Nehammers „Geraspel“. All die Affären, die sich rund um die Volkspartei zusammengebaut haben - die würden die Parteigranden am liebsten aussitzen. Wie hat es der Ex-Parteichef Reinhold Mitterlehner vor kurzem im „Krone“-Interview formuliert? „Dieser Mangel an Selbstreflexion erinnert mich an den Umgang der Republikaner in Amerika mit Trump. Das hat aber zur Folge, dass die ÖVP jetzt und in Zukunft immer wieder mit diesen Dingen konfrontiert werden wird. Denn aussitzen kann man das - wie man sieht - nicht.“ Langsam scheint auch Mitterlehners Nach-Nachfolger Karl Nehammer zu dämmern, dass er mit seiner Defensivstrategie die Partei an den Rand des Abgrunds führt. Und so sprach er in der gestrigen Nationalrats-Sondersitzung, am Vortag der Schmid-Aussage im Parlaments-U-Ausschuss, die bisher klarsten Worte, entschuldigte sich „für das schlechte Bild, das die Politik abgibt“. Er bekennt sich dazu, dass die Korruption in Österreich „definitiv keinen Platz“ habe, spricht davon, dass es Sonderbehandlungen für Eliten „mit uns nicht gibt“ und wer mit Steuergeld Schindluder treibe, „der hat bei uns nichts verloren“. Die Verantwortung weitete Nehammer freilich auf die gesamte Politik aus - und erntete in der Sondersitzung sogleich heftige Kritik, Spott und Häme. FPÖ-Chef Herbert Kickl ortete in Nehammers Rede nur „Süßholz-Geraspel“ und ein „Abschütteln der Verantwortung, Kindesweglegung, Abputzen, Ablenken und eine unglaubliche Wehleidigkeit“. Jörg Leichtfried, der stellvertretende SPÖ-Klubchef, erinnerte Nehammer daran, wenn er sich rein auf das Strafrecht berufe, „dann wären Ihnen auch 7,5 der zehn Gebote aus der Bibel ,wurscht´.“ Also: keine Spur von der von Nehammer eingeforderten gemeinsamen Verantwortung der gesamten Politik.
Moralische Grenzen. Und was sagen Politologen zur Nehammer-Rede? Endlich versuche er nicht, das Thema wegzuschieben. Dennoch brauche es noch mehr Distanz. Und vor allem ein Antikorruptionspaket, meint Politikberater Thomas Hofer. Den „klaren Schnitt“ vermisst Politikanalyst Peter Plaikner, Nehammer verfolge seine bisherige Strategie: „Ich habe damit nichts zu tun. Die Partei auch nicht.“ Plaikner meint wie viele andere, dass der Bundesparteiobmann „Risiko nehmen und den Rücktritt des so umstrittenen Wolfgang Sobotka fordern müsste“. Politologin Katrin Stainer-Hämmerle verweist darauf, dass Nehammer „wieder vom Strafrecht als Grenze“ sprach. Aber es gehe auch um moralische und politische Grenzen. Aber man fragt sich: Kennt man diese Grenzen in der angeblich christlich-sozialen Partei überhaupt noch?
Kommen Sie gut durch den Donnerstag!
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