Bundeskanzler Karl Nehammer hat sich am Dienstag in der serbischen Hauptstadt Belgrad mit Serbiens Präsident Aleksandar Vučić und Ungarns Präsident Viktor Orbán getroffen, um eine Absichtserklärung zum verstärkten Grenzschutz zu unterzeichnen. Österreich wird den Grenzschutz in Serbien mit 100 Polizisten verstärken.
Graue Wolken hängen am Mittwoch über Belgrad beim Treffen zwischen Nehammer, Vučić und Orbán. Durch eine Absichtserklärung zwischen den Ländern über verstärkten Grenzschutz soll die Zahl der Asylanträge auch in Österreich eingedämmt werden. Alles nur graue Theorie? Für Nehammer ist „das Asylsystem der Europäischen Union gescheitert." Einzelstaaten sind gezwungen, neue Formen der Partnerschaften zu finden“, betonte er. Willkommen heißt er hingegen Serbiens Bestreben, die visafreie Einreise abzuschaffen. Über den Flugweg kommen vor allem Flüchtlinge aus Indien und Tunesien, sie sind nach den Afghanen und Syrern die größte Gruppe an Asylwerben: So waren es 2022 rund 15.000 Asylanträge von Indern und 11.400 aus Tunesien.
Trennung von „Asyl“ und „Migration“
Die Worte, die Nehammer, Orbán und Vučić finden, sind eindeutig. Nicht nur der vier Meter hohe und 175 Kilogramm lange Grenzzaun an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn lassen an eine Festung Europa denken. Eine klare Absage erteilte Nehammer dem „Asyltourismus“ und Orbán sagte: „Wir sollten klarmachen, dass unsere Grenzen nicht zu überqueren sind.“ Nehammer erklärte, dass derzeit ein „Asyl à la carte“ herrsche, dass aber der Schutz im nächstmöglichen Land das Ziel sein muss. Außerdem ist ihm die Trennung von „Asyl“ und „Migration“ wichtig, das werde nämlich vermischt. Migration sei, wenn das Land aus wirtschaftlichen Gründen verlassen werde, so der Kanzler.
„Keine Diskussionsverbote“
Nehammer plädiert für einen starken Außengrenzschutz, ein neues Frontex-Mandat, Asylverfahren direkt an der Grenze und ein Rückführungsabkommen mit den betroffenen Ländern. Hierzu müssen Maßnahmenbündel geschnürt werden, „dass Menschen in ihren Herkunftsländern Lebensperspektiven haben“. Die aktuelle Diskussion über eine Veränderung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) geht Nehammer nicht weit genug, man müsse die Asyl-Thematik breiter denken: „Es gibt keine Diskussionsverbote, weder bei der Genfer Flüchtlingskonvention noch bei der Europäischen Menschenrechtskonvention. Wir müssen Rechtsmaterien verändern, um die Handlungsfähigkeit des Staates wieder herzustellen“, äußerte sich der ÖVP-Chef zur aktuellen Diskussion.
Dafür erntet er umgehend Kritik von der Opposition. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch meinte etwa, dass Nehammer jetzt auf europäischer Ebene über den EU-Außengrenzschutz „diskutieren“ wolle, sei das „nächste leere Versprechen“. Nehammer wolle damit vom eigenen Versagen ablenken - dieser Meinung sind auch die NEOS.
Für die SPÖ sind die Menschenrechte jedenfalls unteilbar. SPÖ-EU-Delegationsleiter Andreas Schieder bezeichnete die Äußerungen der ÖVP als „brandgefährlich“. Wer die EMRK infrage stelle, stelle damit auch die österreichische Verfassung und die EU-Verträge infrage und übernehme Forderungen der extremen Rechten, erklärte er. Eine Überarbeitung der Europäischen Menschenrechtskonvention müsste außerdem beim Europarat eingebracht werden. Eine zeitnahe Umsetzung dieser Überlegungen gilt daher als unrealistisch.
Signal an die Herkunftsländer
Konkret entsendet Österreich 70 Polizisten an die Grenze zwischen Serbien und Ungarn, weitere 100 an die Grenze zwischen Serbien und Nordmazedonien sowie technisches Gerät. Für Nehammer ist die Zusammenarbeit mit Serbien und Ungarn vor allem ein starkes Signal an die Herkunftsländer der Flüchtlinge.
Serbien will zudem Flugzeuge bereitstellen, um Flüchtlinge abzuschieben - auch hierbei möchte Österreich unterstützend wirken. Welche Summe die zugesagte Unterstützung für Serbien genau beträgt, lässt sich noch nicht beziffern.
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