Von Stalin betrieben
Deutsches Parlament: Holodomor war Völkermord
Erst vor wenigen Tagen wurde der vor 90 Jahren gezielt herbeigeführten Hungersnot in der Ukraine gedacht. Der sogenannte Holodomor (Mord durch Hunger) der sowjetischen Führung unter Diktator Josef Stalin ist nun auch vom deutschen Parlament offiziell als Völkermord anerkannt worden. Der ukrainische Botschafter in Wien, Vasyl Khymynets, drängt den österreichischen Nationalrat zu einer ähnlichen Entscheidung.
Mit großer Mehrheit billigten die deutschen Abgeordneten am Mittwochabend einen gemeinsamen Antrag von Ampel-Koalition und Unionsfraktion, in dem von einem „menschenverachtenden Verbrechen“ die Rede ist. Bis zu vier Millionen Menschen fielen dem Holodomor in den Jahren 1932 und 1933 allein in der Ukraine zum Opfer. Das Streben der sowjetischen Führung nach einer Kontrolle der Bauern sei damals mit der Unterdrückung der ukrainischen Lebensweise, Sprache und Kultur verschmolzen, heißt es in der Bundestags-Drucksache. „Damit liegt aus heutiger Perspektive eine historisch-politische Einordnung als Völkermord nahe. Der Deutsche Bundestag teilt eine solche Einordnung.“
AfD und Linke enthielten sich
In der Bundestagsdebatte verurteilten alle Fraktionen den Holodomor, doch die rechte AfD und die Linke enthielten sich bei der Abstimmung über den Antrag. Der AfD-Abgeordnete Marc Jongen sprach von einer „Instrumentalisierung der Geschichte“ und wandte sich gegen eine „historische Gleichsetzung“ mit dem heutigen Ukraine-Krieg. Gregor Gysi von der Linken warnte zudem vor einer möglichen Gleichsetzung von Adolf Hitler und Josef Stalin: „Stalin war schlimm, sehr schlimm, aber kein Hitler.“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte die Entscheidung des deutschen Bundestags ausdrücklich. „Dies ist eine Entscheidung für Gerechtigkeit, für Wahrheit“, sagte Selenskyj am Mittwochabend in seiner täglichen Videoansprache. „Und das ist ein sehr wichtiges Signal für viele andere Länder der Welt, dass es dem russischen Revanchismus nicht gelingen wird, die Geschichte umzuschreiben.“
Ähnliche Resolution bald auch in Österreich?
In Österreich hatten vergangene Woche der ukrainische Botschafter in Wien, Wassyl Chymynez, sowie die NEOS die Verurteilung des Holodomors als Völkermord im Nationalrat gefordert. Unter Wissenschaftlern ist es nach wie vor umstritten, ob es sich um einen gezielten Völkermord an Ukrainern oder ob es sich um das brutale Vorgehen der Machthaber gegen die Landbevölkerung gehandelt hat. In der ukrainischen Sowjetrepublik fielen primär ethnische Ukrainer der von den Sowjets herbeigeführten Katastrophe von 1932/1933 zum Opfer. Gleichzeitig war es aber auch in manchen Regionen des russischen und noch stärker des kasachischen Teils der Sowjetunion zu politisch verursachten Hungersnöten gekommen.
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