Seit dem Jahreswechsel können Investitionen in Atomkraftwerke in der EU als klimafreundlich eingestuft werden. Grund genug für den oberösterreichischen Umweltlandesrat Stefan Kaineder, mit Sorge über die Landesgrenze nach Deutschland zu schauen - und mit noch größerer Sorge nach Frankreich.
Im Kampf gegen den Klimawandel spielen in der EU seit 1. Jänner Atomkraftwerke (AKW) eine Rolle: Die umstrittene Ergänzung zur Taxonomie-Verordnung, wonach Investitionen in AKW als klimafreundlich gelten, ist in Kraft getreten. Daran ändert vorerst auch eine Klage Österreichs beim Europäischen Gerichtshof nichts. Oberösterreichs Umweltlandesrat Stefan Kainder (Grüne) hält das Festhalten an der Atomkraft für fatal - am Beispiel der AKW-Großmacht Frankreich.
„Brandgefährliche“ Situation
Dort ortet Kaineder eine „brandgefährliche“ Situation: Rund ein Dutzend der französischen AKW seien vom Netz genommen worden und müssten wegen massiver Korrosion repariert werden. Oft seien die Schäden größer als angenommen. Die AKW-Flotte in Frankreich sei „marod“, konstatiert Kaineder, weshalb auch die Atomstromerzeugung in Frankreich 2022 auf den niedrigsten Wert seit 30 Jahren gesunken sei.
Notdürftige Reparaturen
„Unter Hochdruck will die französische Regierung Risikoreaktoren nach notdürftigen Reparaturen noch im Winter wieder ans Netz bringen. Dabei gibt es viele Teile, die so verbaut sind, dass man diese gar nicht reparieren kann. Aufgrund der Pandemie und fehlenden Fachkräften wurden auch Standard-Wartungsarbeiten aufgeschoben oder schlicht nicht durchgeführt“, kritisiert Kaineder. Frankreich versuche zu verschleiern, „in welche fatale Sackgasse man sich mit der Abhängigkeit von Atomkraft gebracht hat".
Der hochverschuldete Energiekonzern EDF, Europas größter Atomstromproduzent, wird nun vollverstaatlicht, die Milliardenverluste auf die Steuerzahler abgewälzt. Denn weitere 100 Milliarden müssten in die Sicherheit der in die Jahre gekommenen Atomflotte investiert werden.
Stefan Kaineder (Grüne), Umweltlandesrat
Strompreis steigt auch in anderen Ländern
Frankreich sei wegen des schlechten Zustands der AKW vom Stromexporteur zum -importeur geworden. „Um die Mär vom billigen Atomstrom aufrecht zu halten, verkauft Atombetreiber EDF unter den Produktionskosten und muss aufgrund der AKW-Ausfälle Strom zu Höchstpreisen aus dem Ausland zukaufen“, sagt Kaineder. Durch die extrem hohe Nachfrage aus Frankreich würden auch die Strompreise in den Ländern, aus denen importiert wird, steigen, etwa in Deutschland.
Verschobener Atomausstieg in Deutschland
Apropos Deutschland: Dort wurde der ursprünglich mit 1. Jänner 2023 geplante Atomausstieg aufgeschoben. Die verbleibenden drei AKW Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland werden wegen der schwierigen Lage am Energiebinnenmarkt noch bis 15. April am Netz bleiben. „Dies nicht zuletzt, um die Situation in Frankreich zu stabilisieren“, meint Kaineder. Sein Fazit: „Atomkraft ist das Problem, nicht die Lösung. Klimaschutz, Unabhängigkeit und tragbare Energiepreise schaffen wir nur, wenn wir die Ausbauziele bei Erneuerbaren Energien schnell erreichen.“
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