde. Regierungskrise um Regierungskrise, Corona und zuletzt die russische Aggression in der Ukraine - zu tun gab es immer, Van der Bellen wurde zum Ruheanker.
Dabei wurde es dem gebürtigen Wiener, der im Tiroler Kaunertal aufgewachsen war, wirklich nicht leicht gemacht. Vor allem die Ibiza-Affäre mit all ihren Folgen hatte historische Züge, was die Rolle der Hofburg anging. Den damaligen Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) berief er auf Wunsch von Kanzler Sebastian Kurz ab, eine Regierung wurde vom Nationalrat abgewählt, Regierungschefs wie Minister kamen und gingen.
Als seinen größten Fehler gab Van der Bellen, danach gefragt, an, Wladimir Putin falsch eingeschätzt zu haben. Ansonsten fiel er außenpolitisch nicht sonderlich auf. Corona nahm der Präsident von Anfang an ernst, leistete sich nur die Peinlichkeit, bei einem Abendessen mit Freunden die damals höchst unbeliebte Sperrstunde zu überziehen. Inhaltlich trieb Van der Bellen in erster Linie den Kampf gegen die Klimakrise voran, je näher die Wiederwahl kam, umso mehr entdeckte er mit offensiven Festspielreden auch die Moral in der Politik als Thema.
Für die Politik entdeckt wurde der Volkswirtschaftsprofessor vom langjährigen Grünen-Einzelkämpfer Peter Pilz. Nach einer gescheiterten Kandidatur für das Amt des Rechnungshof-Präsidenten zog Van der Bellen 1994 in den Nationalrat ein, dem er dann auch bis 2012 angehört. Rasch wurde er zum ruhigen Star der Partei und 1997 zu deren Chef. Die Amtszeit war großteils von Wahlerfolgen geprägt und dauerte für grüne Verhältnisse damals fast unglaubliche elf Jahre. Van der Bellens größte Enttäuschung in der Ära war das Platzen der schwarz-grünen Regierungsgespräche mit Wolfgang Schüssel (ÖVP).
Als Van der Bellens Karriere in den 2010er-Jahren mit einem Mandat im Wiener Landtag und seinem eher belächelten Job als Universitätsbeauftragter der Stadt dem Ende zuzugleiten schien, eröffnete sich mit der Hofburg-Wahl 2016 plötzlich ein „Window of Opportunity“. Durch dieses schlüpfte der damals schon 72-Jährige und fand schnell Gefallen am neuen Job.
Van der Bellen hatte zwar nicht die Volkstümlichkeit seines Vorgängers Heinz Fischer, doch war er schon irgendwie greifbar, etwa wenn er höchstpersönlich Hund „Juli“ bei deren Geschäften nahe der Hofburg begleitet.
Alexander Van der Bellen, geboren am 18. Jänner 1944 in Wien als Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters. Aufgewachsen im Tiroler Kaunertal. Studierte Volkswirtschaft und unterrichtete als Uni-Professor sowohl in der Tiroler Hauptstadt als auch in Wien. Aus seiner ersten, im Herbst 2015 geschiedenen Ehe, hat er zwei Söhne. In zweiter Ehe ist er mit Doris Schmidauer verheiratet.
Wie turbulent die zweite Amtsperiode für den Sohn einer estnischen Mutter und eines russischen Vaters sein wird, ist noch schwer absehbar. Durchhalten will Van der Bellen sie jedenfalls. Einzig wenn er merkt, dass es ihm zu viel wird, würde er meinen: „Oida, es reicht“. Zumindest hat er das kurz vor der Wahl im ORF versprochen.
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